Talkshow geht auch jung und konstruktiv

Fernsehen Mit neuen Gesprächsformaten will der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein jüngeres Publikum erreichen. Kann das gelingen?
Ausgabe 42/2021
In der Sendung „13 Fragen“, moderiert von Jo Schück und Salwa Houmsi, sollen sich Streithähne ein Stück näher kommen
In der Sendung „13 Fragen“, moderiert von Jo Schück und Salwa Houmsi, sollen sich Streithähne ein Stück näher kommen

Foto: ZDF/David Biene

Kein Wunder, dass klassische Polit-Talkshows wie Anne Will, Hart aber Fair oder Maybrit Illner bei jüngeren Zuseher:innen herzlich wenig Anklang finden. Woche für Woche sitzen da die immer gleichen Leute, um ihre auswendig gelernten Baukastensätze vorzutragen. Eine Person, die nicht hauptberuflich als Politikerin, Journalist, Wissenschaftlerin oder Aufsichtsratsboss arbeitet, wird allenfalls als Fallbeispiel eingeladen. Die Folge: Seit Jahren sinken die Quoten.

Also versuchen die Öffentlich-Rechtlichen mit gleich mehreren neuen Formaten gegenzusteuern und ein jüngeres Publikum anzusprechen. Ein Beispiel ist die Sendung 13 Fragen auf ZDF Kultur. Eine vergleichsweise mutige Themen- und Gästeauswahl führt hier zu einigen gelungenen, weil erkenntnisfördernden Debatten. Konzeptionell dominiert der „konstruktive“ Journalismus: Stimmt eine Debattenteilnehmerin der Gegenseite zu, muss sie einen Schritt auf sie zugehen. Im besten Falle treffen sich die Streithähne am Ende der Sendung in der Mitte.

Noch konstruktiver geht es beim SWR-Format Der Raum mit Eva Schulz zu. In einer Mischung aus Polit-Talk und Spielshow müssen vier Gäste allen inhaltlichen Differenzen zum Trotz gemeinsame Aufgaben erfüllen. Die Message: Wir sitzen alle letztlich in einem Boot, lasst uns deshalb zusammenarbeiten. Das Konzept atmet die stickige Luft schlechter Politikwissenschaftsseminare über John Rawls’ oder Jürgen Habermas’ Demokratieverständnis. Im Raum soll es nicht um Ideologien gehen, die besseren Argumente sollen sich durchsetzen. Die konstruktive Suche nach dem besseren Argument und gegenseitigem Verständnis hilft am Ende aber vor allem dabei, Interessengegensätze zu verschleiern und Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren. Konzernspitzen etwa haben andere Interessen als ein Gros ihrer Beschäftigten: Hohe Profitraten lassen sich nicht ohne Ausbeutung von Mensch und Natur erzielen. Empathie, Verständnis und Respekt hin oder her.

Der konstruktive Ansatz wird beim ZDF-Format Die Couch auf die Spitze getrieben: Zwei Gäste mit entgegengesetzten Positionen treffen aufeinander, der Moderator wirbt mit Methoden aus der Familien- und Paartherapie bei den Diskutant:innen für gegenseitiges Verständnis. Doch ausgerechnet dem konservativen Jan Fleischhauer wird es in der Pilotfolge zu bunt. Er habe keine Lust, die Gräben zur Klimaaktivistin Carla Reemtsma zu überwinden. Freilich geht es dem Diskurs-Lebemann nur um Reichweite, nicht um die Bearbeitung gesellschaftlicher Widersprüche. Damit ist er auf der Couch am richtigen Platz.

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