Der französische Präsident Macron hat gestern Abend angesichts der Corona-Krise eine bemerkenswerte Rede an das französische Volk gehalten. Darin beschränkt er sich nicht auf die Ankündigung drastischer administrativer Schutzmaßnahmen der Behörden, um die Ausbreitung des Virus‘ einzudämmen, sondern kommt zu überraschenden Schlußfolgerungen grundsätzlicher Art, die das neo-liberale Dogma der letzten Jahrzehnte als Entwicklungsmodell grundsätzlich in Frage stellen, das sich in der gegenwärtigen Gefahr als total untauglich erweise. Hier die betreffende Passage (in eigener Übersetzung), die bislang in den hiesigen Medien mit wenig Aufmerksamkeit bedacht wurde:
„Morgen müssen wir die Lehren ziehen aus dem, was wir gegenwärtig durchmachen, das Entwicklungsmodell hinterfragen, in das sich unsere Welt seit Jahrzehnten verwickelt hat und dessen Mängel nun ans Licht kommen, die Schwächen unserer Demokratien hinterfragen. Eines hat sich durch diese Pandemie schon jetzt herausgestellt: Die kostenlose Gesundheit, unabhängig vom Einkommen, Stellung und Beruf, unser Sozialstaat sind keine Kosten oder Lasten, sondern wertvolle Güter, unverzichtbare Trümpfe, wenn das Schicksal zuschlägt. Diese Pandemie hat jetzt schon deutlich gemacht, daß es Güter und Dienstleistungen gibt, die außerhalb der Marktgesetze gestellt werden müssen. Es ist verrückt, unsere Ernährung, unseren Schutz, die Gestaltungsfähigkeiten unseres Lebensrahmens im Grunde an andere zu delegieren. Wir müssen die Kontrolle darüber zurückgewinnen, mehr noch als bisher ein souveränes Frankreich und Europa errichten, ein Frankreich und Europa, das sein Schicksal fest in die Hand nimmt. Die kommenden Wochen und Monate werden Entscheidungen erfordern, die in diesem Sinne einen Bruch darstellen. Ich werde die Sache in die Hand nehmen.“
(„Il nous faudra demain tirer les leçons du moment que nous traversons, interroger le modèle de développement dans lequel s'est engagé notre monde depuis des décennies et qui dévoile ses failles au grand jour, interroger les faiblesses de nos démocraties. Ce que révèle d'ores et déjà cette pandémie, c'est que la santé gratuite sans condition de revenu, de parcours ou de profession, notre Etat-providence ne sont pas des coûts ou des charges mais des biens précieux, des atouts indispensables quand le destin frappe. Ce que révèle cette pandémie, c'est qu'il est des biens et des services qui doivent être placés en dehors des lois du marché. Déléguer notre alimentation, notre protection, notre capacité à soigner notre cadre de vie au fond à d'autres est une folie. Nous devons en reprendre le contrôle, construire plus encore que nous ne le faisons déjà une France, une Europe souveraine, une France et une Europe qui tiennent fermement leur destin en main. Les prochaines semaines et les prochains mois nécessiteront des décisions de rupture en ce sens. Je les assumerai."
Quelle: Web-Site des Elysée-Palastes
Kommentare 14
Danke für die Übersetzung, da ich die französische Sprache nicht beherrsche. Beim Lesen des revolutionären Textes habe ich mich gefragt, ob ich die deutsche Sprache verstehe.
SEHR interessant, herzlichen Dank!
Dass die als einzig mögliche und hinreichende "politische" Aufstellung gehandelte "Globalsteuerung" (Zinsniveaus, Geldmengen- u. Fiskalpolitik, allg. Anreizsysteme ...) in Sachen "Wirtschaft" u. "Versorgung" nicht ausreichen wird, die - durchaus auch geldwerten (-> Euro-Kurs, ...) - Güter in Sachen Gesundheit, Pflege und ähnlichem (Sozial-) "Gedöns" (Schröder) wirksam zu ERHALTEN, und daher dringend durch Mikro- und Meso-Formen der Wirtschaftspolitik ergänzt werden müsste, ist ja seit 4 Jahrzehnten meine Rede, fand aber sogar bei den m. o. w. "linken" Vertretern der Ökonomen-Kaste von Gustav Horn (IMK, Gewerksch.) bis zur "Memorandum"-Gruppe (Hickel, Schui, Troost usw.) gar KEIN GEHÖR.
Man beließ es lieber bei keynesianischem Global-Gehampel: NIE wurden ERZIEHUNG, Normativität/Ethik/Philosophie, darin auch Nation/Nationalität, etc. als wesentlicher Einfluß-Zugang zur Mikro- u. Meso-Sphäre der Wirtschaft für eine entspr. WirtschaftsPOLITIK ernstgenommen, -> Einfluß auf die WertSETZUNGEN/Wertzuschrei-bungen der Menschen statt alleiniger Wertessenz "Arbeitszeit" als WiPo-Frage/-Instrument, und das fehlt auch jetzt bei Macron, wie's scheint. Wie auch bei Mieten, Wohnungsangebot usw. wird stattdessen auf die "Machtfrage" reduziert, also wenn nur "die Richtigen" das Sagen hätten, lösten sich die Probleme quasi ganz leicht bis "von selbst" (klar, denn die produzierte Not/der Mangel kommt dann aus - angeblich "eigener" (Klassen-)Hand, wenn nicht noch aus der Feindschaft des "kapitalistischen" Auslands, und ist somit legitimatorisch fast schon "unhintergehbar"!), statt zu bedenken, dass, wenn man wirksame "Konzepte" zur Behebung von Mangel denn HÄTTE (die es ohne Mikro-Politik in vielen Bereichen aber nicht gibt/geben kann), solche ja auch auf die vorhandene Wirtschaft (aus den W.-Formen der Gemein-, Erwerbs- u. Kapitalwirtschaft) anwenden bzw. zur Machterlangung & Durchsetzung ja vorstellen könnte, - was aber nie geschieht, sondern laufend zigtausende von Seiten mit globalen Simplizismen gefüllt werden. Und da sehe ich b. a. w. auch Macron.
p.s.: Mangel und auch Totalausfälle im pharmazeut. Sektor BEI UNS sind seit langem schon EKLATANT, - weit vor corona!
Sieh mal guck...welch weise Erkenntnis, die hoffentlich nichtnur Wahl-Sprache darstellen & danach an den Taten gemessen werden sollten.
Bon & schön, aber das Video ist auf youtube.com gehaust.
https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=bW7KR_ApuXQ&feature=emb_logo
da mach Dir mal nicht zu viel Hoffnung, bitte. Macron ist ein Großmaul und redet viel, wenn der Tag lang ist, und dann immer was gerade opportun ist. Man sollte bei dieser Rede nicht vergessen , dass er es ein paar tage vorher gerade erst Larry Fink von BlackRock recht gemacht hat und das Rentensystem gegen den einhelligen Willen der französischen Bevölkwerung und am Parlament vorbei (, obwohl er da noch eine Mehrheit hat,) neoliberalisiert und den großen Versicherungen zum Fraße vorgeworfen hat. Wie soll man da diese Rede ernstnehmen können? Und die Kommunalenwahlen morgen, die hat er sowieso wegen der Rentennummer schon verloren. Aber was solls. Die, deren Kaspar Macron ist, stört das nicht, die haben einen Stall voll solcher Hasadeure und würden auch nicht davor zurückschrecken ein Baguette zum Presidenten zu machen, wenn sich keiner dagegen wehrt ...
https://www.spiegel.de/politik/ausland/frankreich-kommunalwahlen-gruene-erweckung-a-c2886cf0-47a3-4ad8-9b14-db3527040766
Das die Grünen in Frankreich das erste mal soo im Aufwind sind, hat sicherlich Macron auch mindestens irritiert ;-)
Keine Sorge _ ich mache mir keine Hoffnungen, das ist ja gar das Schlimme, dass es dazu keinen Schimmer gibt.
LG
so weit würde ich ganz allgemein nicht gehen wollen, aber von Seiten Macrons zumindest stimme ich Dir zu.
*gähn* den tag drauf gabs kommunalwahlen...
kennen wir von der spd: die entdecken ihr "soziales" auch immer kurz vor ner wahl in schaufensterreden...
Auch meinerseits Dank für den Hinweis und die Übersetzung.
Welch ein Niveauuntrschied zu dem Geschwurbel von Bundeskanzlerin Merkel in ihrer gestrigen Rede ans Volk, die die "Nürnberger Nachrichten" zutreffend mi der folgenden Bemerkung auf den Punkt bringt: "Reißt Euch zusammen, auch wenn es schwerfällt - so lässt sich zusammenfassen, was die Kanzlerin anmahnt."
Als Sonntagsrede ist die Ansprache schön, und in gespielter Zerknirschung ist Macron echt gut. Wie trist und wie simpel ist hingegen das Handeln Jupiters. Heute hat das so genannte "Coronakrise-Anpassungsgesetz" den Senat passiert. Es beeinhaltet die von den Gewerkschaften befürchteten "Ordonnances": Die Unternehmer (noch zu bestimmender Branchen) dürfen demnach die bezahlten Urlaubstage (bisher 2,5 Tage pro Monat) einseitig "auferlegen oder modifizieren"). Der Wirtschaftsminister Bruno Le Maire weiß, wovon er redet: "Hören wir doch auf, von Anstrengung zu reden, sprechen wir lieber von Solidarität".
Die 35-Stunden-Woche darf höchstwahrscheinlich ebenfalls überschritten werden. Auch dazu ein Spruch, diesmal von der Arbeitsministerin Pénicaud: "Wir werden eine vernüftige Anstrengung verlangen."
Das mag in der schweren Krise alles eine gewisse Berechtigung haben, auch wenn man nicht vergessen sollte, dass es vor allem die Niedrigverdiener treffen wird, also die, die die Gebrauchswerte produzieren und verteilen. Im Moment genießen viele Reiche mit ihren Schönen die Ausgangsverbote in der Normandie, der Bretagne und den Atlantikinseln. Natürlich frönen sie dabei auch der "Telearbeit". Sie können sich endlich um wie ihre Kinder kümmern, mit ihnen z.B. "digitale (Privat-) Schule" machen - im Unterschied zu ihren armen Altersgenossen, die jetzt wochenlang in schlechten kleinen Wohnungen eingeschlossen sind. Die (manchmal) schönen Reden des schönen Präsidenten klingen falsch in dieser hässlichen Klassengesellschaft.
Das große Problem ist, dass die Ordonnances Gesetzeskraft haben. Nur ein Gesetz kann es sie wieder abschaffen und den alten Zustand restaurieren. Die Initiative liegt aber bei der Regierung, und die wird sich alle Zeit der Welt nehmen (also bis zu den Wahlen 2022). Widerstand ist so gut wie unmöglich.
Off Topic:
Und MyMind gibt es auch noch, das stimmt mich froh :)
Lese ich jetzt erst_ Merci & weiterhin frohe Stimmung ;-))