PR-Aktion im Mittelmeer

Libyen Die deutschen Bemühungen, Waffenschmuggel zu verhindern, haben wenig Aussicht auf Erfolg
Ausgabe 48/2020

Die Soldaten der Bundeswehr wirkten professionell am 23. November: Vom Hubschrauber aus seilten sie sich über dem türkischen Frachter Rosaline A ab, der die libysche Küste ansteuerte. Die Soldaten versuchten sich – unter mäßigem Widerstand – Zugang zur Schiffsladung zu verschaffen. Der Verdacht: Waffenschmuggel zugunsten der in Tripolis residierenden Regierung. Aber Schiffe von NATO-Mitgliedern können sich nur mit Einverständnis der jeweiligen Regierungen gegenseitig kontrollieren. Da Ankara die Zustimmung verweigerte, mussten die Inspektoren unverrichteter Dinge auf die Fregatte Hamburg zurückkehren. Das war vorprogrammiert.

Die Fregatte ist Teil der EU-Mission IRINI, die Waffenlieferungen an die konkurrierenden Bürgerkriegsparteien in Libyen verhindern soll. Diese führten unter dem Dach der UNO gerade direkte Verhandlungen in Tunis: Es ging um die wichtigsten Ämter einer Übergangsregierung für das ganze Land, die Wahlen vorbereiten soll, wie sie die Libyer dringend fordern. Die größten Chancen, Nachfolger des zurücktretenden Fayiz as-Sarradsch als Vorsitzender des Präsidialrats zu werden, hatte Salah Aguila, bisher Präsident des Parlaments in Tobruk. Er hat die Unterstützung Khalifa Haftars, des Führers der erfolgreichsten militärischen Formation, der Libyschen Nationalarmee. Fathi Bachagha, der als Vertreter der Regierung in Tripolis enge Kontakte zur Türkei hielt, war als Regierungschef im Gespräch, entsprach jedoch nicht den Vorstellungen Ali Sellabis, von der Türkei aus agierender Führer der libyschen Muslimbrüder, die neue Namen ins Spiel brachten. Die UNO-Beauftragte für Libyen stellte „Stimmenkauf“ fest und brach die Verhandlungen ab.

Abgeordnete des Tobruk-Parlaments meldeten, dass trotz Waffenruhe türkische Militärflugzeuge weiter im Einflussgebiet der Tripolis-Regierung landen, auch dringender Verdacht auf Benzinlieferungen aus der Türkei besteht. Hinzu kommt, dass Präsident Erdoğan den Waffenstillstand öffentlich für nicht dauerhaft erklärte.

Ankara hat bereits mehrere Versuche französischer Schiffe vereitelt, im Rahmen der IRINI-Mission türkische Schiffe zu kontrollieren. Insofern hatte das Unternehmen der Soldaten der Hamburg wenig Aussicht auf Erfolg. Nachträglich wirkt es wie eine PR-Aktion.

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