Sogwirkungen: Die nächste Banken-Krise findet (noch) nicht statt

Meinung Die Zinspolitik der Zentralbanken in den USA und der Eurozone bleibt nicht ohne Folgen. Steigen die Zinsen wieder, wollen die Kunden ihre Einlagen verteuert sehen oder ziehen sie ab. Was daraus folgt, ist klar
Der Crédit Suisse wurde ein Notfallkredit von bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken zugesagt
Der Crédit Suisse wurde ein Notfallkredit von bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken zugesagt

Foto: Spencer Platt/Getty Images

Unbeirrt von den Ereignissen der vergangenen Tage hat der EZB-Rat eine weitere Zinserhöhung beschlossen, um einen halben Prozentpunkt. Es ist die sechste Erhöhung des Leitzinses seit der Zinswende vom Juli 2022, mit der das Ende der Nullzins-Politik eingeläutet wurde.

Damals gaben die Europäische Zentralbank und die eiserne Lady Christine Lagarde an ihrer Spitze dem öffentlichen Druck nach. Sie ließen sich auf eine Inflationsbekämpfung mittels Zinspolitik ein. Inzwischen steht der Leitzins der EZB bei 3,5 Prozent. Erwartet wird ein weiterer Anstieg bis auf 4,5 Prozent.

Start-ups gefährdet

Auf der anderen Seite des Atlantiks hat die Fed mit ihrer forschen Zinspolitik bereits zwei US-Geldhäuser in die Bredouille gebracht. Die Silicon Valley Bank (SVB) und die ebenfalls umgefallene Signature Bank sind zwei mittelgroße Institute mit weniger als 250 Milliarden Dollar Bilanzsumme. Solche Mittelgewichte stehen in den USA unter weniger strenger Aufsicht als die Schwergewichte, die jährlich einen Stresstest durchstehen müssen. Ein altmodisches Zinsrisiko wurde der SVB zum Verhängnis.

Sie hatte einen Haufen festverzinslicher Staatsanleihen im Portfolio, die wegen der steigenden Leitzinsen an Wert verloren, während die Bank gleichzeitig ihren Kunden höhere Zinsen zahlen musste. Als der Run auf die Einlagen beider Banken begann, griff die US-Regierung rasch ein und garantierte die Gelder, sogar über die Schwelle der geltenden Einlagensicherung von 250.000 Dollar hinaus. Das war nötig, weil zahlreiche Hightech Start-ups ihr Geld bei der SVB liegen hatten. Die wären bei einem Run auf die Bank zahlungsunfähig geworden. Dank der raschen Staatsaktion hat sich die Lage wieder beruhigt. Ein Übergreifen auf die Branchenführer unter den US-Banken ist einstweilen nicht zu befürchten.

Schwacher Bruder

Der Fall der Schweizer Crédit Suisse liegt etwas anders. Die Bank wird schon länger von Skandalen und Verlusten heimgesucht. Sie ist in Fachkreisen als schwacher Bruder bekannt. Einer ihrer Großaktionäre, eine saudische Großbank, weigerte sich, weiteres Geld zu geben – verständlich, weil den Saudis die vergleichsweise scharfe Bankenaufsicht in der Schweiz missfällt. Allein diese Nachricht reichte schon, um eine mittlere Panik auszulösen, die Kunden zogen ihre Gelder ab, die Aktien der Crédit Suisse sausten in den Keller. Wohlweislich ist die Schweizer Regierung eingesprungen und hat einen Notfallkredit von bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken (eventuell mehr) zugesagt. Das reicht – vorläufig –, um die Lage zu beruhigen.

Wie so oft haben „die Märkte“ gezeigt, dass sie schnell in Panik geraten, zu schnell, um als rationale Akteure ernstgenommen zu werden. Von einem Tag zum anderen stiegen die Aktienkurse der betroffenen Banken wieder. Sie scheinen noch einmal davongekommen zu sein, handelt es sich bei den betroffenen Geldhäusern doch um keine ganz großen Spieler – mit einem mehr regionalen als globalen Engagement. Aber das Zinsrisiko bleibt, das von den Voten der Zentralbanken ausgeht. Es droht nicht nur den Banken, sondern ebenso Häuslebauern, Mittelständlern und ganz normalen Unternehmen.

Mit dem Hammer in der Hand

Misslich nur, dass die Zinswende bisher wenig bis gar nichts zur Inflationsbekämpfung beiträgt. Denn Inflation ist nicht gleich Inflation. Die Geldentwertung, mit seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg Fahrt aufgenommen hat, ist ein ganz spezieller Fall. Eine Kreditinflation kann mit hohen Zinsen eingedämmt werden, aber nicht die Art von Preisinflation, die sich momentan abspielt.

Da hinterlassen unterbrochene bzw. abgerissene Lieferketten und explodierende Energiepreise Wirkung, die auf die Störung der Energiemärkte durch den Krieg und seine Folgen zurückgeht. Auch die fatale Neigung zahlreicher Akteure, etwa in der Lebensmittelbranche und im Handel, die Inflation ausnutzen, um ihre Gewinnmargen mittels Preiserhöhungen zu verschönern, ist mit einer Zinswende nicht zu beeinflussen. Wenn die Hochzinspolitik so weitergeht, werden Regierungen bald öfter zur Bankenrettung ausrücken müssen. Einstweilen bleibt die herrschende Meinung in Europa unbeeindruckt: Wer nur einen Hammer – sprich: die Zinspolitik – hat, dem erscheint jedes Inflationsproblem als Nagel. Doch Zentralbanker sollten besser nachdenken, bevor sie draufhauen.

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