Israel und die von Iran ausgerüstete Hisbollah im Libanon leisten sich seit Jahren einen militärischen Schlagabtausch. Einrichtungen der muslimischen Milizen, die der Regierung in Damaskus gegen den Islamischen Staat (IS) und seine Ableger zur Seite standen, sind seit 2017 Raketenbeschuss und Luftangriffen ausgesetzt, wobei auch syrische Soldaten ums Leben kamen.
Seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober und dem Beginn des Gaza-Krieges hat sich diese Konfrontation an der israelischen Grenze zum Libanon und in Syrien enorm intensiviert. Damit wird unzweifelhaft eine neue Eskalationsstufe heraufbeschworen, bei der sich nicht ermessen lässt, wohin sie führt – und wie sie endet. Der Luftschlag vom 1. April auf die iranische Botschaft in Damaskus, bei dem ein Seitengeb&
Seitengebäude völlig zerstört wurde, gilt nach internationalem Recht als Angriff auf nationales Territorium Irans. Die Unversehrtheit diplomatischer Missionen wurde bisher als Rechtsgut respektiert, um wenigstens letzte Normen internationaler Beziehungen zu erhalten.Dass Ali Chamenei als geistliches Oberhaupt Irans und Präsident Ebrahim Raisi nun Vergeltung ankündigen, kann nicht überraschen und birgt ein kaum kalkulierbares Risiko.Vorerst verbucht Israel den Angriff als militärischen Erfolg und schert sich nicht um den begangenen Rechtsbruch. Schließlich wurde wieder einmal Syriens Luftabwehrsystem überwunden, das trotz russischer und iranischer Unterstützung versagt hat. Ähnliches dürfte auf die Spionageabwehr zutreffen. Es kann kein Zufall gewesen sein, wenn Israel davon wusste, dass sich hochrangige iranische Militärs im bombardierten Seitenflügel aufhielten und nicht überlebten. Darunter waren Mohammed Resa Sahedi, ein Kommandeur der AL-Quods-Brigaden, und sein Stellvertreter Mohammed Hadi Hadsch Rahimi. Es zeugt insofern von bitterer Ironie, dass auf der Fassade des erhalten gebliebenen Hauptgebäudes der Botschaft ein Porträt von Divisionsgeneral Qasem Soleimani hängt, dem im Januar 2020 durch eine Drohne der USA im Irak getöteten Chef der Al-Quods-Brigaden.Diese bilden die Auslandseinheiten der Revolutionsgarden, sollten aber nicht mit diesen identifiziert werden. Während Letztere im Iran selbst für eine strenge Einhaltung des islamischen Sittenkodex sorgen, kooperieren die Al-Quods-Brigaden und ihre Protegés geschickt mit dem jeweiligen kulturellen Umfeld, auch wenn es nicht mit eigenen schiitischen Werten übereinstimmt. So erklärt sich unter anderem, dass der laizistisch ausgerichtete syrische Staat nicht nur Russland, sondern auch iranischen Helfern sein Fortbestehen verdankt.Diese haben sich nicht zuletzt bei der Verteidigung christlicher Dörfer gegen islamistische Angriffe bewährt. Dem immer wieder bemühten Argument, dass die „Expansion“ Irans im Nahen Osten gestoppt werden müsse, ist entgegenzuhalten: Die Islamische Republik engagiert sich auf Einladung der Regierungen Syriens, Libanons und der Huthi im Jemen in diesen Ländern.Dass die Netanjahu-Regierung weiter keine Hemmungen hat, die Menschenrechte der Palästinenser und internationales Recht in seiner Nachbarschaft aufs Gröbste zu verletzen, trägt zu ihrer weiteren Isolierung bei. Frieden lässt sich nur erreichen, wenn Israelis lernen, die existenziellen Interessen der Nachbarn als ebenso berechtigt zu begreifen wie die eigenen. Dies ist angewiesen auf Gewaltverzicht und Dialogbereitschaft.