In der Tiefe des Blätterwalds, dort, wo es selbst für Gala und Bunte zu dunkel wird, treiben publizistische Blüten, die man nur selten sieht. Durch enorme Selektionsleistung und jahrelang kultivierte Faktenresistenz schaffen sie es, auch unter widrigen Umständen zu überleben. Ab und zu kann man sie aber in freier Wildbahn entdecken, etwa beim Friseur oder Zahnarzt. Es sind jene dünnen Blättchen, die meist „Frau“, „Freizeit“ oder „Woche“ im Titel tragen.
Und hier findet man sie, die letzten aufrechten Anwälte der Aristokratie, die Howard-Carpendale- und Barbara-Wussow-Experten, all jene, die Helene Fischer und Andrea Berg schon abfeierten, bevor sie Mainstream wurden. Dabei funktionieren diese Käseblätter hochgradig dialektisch. Das zeigt sich besonders bei der Berichterstattung über Königshäuser. Gerade weil hier permanent über den luftigen Lebenswandel Prinz Harrys oder die Eheprobleme Caroline von Monacos informiert wird, beweist sich der Glaube ans Gottesgnadentum. Dass der Adel auch allzu menschlich daherkommt, offenbart ex negativo nur, dass er eigentlich einer anderen Sphäre angehört. Nach dem Prinzip: Sakralisierung durch Profanierung.
Ähnlich verhält es sich bei Angela Merkel. Schon länger firmiert die Kanzlerin in der Regenbogenpresse nämlich als beliebtes Covergirl. Und auch sie erscheint gerade durch ihre Bodenständigkeit so übergroß. Thema sind nämlich meist drei Dinge: ihre Ehe, ihre Gesundheit, ihr Alltag. Im Februar vermeldete etwa die Schöne Woche, dass Merkel und Joachim Sauer „Getrennte Wege!“ gehen und versprach dazu ein „Exklusiv-Interview“. Gemeint war damit jedoch nur der Wirt ihres Berliner Lieblingsrestaurants, der verriet, dass die Kanzlerin meist nur mit Kollegen zum Essen käme. Freizeit Vergnügen titelte wiederum: „Höllische Schmerzen – Wie krank ist die Kanzlerin wirklich?“
Eine akute Frage, immerhin konnte man im dazugehörigen Artikel lesen, dass Merkel-Imitatorin Antonia von Romatowski nach Dreharbeiten „schlimme Rückenschmerzen“ habe, weil sie den Rundrücken der CDU-Vorsitzenden nachahme. Revue Heute berichtete wiederum vom „geheimen Privatleben“ Merkels. Konkret: Diese koche ab und an Rouladen und kaufe auch mal um die Ecke im „Hit-Ullrich-Verbrauchermarkt“ ein. Neben der ganzen Bodenständigkeit gibt es mitunter aber auch anzüglichen Glamour. So schrieb kürzlich Mein schönes Blatt: „Angela Merkel – Ihrem heimlich Freund schickt sie nachts süße Faxe“. Gemeint war Schauspieler Ulrich Matthes, der im SZ-Magazin verraten hatte, dass Theater-Fan Merkel und er sich „ab und zu“ per Fax austauschten.
Manchmal wird es aber auch gleichermaßen politisch wie perfide. Die frau aktuell titelte unlängst: „Bittere Trennung! – Es geht einfach nicht mehr“. Wer hier irgendwas mit Joachim Sauer erwartet, liegt jedoch falsch. Denn es geht um die Flüchtlingskrise. Im Text heißt es: „Auf der ganzen Welt wird Merkel für ihre Beharrlichkeit verspottet. Für die Kanzlerin ist die Zeit der bitteren Trennung gekommen. Sie muss sich schleunigst von ihrem Traum verabschieden, allen Flüchtlingen ein neues, sicheres Zuhause in Deutschland geben zu wollen.“ Und derlei ist kein Einzelfall. Das zeigt schon der Umstand, dass die zeitgleich verkaufte Ausgabe der Prima Woche unter derselben Überschrift fast genau die gleiche „Story“ brachte. Politisch gesehen haben manche Käseblätter also eine ungeahnte Funktion: Sie sind die Fortsetzung von Focus Online mit anderen Mitteln.
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Angela Merkel – Eine Devotionalie
Die Devotionalie Angela Merkel ist das Ergebnis von Mythenbildung – sie ist unantastbar. Und es sind die Medien, die dafür sorgen, sie unantastbar zu machen, indem sie Angela Merkel immer wieder mit neuen Attributen versehen, die mit der „wahren Person“ jedoch vermutlich wenig zu tun haben: z. B. „Die mächtigste Frau der Welt“, "Kohls Mädchen", „clevere Kanzlerin“, „geschickte Machtpolitikerin“, „Mutter der Nation“. Das US-Magazin Forbes kürte Angela Merkel 2012 gar zur zweitmächtigsten Person der Welt, direkt hinter US-Präsident Barack Obama und noch vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Offensichtlich projizieren Autoren ihre eigenen, mit Angela Merkel verbundenen (auch Wunsch-)bilder auf diese Frau. Im Rahmen eines solchen Prozesses erfolgen oftmals Zuschreibungen, die eigentlich mehr Auskunft über die Befindlichkeit, auch Sehnsüchte der Autorinnen bzw. Autoren geben als über die so beschriebene „reale Person“. Und auf diese Weise entstehen völlig überhöhte Bilder, die mit den dafür geeigneten Personen verknüpft werden.
Die mediale Mythenbildung hat mich von Anfang an erzürnt, da sich Angela Merkel selbst schon ganz früh und ganz eindeutig als devote Erfüllungsgehilfin der amerikanisch dominierten Expansionspolitik der so genannten westlichen Wertegemeinschaft, wie sie als Mutter der Worthülsen sagen würde, zu erkennen gegeben hat: Devote Ergebenheit durchzieht ihr gesamtes politisches Handeln, prägt ihr gesamtes Verhalten und richtet sich im Zweifelsfalle selbst noch gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger. Ihre Unterwerfung Griechenlands im Sommer 2015 und die völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze der Bundesrepublik im Rahmen von coalitions of the willings unter ihrer Amtsführung entlarven die merkeltypische Grundhaltung.
Verlässt sie mal die Ebene der devoten Erfüllungsgehilfin – das beweist ihr Engagement in Sachen Kriegsflüchtlinge – so wird sie durch andere Akteure des politischen Mainstreams mithilfe dramatischster Szenarien wieder eingefangen.
"Offensichtlich projizieren Autoren ihre eigenen, mit Angela Merkel verbundenen (auch Wunsch-)bilder auf diese Frau."
Und das klappt tatsächlich???^^
Ich war lange genug Redakteur in diesen Kaeseblaettern, auch Yellow-Press genannt, um zu wissen das Frau Merkel sich ideal eignet um hier zur Ikone zu werden.
Profillos sucht sie nach Profil, passt in jedes Schema das man ihr aufdrueckt und hat eine Meinung die keine ist. Man hat soe etwas frueher als 'Zaepfchen' bezeichnet - das kann sich jeder ausmalen warum.
Sie ist ein Popstar der Mittelschicht die in Ruhe gelassen werden moechte und sich in langen Waldspaziergengen wiederfindet.
Passt wie die beruehmte Faust aufs Auge in der Yellow - oder wie das oben bereits erwaehnte 'Zaepfchen'.
Nix zu sagen und dauernd und zu allem eine 'wichtige' Meinung.
"Wie krank ist die Kanzlerin wirklich?"
Sehr ralitische Frage eigentlich, mit genung Tragik unterfüttert, um als Witz durchzugehen.