Zündeln im Heizungskeller: Wir brauchen eine soziale Wärmewende!
Energie Die Ampel macht vor, wie man Klimapolitik erst verschleppt und dann vermurkst: Dabei wäre ein Heizungsgesetz ohne soziale Härten durchaus machbar
Gefundenes Fressen: Die Bild bezeichnet die Pläne der Ampel-Koalition als „Heizungs-Hammer“
Foto: Frank Schinski/Ostkreuz
Es ist die Sau, die von der Bild-Zeitung in den vergangenen Wochen fast jeden Tag aufs neue durchs Dorf getrieben wird: „Habecks Heizungs-Hammer“ trommelt es da durch die Schlagzeilen. Der grüne Wirtschaftsminister wolle uns höchstpersönlich die Heizkessel bei laufendem Betrieb aus den Kellern reißen, könnte man meinen, würde man sich nur auf die FDP und ihre publizistische Südkurve, die Springer-Presse, verlassen.
Worum es geht, sind die Pläne der Ampel-Regierung, die sie 2021 im Koalitionsvertrag unter dem Titel „Klimaschutz im Gebäudesektor“ vereinbart hatte: Neue Heizungen sollen verpflichtend mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Eigentlich war das Ganze erst ab 2025 geplant, aber dann e
220; vereinbart hatte: Neue Heizungen sollen verpflichtend mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Eigentlich war das Ganze erst ab 2025 geplant, aber dann einigten sich die drei Koalitionsparteien unter dem Eindruck der Gaskrise, das Vorhaben zu beschleunigen und schon ab 2024 umzusetzen.Das ist an sich eine gute Idee: Denn der Gebäudesektor verursacht hierzulande ein Drittel der CO2-Emissionen. Und wenn wir wirklich in 20 Jahren emissionsfrei leben wollen, dann wäre es Quatsch, wenn wir in den nächsten Jahren neue Gas- und Ölheizungen verbauen, die dann 2045 wirklich obsolet würden, sprich ersetzt werden müssen, obwohl sie noch weiterlaufen könnten. Weil sich die Heizungen aber nicht von alleine dekarbonisieren, ist es sinnvoll, dass die Politik eingreift und die Leitplanken in Richtung Klimaneutralität aufstellt.Die, die zuerst bremsen, nörgeln hinterherDie FDP hat dem Vorhaben während der Koalitionsverhandlungen für die Ampel-Regierung, dann in zwei Koalitionsausschüssen und jetzt noch einmal im Kabinett – also insgesamt viermal – zugestimmt: Trotzdem will sie das Vorhaben nun im Parlament „entschärfen“, sprich aufweichen. Denn das Thema Heizen hat sich inzwischen zu einem ziemlich heiklen Streitobjekt entwickelt. Drei Viertel aller Haushalte in Deutschland heizen mit Öl oder Gas, also sind drei Viertel aller Haushalte von dem Gebäudeenergiegesetz (aka „Heizungsverbot“) betroffen. Und auch was als Ziel sinnvoll klingt, kann in der Umsetzung trotzdem zu Murks werden. Tatsächlich würde das Ampel-Vorhaben Hausbesitzerinnen erstmal einige Mehrkosten aufbürden: Wärmepumpen, das Mittel der Wahl zur Ersetzung von Gas- und Ölheizungen, weil sie besonders leicht zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden können, sind teurer. Noch. Vielleicht ändert sich das in wenigen Jahren, weil jetzt die Produktion hochgefahren wird, aber noch sind wir noch nicht so weit.Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Gesetze zusätzliche Kosten verursachen. Aber die Ampel-Koalition hätte gut daran getan, sich die sozialen Auswirkungen ihrer Heizvorhaben vorher zu überlegen. Denn für die einen ist es ein Klacks: eine Wärmepumpe, das macht man doch schon des guten Gewissens wegen! Und gleich noch die Fußbodenheizung mit dazu, neue Fenster, und dann die Photovoltaik aufs Dach für den Strom. Aber viele andere können das nicht. Sie haben knapp kalkuliert, die hohen Energiepreise, die Inflation und die gestiegenen Zinsen fressen ihnen eh schon die Haare vom Kopf, und jetzt sollen sie auch noch zigtausende Euro mehr für eine Heizung ausgeben, für deren Einbau obendrein die Fachkräfte fehlen?Ja, es gibt Förderungen für das energetische Umrüstung und für den Einbau emissionsarmer oder -freier Heizungen. Aber die sind eher nach dem Prinzip Gießkanne angelegt, anstatt denen zu helfen, die es wirklich alleine nicht stemmen können. Warum sollen Wohnungsbaukonzerne und Villenbewohner:innen, die durch eine energetische Sanierung und die Umstellung auf klimafreundliches Heizen am Ende sowieso Geld sparen, gleich behandelt werden wie Niedriglöhner am Land, die ein Häuschen geerbt haben? Und auch wenn Habeck am Ende Ausnahmen versprochen hat, etwa für Hausbesitzer:innen über 80 – zu Recht: warum sollen die zu einer Investition gezwungen werden, die sich erst nach 20 Jahren rechnet? –, so mangelte es dem Gebäudeenergiegesetz nicht nur an gerechter Ausgestaltung, sondern auch an Kommunikation dazu.Das kann man den Leuten doch nicht zumuten!Weil die soziale Abfederung der klimabedingten Mehrkosten fehlt, fiel es der FDP-Bild-Kampagne leicht, die Verunsicherung der Menschen anzuheizen. Das führte nicht nur zu sinkenden Umfragewerten der Grünen, sondern auch zu geradezu kontraproduktiven Nebenwirkungen: Notkäufe von Ölheizungen in allerletzter Minute, Torschluss-Gasheizungsinstallationen, bevor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sie einem verbietet.Es wiederholt sich so etwas, das die FDP neulich in Bezug auf den Verkehrsbereich schön illustriert hat: Erst beschließt man Klimaziele, die sich aus der Notwendigkeit, Emissionen zu verringern, ergeben. Dann tut man wenig, um sie umzusetzen. Weil so aber nach einiger Zeit radikalere Schritte nötig werden, um die Ziele noch zu erreichen, sagt man: Das können wir den Leuten doch nicht zumuten, so viel in so kurzer Zeit! Und Geld in die Hand zu nehmen, um die grüne Transformation endlich in Angriff zu nehmen, ohne dass soziale Härten entstehen? Das verbietet uns die Schuldenbremse. Aber Schlagzeilen dichten und Grünen-Bashing, das kriegen wir hin.