Stärker als in Deutschland bestimmen Meinungsumfragen die Agenda der französischen Politik. Damit müssen Politiker und Öffentlichkeit leben, auch wenn sich Demoskopen öfter irren als Meteorologen. Nicht gewöhnen sollte sich das noch zeitungslesende Publikum an journalistische Schnellschüsse, die auf der Basis von unsicheren Umfragewerten abgegeben werden. Ein Beispiel: Eine Woche bevor François Hollande seinen Verzicht auf eine zweite Bewerbung um die Präsidentschaft erklärte, stocherte die Welt noch im Nebel der Daten herum: „Es ist nur noch eine Frage von Tagen: Alles deutet darauf hin, dass Hollande Anfang Dezember seine Kandidatur bekannt gibt“, prognostizierte sie.
Hollande, der sich einer darob fassungslosen Wählerschaft als „normaler Präsident“ präsentierte, war von Anfang an ein schwacher Staatschef – sehr zur Freude seiner zahlreichen Gegner. Er lavierte, zauderte und vergaß schnell, was er vor Amtsantritt Arbeitslosen, Armen und Abgehängten noch versprochen hatte. Und er machte Fehler. Peinliche, wie den, dem präsidialen Friseur mehr zu zahlen, als ein Universitätsprofessor verdient. Katastrophale: Kaum hatte er durch souveränes Auftreten nach den Terroranschlägen von Paris an Statur gewonnen, verspielte er dies wieder mit dem einfältigen Vorschlag, Terroristen mit doppelter Staatsbürgerschaft die französische abzuerkennen. Als sei Hollande Diktator einer Bananenrepublik und nicht Diener eines Rechtsstaats.
Eigentlich verdient die Entscheidung von Hollande, nach dem vielfachen Versagen, den ungezählten politischen Enttäuschungen und Fehlern nicht mehr eine zweite Amtszeit anzustreben, nur eines: Respekt. Es ist nichts anderes als die Einsicht in das eigene Scheitern, eigentlich eine Trivialität im alltäglichen Leben.
In der französischen Presse wurde der Rückzieher mit Zustimmung registriert, Le Monde nannte Hollandes Entscheidung „hellsichtig und würdig“. In der konservativen deutschen Presse hingegen dominierten Häme und Ressentiment. In der FAZ war gar von „jovialem Dilettantentum“ die Rede. Darunter fällt wohl auch die Verspätung, mit der Hollande 2012 beim Antrittsbesuch in Berlin eintraf – ihn hatte ein Gewitter aufgehalten. Manchmal hat man eben kein Glück. Und dann kommt auch noch Pech dazu.
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