Solarstrom boomt, Solarindustrie stürzt ab – wie passt das zusammen?
Erneuerbare Energien PV-Strom wächst rasant und stützt die Energiewende, zugleich zerstreiten sich die Photovoltaik-Hersteller und drohen mit der Verlagerung der Produktion weg aus Deutschland in die USA. Warum gerät eine Branche in Panik, wenn alles läuft?
Der Solarbranche steht das Wasser bis zum Hals. Oder sind das Tränen aus dem gleichnamigen Tal?
Wie kann das eigentlich sein: Der Ausbau der Sonnenenergie boomt, Solarpanele werden zum vielleicht wichtigsten Element der Energiewende, weil mit ihrer Hilfe der billigste Strom überhaupt produziert werden kann. Zugleich liest man immer wieder: „Deutsche Produktion von Solaranlagen bricht zusammen“, es drohen Standortschließungen, „Unternehmen in Gefahr“, nur Subventionen könnten hiesige Produzenten noch retten. Schließlich zerstreitet und entzweit sich auch noch der hiesige Solarwirtschaftsverband. Wie passt das eine zum anderen? Wie kann es sein, dass die Solarbranche boomt und zugleich am Abgrund steht?
Eigentlich ist die Entwicklung der Stromgewinnung aus Sonnenstrahlen doch eine ziemliche Erfolgsgeschichte: Schon 1839 entdeckte der Franzose
zerstreitet und entzweit sich auch noch der hiesige Solarwirtschaftsverband. Wie passt das eine zum anderen? Wie kann es sein, dass die Solarbranche boomt und zugleich am Abgrund steht?Eigentlich ist die Entwicklung der Stromgewinnung aus Sonnenstrahlen doch eine ziemliche Erfolgsgeschichte: Schon 1839 entdeckte der Franzose Alexandre Becquerel, dass man aus Sonnenstrahlung auf direktem Wege Strom erzeugen kann, auch wenn erst 100 Jahre später damit begonnen wurde, das auch praktisch einzusetzen. In den 1990ern setzte dann das exponentielle Wachstum des Einsatzes von Photovoltaischen Modulen ein, also von Solarzellen aus Halbleitermaterialien, zumeist Silizium: Alle drei Jahre verdoppelte sich seitdem die installierte PV-Kapazität.Deutschland ist einer der Vorreiter in der Nutzung von Solarstrom: 2022 wurden schon mehr als zehn Prozent des erzeugten Stromes mithilfe von Photovoltaik (PV) produziert. Solarstrom ist ein wichtiger Baustein der Energiewende, die immerhin dazu geführt hat, dass hierzulande mehr als die Hälfte des Stromes aus erneuerbaren Quellen kommt. Im globalen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld: vor China (rund 30 Prozent), aber hinter Brasilien (95 Prozent, allerdings vor allem aus Wasserkraft), Namibia (100 Prozent), Angola (82 Prozent), Kanada (70 Prozent) und sogar Afghanistan (87 Prozent, alle Daten aus dem Jahr 2022).Billig, billiger, ChinaGlobal spielt Sonnenenergie zwar noch immer eine eher kleine Rolle – PV macht erst fünf Prozent der weltweiten Stromproduktion aus –, aber alle Prognosen gehen davon aus, dass das exponentielle Wachstum anhält. Die International Energy Association schätzt, dass Solarenergie bis 2050 zur wichtigsten Stromquelle überhaupt werden könnte. Das hat mit einem zweiten Trend zu tun: mit dem rapiden Preisverfall für Photovoltaik-Module. Ende der 1970er Jahre kosteten Module um die 70 Euro pro Watt, heute gibt es sie schon ab 20 Cent pro Watt. Diese Entwicklung folgt dem Swanson’schen Gesetz, also der Beobachtung, dass der Preis von PV-Modulen um 20 Prozent sinkt, sobald sich die installierte Leistung verdoppelt.Also eigentlich doch alles super, oder? Je billiger die Solarzellen, desto mehr werden installiert; je mehr PV auf den Dächern und Parkplätzen und Äckern, desto eher gelingt die Energiewende. Doch genau diese Entwicklung sorgt derzeit für Ärger, für Streit im Bundesverband der Solarwirtschaft (der als BSW-Solar firmiert, aber sich das vielleicht in Zukunft anders überlegen könnte), für Rufe nach Subventionen und für stimmliche Beiträge zu den anschwellenden Klageliedern über einen Standort im Niedergang.Denn war Deutschland in den frühen 2000er Jahren ein langes Jahrzehnt lang globaler Spitzenreiter nicht nur beim Zubau, sondern auch in der Herstellung von Solarzellen, so ging diese Ära spätestens ab 2015 zu Ende. Seitdem dominiert China die Branche; heute kommen fast 80 Prozent der global produzierten Module von dort, fast 90 Prozent aus Asien. Das hat nicht nur mit dem Swanson’schen Gesetz zu tun, mit Effizienzgewinnen in der Herstellung und dem Skaleneffekt, also dem Umstand, dass die Produktion günstiger wird, je größere Mengen von etwas hergestellt werden. Sondern auch mit Industriepolitik und jüngst mit einem Preisverfall wegen Überproduktion.Europäische Hersteller klagen, sie würden aus dem Markt gedrängt, weil chinesische Produzenten – die von den USA mit Strafzöllen ausgesperrt werden, weil man dort seine eigene Solarindustrie hochpäppeln will – ihre Module in Europa spottbillig vertrieben, sogar unter den Herstellungskosten. Das führte nicht nur dazu, dass mehrere große europäische Solarfirmen Insolvenz anmelden mussten, sondern auch dazu, dass die immer lauteren Weckrufe der Branche an die Politik schließlich auf Gehör stießen. Denn billige Module, das sieht man gern: Aber was ist, wenn China ein Monopol bei einer Technologie erringt, von der auch die hiesige Energiewende abhängt? Das sieht man dann weniger gern.Resilienz-Bonus, das klingt doch super! Oder doch nicht?Als Lösung schien sich einige Zeit lang ein sogenannter „Resilienzbonus“ anzubieten. Das klingt erstens schon mal gut, schließlich ist Resilienz nicht nur in der Kindererziehung zentral, sondern auch in der Herstellung von Wafern, jenen hauchdünnen Platten aus kristallinem Silizium, aus denen man so ein PV-Modul zusammenlötet. Zweitens versprach der Resilienzbonus, europäische Produzenten wieder wettbewerbsfähiger gegenüber ihren chinesischen Konkurrenten zu machen: Wer sich eine Solarzelle europäischen Fabrikats aufs Dach schraubte, sollte eine Förderung bekommen, die den höheren Preis ausgleicht.Doch jüngst stießen die Verfechter des Bonus auf zwei Hürden: Erstens kippte Karlsruhe die Haushaltspläne für 2024, in denen Hilfen für die Solarbranche vorgesehen waren, und blockiert die FDP seitdem die Versuche, die Hilfen doch noch aufzusetzen. Und zweitens begann ein ziemlicher Zoff unter den Solarunternehmen selbst, darüber, wie sinnhaftig der Resilienzbonus überhaupt sei. Hersteller von Photovoltaik wie die Schweizer Firma Meyer Burger fordern die Subventionen vehement ein, sonst drohen sie mit Abwanderung in die USA, wo die Förderungen nur so flössen. Das Meyer-Burger-Werk in Freiberg in Sachsen hat seine Produktion einstweilig eingestellt, Ende März soll es womöglich ganz geschlossen werden, 500 Arbeitsplätze wären futsch. Auf der anderen Seite stehen hiesige Solarfirmen, die mit dem Einbau und der Instandsetzung billiger Module aus China mit eigener Software und Speichern ein boomendes Geschäft machen, wie etwa das Start-up 1Komma5: Die lehnen einen Resilienzbonus ab. Er sei teuer und käme bloß einigen Platzhirschen zugute, eine zukunftsfähige PV-Produktion garantiere er aber nicht.Der Branche droht also ein zweiter Absturz. Der erste, der 2012 begann, hatte nicht nur mit dem Aufstieg der chinesischen Solarindustrie zu tun. Sondern auch mit der politischen Entscheidung der damaligen schwarz-gelben Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel, Förderungen drastisch zu kappen. Ob es die Ampel dieses Mal schafft, die deutsche Solarbranche am Leben zu erhalten?
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