Die Zukunft des Teilens

Solidarökonomie In der neuen "Share Economy" wird Kommunismus als Ware verkauft. Doch die Kritik daran zieht die völlig falschen Schlüsse. Ein Plädoyer für mehr Widerstand

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Sie geben sich wirklich viel Mühe, die Autoren von Spiegel, Süddeutscher und FAZ. Sie wollen mir die Augen öffnen, mich auf den rechten Pfad zurückbringen, mir die Flausen aus dem Kopf treiben. Ich höre sie förmlich auf mich einreden: Klingt ja ganz nett, dein Gerede von Revolution und solidarischer Gemeinschaft. Aber hey, das glaubst du doch selber nicht, oder?

Eine Revolution kann und wird es nicht geben, lese ich in der Online-Ausgabe der Süddeutschen. Warum? Ganz einfach: Der Gegner fehlt. Die Unterdrückung und Ausbeutung der frühen Industriegesellschaft ist der Selbstausbeutung gewichen. Aus dem Klassenkampf wurde ein individueller Kampf. Statt das System attackieren die Menschen sich selbst. Die systemerhaltende Macht ist unsichtbar geworden, weil sie nicht mehr mit Repression, sondern mit Abhängigkeit und Seduktion (Verführung) arbeitet. Die Menschen denken, sie seien frei. Stattdessen sind sie allein. Massenbewegungen haben da schlechte Karten.

Share Economy als Wolf im Schafspelz

Als Beleg für seine Thesen dient dem Autor unter anderem die Share Economy – ein vielversprechender Ansatz, der sich beim genauen Hinschauen aber auch nur als neue Verkleidung des Kapitalismus entpuppt. Auch Spiegel Online und FAZ sind bereits auf diesen Zug aufgesprungen und warnen vor dem neuen "Terror des Teilens".

Share Economy sei attraktiv, keine Frage. Statt "asketischer Konsumkritik" bietet sie Flexibilität, Luxus und neue Verdienstmöglichkeiten – und das alles mit einem Hauch Altruismus. Doch es stecken, wie so oft, nur egoistische Gründe dahinter, wenn mensch sein Zimmer bei AirBnB vermietet oder sich als privater Chauffeur bei Uber anmeldet. Diese beiden Plattformen sind übrigens zweifellos die neuen Aushängeschilder der Ökonomie des Teilens.

Kommunismus als Ware

Der Kapitalismus habe es nun endlich geschafft, auch unser Privatleben zu kommerzialisieren. Er verkaufe uns etwas, was es vorher so nicht gab. "Die neue Marktlücke heißt Kommunismus", resümiert die FAZ. Oder wie die Süddeutsche es ausdrückt: "Der Kapitalismus vollendet sich in dem Moment, in dem er den Kommunismus als Ware verkauft. Der Kommunismus als Ware, das ist das Ende der Revolution."

Bei solchen Worten wird mir ganz anders. Und ich frage mich: Wollen sie es eigentlich nicht verstehen? Natürlich haben sie recht, wenn sie die Share Economy in Form von AirBnB oder Uber kritisieren. Für diese Beispiele mag ihre Argumentation zutreffen. Dabei gerät die ursprüngliche Idee aber nicht nur völlig aus dem Blick, sie wird gleich im Ganzen verunglimpft. Projekten, die sich tatsächlich das solidarische Wirtschaften auf die Fahnen geschrieben haben, wird ihre Berechtigung entzogen.

Share Economy ist nicht solidarisch

Bei der Solidarökonomie (und ich verwende bewusst einen anderen, nicht so "hippen" Begriff) geht es vor allem darum, dass Dienstleistungen und Produkte bedingungslos zur Verfügung gestellt werden. Jede*r sollte Zugang zu diesen Dingen haben, unabhängig von seiner finanziellen Situation. Die Grundbedürfnisse müssen befriedigt sein, zum Beispiel dank eines bedingungslosen Grundeinkommens. In der Share Economy profitieren weiterhin diejenigen, die besitzen. Und jemand, der nichts anbieten kann, sei es in Form von Geld oder anderen Tauschmitteln, ist ausgeschlossen. So setzt sich der Druck der Konsumgesellschaft auf den Einzelnen fort, wenn auch in anderer Form.

Tauschen als Mittel zum Zweck

Das heißt: Die Grundstrukturen müssen sich ändern. Uber und AirBnB sind deshalb keine guten Beispiele für eine andere Art des Wirtschaftens, weil es gar nicht ihr Ziel ist, etwas zu ändern. Es geht darum, Geld zu verdienen und seine eigenen Vorteile gewinnbringend zu nutzen. Das Tauschen oder Teilen wird zwar proklamiert, ist aber eigentlich nur Mittel und Zweck. Das gute Gefühl, den allmächtigen globalen Unternehmen ein Schnippchen zu schlagen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gleichen Grundvoraussetzungen vorherrschen.

Solidarische Strukturen aufbauen

Um die Grundvoraussetzungen zu ändern, braucht es Konzepte jenseits des Kapitalismus. Und die gibt es. Die Solidarökonomie basiert auf der Überzeugung, dass Solidarität in Produktion und Konsum dazu führt, dass jeder Mensch seine individuellen Bedürfnisse erfüllen kann. Projekte wie der Umsonstladen Dortmund zeigen, dass diese Konzepte umsetzbar sind. Solange sie sich innerhalb des Kapitalismus behaupten müssen, ist es vor allem wichtig, sie klar abzugrenzen und einer Vereinnahmung durch das System entgegenzuwirken. Nur wenn die Menschen die Unterschiede tatsächlich wahrnehmen und beginnen, diese alternativen Strukturen aktiv zu nutzen und auszubauen, können sie ihre Wirkung entfalten.

Widerstand ist alternativlos

Der Kapitalismus mag ein mächtiger Gegner sein. Aber ist er wirklich so übermächtig, wie mensch uns glauben lassen will? Oder sollen wir auf diese Weise vielleicht nur davon abgehalten werden, Fragen zu stellen und neue Antworten darauf zu finden? Natürlich fällt es mitunter schwer, gegen den Strom zu schwimmen und sich zu widersetzen – vor allem, wenn sich scheinbar alle einig sind, dass es doch sowieso nichts bringt. Aber ich frage mich: Was ist die Alternative? Einfach so weitermachen wie bisher? Für mich persönlich kommt das nicht in Frage. Und ich hoffe, dass es vielen anderen Menschen ähnlich geht.

http://vg08.met.vgwort.de/na/0f730561997e4f6385d915c060285e5b

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Geschrieben von

Regine Beyß

Politische Aktivistin, Journalistin

Regine Beyß

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