Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Tief im Westen gab es Lust auf Arbeitskämpfe

Meinung An der Uni Bochum hat unsere Kolumnistin, zusammen mit über tausend anderen Teilnehmern, wieder Hoffnung geschürt. Warum es den Gewerkschaften besser geht, als ihnen oft nachgesagt wird?
Ausgabe 20/2023
Hier wird über die Zukunft der Gewerkschaften diskutiert
Hier wird über die Zukunft der Gewerkschaften diskutiert

Foto: Niels Holger Schmidt

Das Wochenende vom 12. bis 14. Mai 2023 habe ich an der Ruhruniversität in Bochum verbracht und mit 1.550 anderen an der „Streikkonferenz“ teilgenommen. Ich bin immer noch überwältigt von der Opulenz der 56 Veranstaltungen mit ihren 170 Referenten. Wie sollte es bei einer Streikkonferenz – ausgerichtet von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und 15 lokalen gewerkschaftlichen Gliederungen –, bei der auch über aktuelle Streiks, Kämpfe sowie zukünftige Strategien debattiert wurde, auch anders sein?

Professor Klaus Dörre von der Uni Jena hat zur Eröffnung am Freitag zwei Punkte aufgemacht, die mich das ganze Wochenende begleitet haben. Noch vor einem Jahr hatte er gesagt, dass Gewerkschaften, trotz vereinzelter Streiks, insgesamt leider im Niedergang begriffen seien. Heute würde er das Gegenteil antworten: ja, die Arbeiterklasse, Streiks und Gewerkschaften erleben in Deutschland endlich wieder Aufwind!

Neues Publikum bei den Gewerkschaften

Das zeigt sich auch an der Teilnehmerzahl der Konferenz, die sich seit der letzten Konferenz vor vier Jahren in Braunschweig verdoppelt hat. Das zeigt sich aber auch daran, wer teilgenommen hat: viele sind weiblich, jung, migrantisch, in Basisgruppen organisiert und arbeiten in Bereichen wie Krankenhaus oder Lieferdiensten, für die sich die großen Gewerkschaften lange nicht interessiert haben. In den Arbeitsgruppen selbst waren es oftmals nicht die Hauptamtlichen, sondern die Ehrenamtlichen, die Betriebsräte und Aktivisten, die von außen unterstützen, die die Diskussion bestimmten.

Im Handgemenge der Auseinandersetzungen erneuern sich Gewerkschaften teilweise und erschließen sich neue Mitglieder, die sie herausfordern, verändern, die Mitbestimmung einfordern und die Sozialpartnerschaft zumindest teilweise stark beleben. Noch vor ein paar Jahren waren die Debatten, wie eine Erneuerung der Gewerkschaften und der Arbeiterklasse insgesamt aussehen könnte, sehr theoretisch und wurden an wenigen Leuchtturmorganisierungen entlang geführt.

Heute gibt es viele, sie sind mit Leben gefüllt und die Kämpfenden selbst können von ersten Erfolgen berichten und von konkreten Horizonten, die sich auftun. Doch eine andere Sache, die Klaus Dörre aufgeworfen hat, beschäftigt mich auch: wie kann die Arbeiterklasse im Aufwind auch die dringenden Fragen der Klimakrise adressieren? Trotz einzelner positiver Ansätze bleibt hier heute noch eine Leerstelle.

Ich nehme aber die Hoffnung mit, dass auch diese Frage bis zur nächsten Streikkonferenz 2026 ebenfalls in konkreten Auseinandersetzungen beantwortet wird. Denn: was bleibt uns anderes übrig?

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