Eine Geschichte wie aus dem amerikanischen Traum: 1994 in einer Garage gegründet, verkauft Amazon am 16. Juli 1995 das erste Buch. Heute, 25 Jahre später, ist der Konzern einer der größten der Welt – und sein Geschäftsmodell prägt den Kapitalismus, wie es vorher wohl nur Henry Ford und dessen Autoproduktion getan haben. Auch die Amazon-Ideologie ist weit über die prall gefüllten Warenlager hinaus in den Köpfen verankert – so auch das Leitmotiv, das Amazon-Boss Jeff Bezos preist: Im Mittelpunkt steht der Kunde.
Entsprechend will der Konzern diesen stets noch zufriedener machen. Ständig entwickelt Amazon neue Features und Dienstleistungen für die Kundschaft. Das zeigt Wirkung: Heute verkauft Amazon alle möglichen Artikel und ist ein eigener riesiger Marktplatz auch für Drittanbieter geworden. Am Anfang war der Buchhandel, heute sind die Innenstädte dran.
Und dann gibt es ja noch das Menschenmaterial: die menschliche Arbeitskraft, die Waren einlagert, aus dem Lager holt, einpackt und raus in die Welt schickt. Sie erfüllt die Wünsche der Kundschaft und ist die Quelle des Profits.
Amazon-Chef Bezos ist nicht nur der reichste Mensch der Welt, sondern laut dem Internationalen Gewerkschaftsbund auch der schlechteste Chef der Welt. Die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kann davon ein Lied singen – seit sieben Jahren läuft der Kampf um einen Tarifvertrag und um höhere Löhne.
Das Menschenmaterial zeigte sich zuletzt etwas störrisch. Während die Amazon-Aktie im Zuge der ersten Pandemiewelle auf einen Rekordwert kletterte, hatten viele Beschäftigte Angst, sich bei der Arbeit mit Covid-19 anzustecken, und gingen auf die Barrikaden. In Frankreich und in den USA protestierten sie vor den Lagerhallen. Das führte zu schlechter Presse und in Frankreich sogar zu der Schließung der großen Verteilzentren.
Wem es nicht passt, der kann ja gehen – oder muss, wenn er oder sie nicht Schritt halten kann mit dem hohen Tempo. So gilt die Devise: Sei bloß kein „Underperformer“, erst recht nicht, wenn du darauf angewiesen bist, dass der Vertrag verlängert wird. Druck, befristete Verträge und Verweise auf die große Konkurrenz der prekären Reservearmee sind das Öl für die Maschine.
Besser als die Realität hören sich die Kalendersprüche an, die Amazon verbreitet: „Work hard. Have fun. Make history.“ lautet der bekannteste von Jeff Bezos. Dieser dürfte eingerahmt auf einigen Schreibtischen ambitionierter BWL-Studenten stehen, direkt neben MacBook und Ritalin-Tabletten.
Kommentare 19
Was kann der einzelne tun, bei diesen Arbeitsbedingungen?
Einfach nichts mehr bei Amazon bestellen! (Bücher erst recht nicht.)
Am billigsten ist das oft nicht mal, nur bequem.
Was der Einzelne tun kann, ist davon abhängig, wie der Einzelne lebt, wie mobil er ist, wie gesund, wie finanzkräftig.
Wer im Schatten lebt, entscheidet anders als Menschen im Licht.
Zudem ist Amazon nicht das Gleiche wie die vielen Sub-Unternehmen bei Amazon-Marketplace. Gerade bei Büchern gibt es zu günstigen Preisen gebrauchte Exemplare zu kaufen, die sich manch einer neu nicht leisten könnte.
Ich würde einen pauschalen Boykottaufruf deshalb niemals mitmachen. Alt, wenig Zaster, chronisch krank, auf dem platten Land sind keine besonders günstigen Koordinaten für wählerisches Verhalten.
Das Problem ist ja, dass der Online-Handel nicht allein die von Ihnen genannten Defiziten und Mindermöglichkeiten mildern kann, sondern diese ja zunehmend schafft. Online wird, oder ist, nicht allein Ergänzung oder Aushilfe, wie vielleicht noch im Falle kleiner, inhabergeführter Ladengeschäfte, die eben auch online ausliefern. Die Großen können gerade mit der Not, die sie befeuern, erst noch größer werden - bis zum Monopol. Und wer abseits im Amazon-Verteilzentrum schlecht entlohnt schuften muss, kann nach weitem Feierabendweg erst recht nicht mehr ins, evtl. noch vorhandene, Innenstadtgeschäft fahren und sich womöglich auch finanziell nichts anderes als Amazon leisten. Und vielen kleinen Händlern bleibt bald auch nichts anderes mehr, als Amazon Marketplace u.ä. mit den gängelnden Bedingungen. Ein Teufelskreis also, in dem tatsächlich nur einer gewinnt. Kleine Hotels und Pensionen mögen Booking.com & Co. auch nicht, sind indirekt aber gezwungen, sich dort zu präsentieren und sich dem ultraharten Preiskampf auszusetzen. Dass man etwa um Amazon nicht herum käme, stimmt (noch) nicht. Wenn ich online kaufe, dann unter konsequenter Umgehung von Amazon.
Zitat: "... so auch das Leitmotiv, das Amazon-Boss Jeff Bezos preist: Im Mittelpunkt steht der Kunde."
Im Mittelpunkt steht doch immer "der Kunde" oder etwa nicht?
Mit einer vergleichbaren Chuzpe könnten aber auch Miethaie und Immobilienspekulanten, die die Außenfassade eines Gebäudes neu anpinseln und einen stylischen Außenaufzug montieren lassen (den die Mieter gar nicht wollen), um anschließend die Mieten zu verdoppeln (Stichwort: Modernisierung), behaupten, im Mittelpunkt würde "der Mieter" stehen.
Im Mittelpunkt stehen in einem neoliberal-kapitalistischen Wirtschaftssystem Marktmacht, Rendite und langfristige Gewinnmaximierung.
Ich habe gerade gelesen, dass Ihr Motto - oder eines Ihrer Mottos - 'Inhalt vor Stil' ist. Diese Frage war erst kürzlich im hiesigen Forum (Rand)Thema.
Für mich als Dualist ist der Widerspruch ein künstlicher. Mir geht es um Inhalt UND Stil. Nur in absoluten Ausnahmefällen komme ich da in einen inneren Konflikt. (Ich habe übrigens damals Svenja Flasspöhler im taz-Forum in Schutz genommen. Auch wenn ich nicht jede ihrer Ausssagen zustimme.)
Zurück zum Thema: vieles von dem, was Sie schreiben, trifft zu. Keine Frage. Einen Weg der "konsequenten Umgehung von Amazon" habe ich bislang nicht gefunden.
Also lebe ich mit den Widersprüchen. Es gibt andere, die mich weitaus stärker belasten. Soviel in kurz. Ich habe mich vor einiger Zeit mit Anderen heftig gestritten. Seitdem weiß ich: trotz Übereinstimmungen in grundsätzlichen Überlegungen kann das Konsumverhalten sehr unterschiedlich ausfallen.
Aufgrund meiner schmalen Haushaltskasse fällt mein Beitrag bei Amazon nicht wirklich ins Gewicht. Zudem bin ich kein Freund von Selbstkasteiungen. Da muss die 'reine Lehre' mitunter auch mal hinten anstehen.
Btw: ich finde es gut, wenn Sie das so konsequent hinbekommen.
Im Mittelpunkt steht der Kunde.Und nur der Kunde entscheidet, ob er hier oder dort kauft. Jedesmal neu. Komisch, es scheint den Kunden bei Amazon besser zu gefallen als anderswo. Sollte es möglich sein, dass andere Kaufleute den Kunden eben nicht so in den Mittelpunkt stellen? Jeder darf einmal einen Umtausch oder eine Bestellung woanders machen: Amazon: keine Probleme, keine Nachfragen, superschnelle Lieferung. Woanders oft genug langsame Lieferung und Umtausch nur "sehr ungern"...
Ist Amazon besser, oder sind die anderen schlechter? Werde ich wirklich so gut beraten im kleinen Geschäft, oder oft genug auch mißtrauisch beäugt, ob ich auch ja nichts stehle oder anfasse...
Amazon ist nicht perfekt, und viele Stellschrauben sollten verbessert werden. Aber JEDER andere Kaufmann/frau darf sich Amazon mit der Kundenorientierung zum Beispiel nehmen. In der Theorie sind alle kundenorientiert, in der Praxis...
Machen Sie den Test, ich habe es oft genug gemacht. Onlinebestellung bei Y - 4 oder 7 Werktage Lieferzeit. Amazon: 1
Umtausch bei Z - wieso, weshalb, geht auch ein Gutschein, Nein das ist genutzt worden, etc - Amazon: Sofort! Sorry das wir Sie diesmal enttäuscht haben.
Amazon ist nicht immer der günstigste - aber die Kundenorientierung sucht seinesgleichen.
Auch jeder stationäre Kaufmann/frau kann hier dazulernen. Machen Sie den Test und beantworten Sie sich selbst die Frage. Wenn Sie anderes erleben, wäre ich sehr verwundert.Last-not-least: Natürlich muss/soll Amazon auch da, wo das Geschäft gemacht wird, Steuern zahlen. Diese Ungleichbehandlung gehört sofort abgeschafft. Man kann durchaus das positive und das negative benennen.
Noch nie, weder früher per Versandhauskatalog oder später per Intenet habe ich etwas "bestellt", sondern stets direkt eingekauft. Es ist die rationellste Möglichkeit sich den Umtausch zu sparen. Ich hoffe dass mir diese Möglichkeit für den Rest meines Lebens erhalten bleibt. Obwohl ich jetzt ja auf den Paketboten warten könnte ;-)
Für Erkenntnisleugner noch der kleine Hinweis zum Morgen: Amazon und andere Online-Anbieter haben offenbar einen Gebrauchswert. Andernsfalls würden Sie - gerade in digitalen Zeiten - schnell in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Als älterer Mensch habe ich jahrzehntelang die Servicewüste Deutschland erleben dürfen. Mit dem Aufkommen des online-Handels hat sich einiges zum Besseren gewendet. Was schon früher hätte besser sein können. Beispiele können auf Wunsch gerne nachgeliefert werden.
Den Begriff "Servicewüste" konnte ich nie nachvollziehen. Ob mir etwas fehlt oder nicht liegt ausschliesslich am Einkommen. Die Einkommenswüste habe ich in der Hartz4-Phase allerdings drastisch zu spüren bekommen, und heute, nachdem der Zuverdienst zur Rente weggefallen ist in schwächerer Form auch wieder.
Möchten Sie mit Ihrem persönlichen Hinweis den von mir benutzten Begriff "Servicewüste" gerne wegschreiben? Das Thema hier ist Amazon. Siehe: Überschrift.
Unsere gesellschaftliche Realität mit HarzIV und Armutsrente ist eine andere Hausnummer. Nutzen Sie Ihren PC und füttern ihn mit dem Begriff "Servicewüste Deutschland". Sie dürften fündig werden.
Danach können Sie gerne über die Frage des "Nachvollziehens" sinnieren ... Wer etwas weiter denkt, weiß: manchmal können mehrere Aspekte nebeneinander stehen. Anders als in Talk-Shows mit ihrem 'Entweder-Oder'.
Den Begriff "Servicewüste" hörte & las ich in der jüngeren Zeit kaum noch. Das kann natürlich daran liegen dass ich nicht danach gesucht habe.
Vor ca. 25 Jahren, als er gehypt wurde habe ich ihn mit meiner Erfahrung abgeglichen.
Verstehe ich. Auch wenn ich ihre conclusio "hype" nicht teile.
Der verwendete Begriff "Erfahrung" trägt die Erklärung bereits in sich: Erfahrungen sind individuell - und fallen deshalb (auch wegen von Person zu Person verschiedenen Bewertungssystemen) unterschiedlich aus.
In dem Verhalten Amazons mit dem Marktmonopol, spiegelt sich die Friss-oder-stirb-Mentalität dieser Gesellschaft dar.
In dem Verhalten Amazons mit dem Marktmonopol, spiegelt sich die Friss-oder-stirb-Mentalität dieser Gesellschaft dar.
In dem Verhalten Amazons mit dem Marktmonopol, spiegelt sich die Friss-oder-stirb-Mentalität dieser Gesellschaft dar.
Die Lieferdienste stellen mittlerweile in den Städten auch ernste Verkehrsprobleme dar. Und gerade deren Park-Verhalten gefährdet häufig zu Fuß Gehende und Radfahrende.
Ein Grund mehr, Amazon und Co. zu boykottieren - wenn es geht.
Wer kann - lieber ein paar Euro mehr für den Buchhandel im Stadtteil. Wer nicht die Möglichkeit hat: In vielen Städten gibt es "öffentliche Bücherschränke" - weltweit. Und Büchereien gibt es auch überall.
Eine weitere Alternative: Nachbarschafts-Netzwerke wie Nebenan.de.
Entweder wir ändern etwas - oder wir landen in einer globalen Sklavenwirtschaft, noch ergänzt um einen nicht mehr erträglichen Klimawandel.
Weitertraeumen, die solar - betriebenen Drohnen kommen bald, damit ist das Verkehrsproblem obsolet.
P.S.
Ich bin Amazonhasser
Die solar-betriebenen Drohnen funktionieren aber auch nur in dünnbesiedelten Gebieten so richtig. In Städten wie Berlin oder Frankfurt am Main dürfte es gewisse Probleme geben ... Und wahrscheinlich so manche, die in der "Drohnen-Jagd" eine neue Sportart entdecken :-)))
In einigen Bereichen dürfte allerdings der Internet-Handel auch für mich an Bedeutung gewinnen - etwa für fair und nachhaltig produzierte Kleidung, die es im Fachhandel vor Ort eher selten gibt. Ausnahme : Schuhe von Waldläufer (Ober-Österreich), die bei uns in FfM einige Geschäfte haben.
Aber ich denke, dieser Bereich wird ausserhalb von Amazon laufen :-)).
Wir sollten uns ohnehin daran gewöhnen, weniger und dafür nachhaltiger zu kaufen :-).
Jeff Bezos = Dr. Evil ( https://youtu.be/7edeOEuXdMU )