Geburtstage von Freunden verschlafe ich gerne mal. Auch das wichtigste Jubiläum der neueren Gewerkschaftsgeschichte habe ich verpennt: Im Mai 2023 sind die Amazon-Streiks zehn Jahre alt geworden! Damals zogen die Amazon-Beschäftigten zum ersten Mal in gelben Warnwesten und mit Verdi-Fahnen vor die „Fulfillment-Center“ in Bad Hersfeld und Leipzig, um zu streiken – für höhere Löhne, für bessere Arbeitsbedingungen, gegen algorithmische Totalkontrolle und vor allem für einen Tarifvertrag. Der Konzern, gegen den die Lager und Logistikarbeiter kämpfen, ist nicht viel älter als ihre Streikbewegung.
Trotzdem gehörte er 2013 bereits zu den fünf mächtigsten Tech-Konzernen der Welt. Die beeindruckende Erfolgsgeschichte von A
chte von Amazon ist die des Algorithmen-getriebenen Versandunternehmens, das 1994 in Seattle von Jeff Bezos als Online-Buchhandlung gegründet wurde und zu einer Monopol-Verkaufsplattform aufstieg, die aber nicht (wie seine Mitbewerber Google, Facebook, Apple und Microsoft) viel daransetzt, als freundlich und nett wahrgenommen zu werden.Oft wird vergessen, dass die gut organisierte, transnational agierende Streikbewegung vor zehn Jahren im beschaulichen Deutschland begann, wo Einzelne schon früh verstanden hatten, dass die stabile Organisierung vor Ort genauso wichtig ist wie internationale Solidarität, um Amazon die Stirn zu bieten. Und dass sie auch mit die Ersten waren, die überhaupt gezeigt haben, dass man sich einem scheinbar übermächtigen Tech-Konzern mit so etwas Altmodischem wie gewerkschaftlicher Organisierung entgegenstellen kann.Der Konzern, bei dem sie arbeiten, hat nicht an Macht eingebüßt. Im Gegenteil: Neben intransparenter algorithmischer Arbeitssteuerung ist Amazon bis heute Vorreiter der Gewerkschaftsbekämpfung. Gerade erst wurden wieder drei Betriebsräte in Niedersachsen, die sich für die Belange der Beschäftigten eingesetzt hatten, aus fadenscheinigen Gründen entlassen.Doch das Niveau, auf dem sich die Streikenden miteinander verbinden, Strategien erst diskutieren und dann umsetzen, beeindruckt jedes Mal aufs Neue. Deswegen: herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum, liebe Amazon-Streikende! Ihr macht Hoffnung, dass es auch anders geht, als uns die Tech-Konzerne glauben machen wollen.Placeholder authorbio-1