Iran/Israel: Premier Netanjahu war daran gelegen, eine zweite Front zu eröffnen
Naher Osten Es war klug von einigen arabischen Staaten, sich am Abschuss iranischer Flugkörper zu beteiligen und dies auch offiziell mitzuteilen – ein wichtiger Akt der Deeskalation
Als die 300 Drohnen und Raketen unterwegs waren, fand sich das Pentagon pünktlich unterrichtet. Gegen Israel gerichtetes Plakat am Valiasr-Platz in Teheran, 15.April
Für mich verblüffend, antwortete er, der Iran hätte doch „relativ weise reagiert – die meisten Raketen und Flugkörper waren auf Gebiete gerichtet, von denen man wusste, dass sie dort keinen kritischen Schaden anrichten würden. Die Luftwaffenbasis im Süden erlitt nur kleine Schäden. Es will fast scheinen, als sei die ganze Chose mit den Amerikanern abgesprochen gewesen.“ Obgleich Israels Iron Dome und besonders das bis
ganze Chose mit den Amerikanern abgesprochen gewesen.“ Obgleich Israels Iron Dome und besonders das bis hundert Kilometer in den Weltraum hineinreichende operative Arrow-3-Luftabwehrsystem zu 99 Prozent funktioniert hätten, könne sich „unsere Generation“ die Hoffnung auf Frieden allerdings „abschminken“.Warum Jordanien iranische Raketen abfingSchon Tage zuvor hatte Teheran Warnungen ausgesandt, woraufhin wohl nicht nur die Lufthansa ihre Flüge in den Mullah-Staat für den dann tatsächlich zutreffenden Zeitraum des Angriffs sperrte. Und als die dreihundert Drohnen und Raketen in Richtung Israel unterwegs waren, fand sich das Pentagon pünktlich unterrichtet. So wurde es den Militärbasen der USA und anderer westlicher Staaten im Nahen Osten möglich, einen Teil der Geschosse unschädlich zu machen, ehe sie ihre Ziele erreichten. Beispielsweise ist das dem noch im Irak verbliebenen US-Militärkorps gelungen. Und klug war es von einigen arabischen Staaten, sich am Abschuss zu beteiligen und dies auch offiziell mitzuteilen. So bat Jordanien Frankreich um diesbezügliche Unterstützung. Saudi-Arabien soll selbst iranische Flugkörper neutralisiert haben.Daraus freilich zu schließen, die politische Isolation des wegen seines maßlos überziehenden Verteidigungskrieges in Gaza international stark kritisierten Israel sei nun durchbrochen, ist falsch. Die jordanische Regierung erklärte, sie habe im Interesse ihrer Bürger gehandelt, einerseits um etwas gegen mögliche „Kollateralschäden“ auf eigenem Territorium zu unternehmen, andererseits, um gegen die eine ganze Region bedrohende Eskalationsspirale ein Zeichen zu setzen. Es wäre ein Irrtum, nun anzunehmen, Jordanien werde seinen humanitären Beistand für die extrem unterversorgte Bevölkerung in Gaza auf ein symbolisches Niveau drücken. Oder gar den Zielen der Hardliner in Benjamin Netanjahus Regierung entgegenkommen, die allen Ernstes verlangen, das Nachbarland möge erneut eine große Zahl von Palästinensern aus dem Westjordanland aufnehmen und die Hoheit über die heiligen Stätten des Islam in Jerusalem abtreten.Die Abraham Accords und Saudi-ArabienVon Saudi-Arabien wird immer wieder wahrheitswidrig behauptet, es habe vor dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 kurz vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel gestanden. In Wirklichkeit hatte Riad seine Bereitschaft dazu nur unter der Bedingung erklärt, dass Israel seine Besatzungspolitik aufgibt und sich einer Zwei-Staaten-Lösung verschreibt. Saudi-Arabien hat bisher nichts an seiner vor zwei Jahren vollzogenen Neuausrichtung geändert, auf Distanz zum Westen zu gehen und sich nicht für eine Konfrontation mit dem Iran missbrauchen zu lassen. Die diesbezügliche Logik gebietet es, auch dann an keiner Eskalationsschraube zu drehen, wenn Teheran das tut.Hauptsächlich ist es Israels Regierungschef, der die Spannung mit dem Iran schürt. Mit dem Angriff auf dessen völkerrechtlich zum nationalen Territorium gehörende Botschaft in Syrien machte er offiziell eine zweite Front mit dem angeblichen Erzfeind scharf. Bis dahin beschränkte sich die Konfrontation auf einen beiderseits kalkulierten Beschuss mit Raketen, für den im Libanon die vom Iran unterstützte Hisbollah zur Verfügung stand. Diese Gefechte ließen bereits Zehntausende Bewohner in Nordisrael und im Südlibanon zu Binnenflüchtlingen werden.Das rechtsradikale Eskalationsinteresse in IsraelNetanjahus Motiv liegt auf der Hand. Von den USA zumindest zeitweise zur Deeskalation in Gaza gezwungen, kann er propagandistisch kaum noch behaupten, an der Rückholung der in den Händen der Hamas befindlichen Geiseln zu arbeiten. Um die von immer mehr Israelis geforderten Neuwahlen auszuschließen, die er samt seiner Immunität verlieren dürfte, benötigt er ein neues Aktionsfeld, das ihn zum vorläufig unverzichtbaren Kriegsherren macht. Ob Israels Bürger – nachdem sie die von ihrem langjährigen Ministerpräsidenten genährte Illusion, unangreifbar zu sein, mit dem 7. Oktober aufgeben mussten – bereit sind, nun auch Angriffsziel des Iran zu werden, ist zu bezweifeln.Angesichts des offen zutage liegenden Eskalationsinteresses einer rechtsradikalen Regierung in Israel erscheint es müßig, darüber zu spekulieren, ob die Führung in Teheran nun einer endgültigen Vernichtung Israels nähertreten will. Warum sollte sie? Obgleich die iranische Armee einen relativ widerstandsfähigen Iron Dome hat, wäre sie doch bei einem direkten Schlagabtausch unterlegen. Israel hätte bei diesem Gegner nichts und niemanden zu schützen, der Iran jedoch würde Gefahr laufen, ein Gebiet zu treffen, in dem mit den Palästinensern Menschen leben, denen er Schutz und Gerechtigkeit versprochen hat.Der globale Süden verlangt die Klärung der Palästina-Frage – jetztSchließlich steht nicht nur der geballte Wille des Westens einem ernsthaften Angriff auf Israel gegenüber. Selbst Irans Partner Russland und China würden das den Mullahs nicht erlauben. Ganz zu schweigen von den arabischen Nachbarstaaten, die spätestens nach ihren Niederlagen 1967 (Sechs-Tage-Krieg) und 1973 (Oktoberkrieg) anerkennen mussten und dies schrittweise getan haben, dass sich Israel seine Existenz damit militärisch zu sichern wusste. Jedoch wird nicht nur von arabischer Seite immer noch und jetzt verstärkt gefordert, den Interessenausgleich zwischen Israelis und Palästinensern in keine ungewisse Zukunft mehr zu verschieben. Das verlangen auch die meisten Staaten des globalen Südens.Wenn die EU, besonders Deutschland, wirklich etwas für einen nahöstlichen Frieden tun wollen, müssen sie zunächst die einseitige Unterstützung israelischer Regierungen aufgeben. Und das im eigenen Interesse. Noch nie sind weitreichende Waffensysteme, wie sie jetzt vom Iran verwendet wurden, in vergleichbarer Menge über mehrere Ländergrenzen hinweg geflogen. So etwas könnte auch anderswo – ohne Vorwarnung – geschehen.
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