Die Realpolitik ist das Vorbild

Spionage Die hochgelobte israelische Serie geht in die 2. Staffel. „Teheran“ ist aktuell eine der spannendsten TV-Serien, die von der Realpolitik gespeist werden
Ausgabe 18/2022

Als vor knapp zwei Monaten die festgefahrenen Wiener Gespräche zum Atomdeal mit dem Iran wieder aufgenommen wurden, hielten sich Zuversicht und Pessimismus die Waage. Schließlich handelte es sich um die bereits achte Auflage der 2015 begonnenen Verhandlungen, und der Schaden, den Donald Trump mit dem Ausstieg der USA verursachte, ist erheblich: Technologisch hat der Iran einen weiteren Schritt nach vorne gemacht, und das erworbene Wissen der vergangenen vier Jahre geht in Teheran sicher nicht mehr verloren. Als vor wenigen Wochen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erneut eine Pause aufgrund „externer Faktoren“ forderte, war klar: Nach sieben Jahren Verhandlungsmarathon läuft nun endgültig die Zeit davon, während man in Teheran genügend Material für eine Atombombe angesammelt haben wird.

Man braucht diese Informationen aus der diplomatischen Wirklichkeit nicht unbedingt, um auch die zweite Staffel von Teheran (auf Apple TV+) als eine der aktuell spannendsten TV-Serien zu erleben, die von der Realpolitik gespeist werden. Wer sich aber vor Augen hält, welche Auswirkungen das Scheitern des Atomdeals bedeuten würde, wird von der israelischen Serie mehr als nur gut unterhalten: Während in der Realität am Runden Tisch darum gerungen wird, dass das iranische Urananreicherungsprogramm im Gegenzug für eine Lockerung von Sanktionen streng kontrolliert werden darf, liefert sich auf dem Bildschirm der israelische Geheimdienst einen packenden Kampf mit seinem iranischen Pendant.

Mit der Fortsetzung der zu Recht hochgelobten Spionageserie hat sich nun allerdings das Szenario verschoben: Nachdem in der ersten Staffel die iranischstämmige Mossad-Agentin Tamar (Niv Sultan) den Auftrag hatte, das gegnerische Raketenabwehrsystem zu hacken, um einen israelischen Luftangriff auf einen Atomreaktor zu ermöglichen, stehen nun die Zeichen auf Defensive. Bereits in der ersten Episode, die ihre Brückenfunktion zwischen den Staffeln mehr als passabel erfüllt, muss einer der abgeschossenen israelischen Piloten aus der Gefangenschaft befreit werden – ein hochgradig spannendes Verwirrspiel in einem schwer bewachten Teheraner Krankenhaus. Für Tamar geht es im Folgenden einerseits darum, in der iranischen Metropole nicht geschnappt zu werden, andererseits die in der ersten Staffel geknüpfte Beziehung zum oppositionellen Studenten Milad (Shervin Alenabi) weiterhin für eigene Zwecke zu missbrauchen. Und sich nicht zuletzt über familiäre Umwege – sein Sohn ist dem Nachtleben und Edeldrogen nicht abgeneigt – an den neuen Führer der Revolutionsgarde heranzupirschen, der von der Atombombe für den Gottesstaat träumt und gegen den jeder Hardliner als Weichei dasteht.

„It’s not that Israel is good and Iran is bad.“ Zum Start von Teheran vor zwei Jahren bemerkte Autor und Showrunner Moshe Zonder (Fauda) in mehreren Interviews, dass es ihm, auch als ehemaligem Journalisten, wichtig sei, den sogenannten Erzfeind Israels vor allem in einer israelischen Produktion nicht als das ultimative Böse zu zeichnen. Und tatsächlich bemüht sich Teheran um ausreichend Schattierungen und psychologische Grauzonen – ohne dabei die konventionellen Genreregeln zu missachten.

Die hitzige Atmosphäre der ersten Staffel bestimmt denn auch die – abermals durchgehend von Daniel Syrkin inszenierte und in Athen gedrehte – Fortsetzung, womit nicht nur der Undercover-Agentin keine Zeit zum Verschnaufen bleibt. Selbst zwischen den Verfolgungsjagden, Wortgefechten, Prügeleien und Camouflagen hält Teheran das Erzähltempo fortwährend hoch und lässt damit vor allem das Bodenpersonal auf den Straßen Teherans getrieben wirken: im Kampf gegen den Feind, im Wettlauf gegen die Uhr und unter Druck gesetzt von Vorgesetzten, die aus sicherer Entfernung die Befehle erteilen. Einzig die Psychologin Marjan (Glenn Close), die sich vorgeblich um die psychisch labile Frau von Geheimdienstchef Faraz (Shaun Toub) kümmert, wirkt in diesem Szenario wie ein Fremdkörper, der aufgrund des internationalen Erfolgs der Serie nun in Gestalt eines US-Stars in der iranischen Metropole auftaucht ist. „We are playing a long game here“, meint sie in der zweiten Episode über die breit angelegte Mossad-Operation. Derart treffend könnte man auch Teheran als Serie beschreiben.

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