Lukaschenko als Kremlpartner auf Zeit

Belarus Machthaber Lukaschenko gilt in Moskau trotz aktueller Stütze weder als Freund noch als verlässlicher Partner. Im Prinzip begreift Moskau, dass seine Tage gezählt sind

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Lukaschenko ist für Russland ein Partner auf Zeit
Lukaschenko ist für Russland ein Partner auf Zeit

Foto: Lintao Zhang/Pool/Getty Images

Beim aktuellen Gipfel zwischen Putin und Lukaschenko in Sotschi in dieser Woche beobachteten russische Medien abseits der großen Staatskanäle nicht unbedingt das Entstehen einer neuen Freundschaft zwischen den beiden Langzeit-Staatschefs. Sie machten eher bei Lukaschenko Unterwürfigkeit, bei Putin Misstrauen aus.

Das russische Misstrauen gegenüber dem Mann, den man jetzt in Belarus mit einem vom Kreml zugesagten 1,5 Milliarden US-Dollar-Darlehen stützt, ist kein neues Phänomen. Angesprochen auf die Verbündetenrolle von Belarus meinte der bekannte Moskauer Politologe Andrej Susdalzew, es gäbe eigentlich gar keinen Grund, Lukaschenko überhaupt als verlässlich oder als Verbündeten zu betrachten. Das Darlehen dient darüber hinaus auch vor allem dem Zweck, vorherige Moskauer Kredite abzulösen.

Diese Bemerkung fand zugegeben zu einer Zeit statt, in der Lukaschenko im Vorfeld seiner umstrittenen Wiederwahl aktiv Sand ins Getriebe der vorher oft postulierten Zusammenarbeit zwischen Moskau und Minsk streute. Etwa mit der Verhaftung russischer Staatsbürger als vorgebliche Wahlmanipulatoren oder allgemeinen Vorwürfen gegenüber dem großen Nachbarn, die Präsidentschaftswahlen beeinflussen zu wollen.

Doch dieses russische Misstrauen gegenüber Lukaschenko ist weder erst in dieser Zeit entstanden, noch hat er geschafft, es mit seiner aktuellen prorussischen Kehrtwende nach massiven Oppositionsprotesten zu zerstreuen. Zu lange hatte er bereits mit Moskau den Handel „Öl und Gas für Küsse“ durchgeführt, wie ihn der belarussische Analyst Alexander Klaskouski bezeichnet: Die langjährige Inanspruchnahme von Preisvorteilen bei Rohstoffen zum Austausch gegen Lippenbekenntnisse zur russisch-belorussischen Verbundenheit. Ohne Taten für eine weitere Integration beispielsweise des vertraglich schon in den 90er Jahren vereinbarten gemeinsamen Bundesstaats. Deswegen hatte Moskau diese Preisvorteile schon weit vor der Wahl zurückgefahren.

So bleibe Putin gegenüber Lukaschenko auch jetzt misstrauisch, konstatierte etwa Andrej Kolesnikow von der russischen Zeitung Kommersant die Szenen des Sotschi-Gipfels. Putin traue nach seiner Meinung Lukaschenko keine Sekunde und wolle ihn über einer Verfassungsänderung und Neuwahlen nur noch eine Weile „am Leben erhalten“, da sein Misstrauen gegenüber der Belarus-Opposition nur noch größer sei als gegenüber Alexander Lukaschenko.

Lukaschenko ist als Person ein Partner auf Zeit, da man aktuell in Moskau befürchtet, ein Übergang der Regierungsgewalt auf die Opposition könne doch zu einer dortigen prowestlichen Wende führen. Machtübernahmen nach Massenprotest sind etwas, dem die Mächtigen im Kreml nach prowestlich orientierten Farbrevolutionen in Nachbarländern auch dann misstrauen, wenn die Protagonisten wie in Minsk angeben, nicht antirussisch eingestellt zu sein.

Lukaschenko arbeitet mit dieser Einstellung in Moskau, indem er alles tut, seine Gegner im eigenen Land als fünfte Kolonne des Westens hinzustellen und sich als den wahren, russischen Freund, der in dieser Woche sogar von einem gemeinsamen Vaterland von Brest bis Wladiwostok sprach. Dennoch bleibt er beim Treffen mit Putin im Raum die Lahme Ente, wie es der Minsker Journalist Artjom Schrajbman ausdrückt - eine Bezeichnung für einen Amtsinhaber im Endstadium. Das wisse auch Moskau und deswegen habe Kremlsprecher Peskov sich noch in Sotschi bemüht, auch die Verbundenheit mit den Belorussen zu verkünden, die mit Lukaschenkos Wiederwahl nicht einverstanden seien.

Schrajbman glaubt, ein für Moskau ideales Szenario wäre eine unblutige Stabilisierung von Belarus unter Lukaschenko, aber dann ein reibungsloser Machtübergang auf eine andere Person, der vom Kreml selbst koordiniert wird. Das größte Problem bei diesem Plan sei, ob auch Lukaschenko nach der heißen Phase bereit sei, dorthin zu gehen, wo Moskau ihn haben wolle.

Bekannte russische Fachleute stimmen der Einschätzung Schrajbmans zu, etwa Ruslan Grinberg, Institutsdirektor der Russischen Akademie der Wissenschaften. Er schreibt in einer Analyse, es sei offensichtlich, dass Lukaschenko, selbst wenn er die aktuellen Auseinandersetzungen mit der Opposition überstehe, seine Macht nicht mehr lange dauern werde. Eine nationale Idee, wie von Lukaschenko lange propagiert, könne eine Diktatur und Allmacht im 21. Jahrhundert nicht mehr rechtfertigen, meint der Experte. Diese Erkenntnis klingt gar nicht so viel anders wie die Einschätzung von vielen Kollegen im Westen - Meinungsverschiedenheiten bestehen wohl vor allem darüber, in welcher Richtung eine Regierung in der Ära nach Lukaschenko in Minsk agieren und wie und auf wen der Machtübergang vonstatten gehen soll.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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