Gründlich daneben

Ägypten Der ägyptisch-britische Al-Jazeera-Journalist Ahmed Mansour wurde in Berlin festgenommen und kurz darauf wieder freigesetzt. Nun wird spekuliert, wer dahintersteckt
Ausgabe 26/2015
Ahmed Mansour nach seiner Freilassung in Berlin-Moabit
Ahmed Mansour nach seiner Freilassung in Berlin-Moabit

Foto: Sean Gallup/AFP/Getty Images

Mit „Allahu Akbar“-Rufen muslimischer Demonstranten wurde der ägyptisch-britische Journalist Ahmed Mansour am Montag empfangen, als er nach 48 Stunden Haft die Vollzugsanstalt Berlin-Moabit als freier Mann verlassen konnte. Mansour berichtet seit vielen Jahren für den katarischen Sender Al-Jazeera direkt von Brennpunkten im Nahen Osten. Besonders berühmt ist seine Sendung Ohne Grenzen, in der er mit Politikern – vom Präsidenten bis zum linken Oppositionellen – Interviews führt, in denen es keine Tabus gibt. Algeriens Staatschef Bouteflika etwa verließ das Studio mitten in der Sendung. Mansour selber brach vor der Kamera in Tränen aus, als ein ehemaliger politischer Gefangener aus Marokko von Haftumständen erzählte.

Auch deshalb wurde Al-Jazeera jahrelang als Vorkämpfer der Demokratie in islamischen Ländern wahrgenommen. Es fiel kaum jemandem auf, dass in Mansours Sendungen nie jemand aus der politischen Kaste Katars auftauchte. Spätestens seit dem Arabischen Frühling wurde aufmerksamen Beobachtern klar, dass Al-Jazeera ein raffiniertes Vehikel der katarischen Monarchie war, sich gegen „laizistische Diktaturen“ (Syrien) wandte und seinen Einfluss auch dank linker Kräfte zu sichern verstand.

Natürlich begab sich Mansour stets zum Tahrir-Platz in Kairo, wenn dort die Ereignisse kulminierten. Dass er aber an Folterungen beteiligt war, wie das ägyptische Staatsanwälte behaupten, ist unwahrscheinlich. Hinter seiner in Abwesenheit erfolgten Verurteilung zu 15 Jahren Haft steckt eher das Bemühen, einen regen Multiplikator auszuschalten, der die von Katar geförderten Muslimbrüder unterstützt.

Dass Mansour nun ausgerechnet in Berlin festgenommen wurde, kann als grotesker Hinweis auf die zuweilen bei Behörden aufblitzende deutsche Gründlichkeit gewertet werden. Der verbreitete Verdacht, man habe dem neulich von der Bundesregierung empfangenen Staatschef as-Sisi einen Gefallen tun wollen, kann als gegenstandslos gelten. Dass die Justiz am Nil eher politisch als rechtsstaatlich handelt, ist bekannt. Es darf vermutet werden, dass sich die digitalen Speicher der Bundespolizei nicht auf dem neuesten Stand befanden, während die Justiz unabhängig genug war, das zu tun, wozu sie verpflichtet ist.

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