Noch vor einigen Monaten bereite sich die AfD mit breiter Brust auf den bevorstehenden Europawahlkampf vor. Bundesweite Umfragen sahen sie bei 23 Prozent, die Partei konnte sich berechtigte Hoffnungen machen, zweitstärkste oder sogar stärkste Partei bei den Europawahlen zu werden. Doch die Vorfreude ist verflogen, beim Wahlkampfauftakt im baden-württembergischen Donaueschingen blickt die AfD mit Sorge auf den 9. Juni. Wer die Reden in der Donauhalle im Livestream verfolgt, hört vor allem Durchhalteparolen. Seit Monaten sinkt die Partei in den Umfragen stetig, liegt nun nur noch zwischen 15 und 17 Prozent und damit deutlich hinter der CDU und auf einem Niveau mit Grünen und SPD.
Der Absturz in den Umfragen, dessen Ende noch nicht absehbar ist, hat drei Gründe: E
Monaten bereite sich die AfD mit breiter Brust auf den bevorstehenden Europawahlkampf vor. Bundesweite Umfragen sahen sie bei 23 Prozent, die Partei konnte sich berechtigte Hoffnungen machen, zweitstärkste oder sogar stärkste Partei bei den Europawahlen zu werden. Doch die Vorfreude ist verflogen, beim Wahlkampfauftakt im baden-württembergischen Donaueschingen blickt die AfD mit Sorge auf den 9. Juni. Wer die Reden in der Donauhalle im Livestream verfolgt, hört vor allem Durchhalteparolen. Seit Monaten sinkt die Partei in den Umfragen stetig, liegt nun nur noch zwischen 15 und 17 Prozent und damit deutlich hinter der CDU und auf einem Niveau mit Grünen und SPD.Der Absturz in den Umfragen, dessen Ende noch nicht absehbar ist, hat drei GrXX-replace-me-XXX252;nde: Erstens hat die breite Gegen-rechts-Mobilisierung infolge der Correctiv-Recherchen die AfD unter Druck gesetzt und nervös gemacht. Zweitens dürfte die Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht ein paar Prozentpunkte gekostet haben. Drittens belasten nun die Korruptions- und Spionagevorwürfe gegen Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah die Partei schwer. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt einen engen Mitarbeiter Krahs, für China spioniert und Informationen aus dem Europaparlament weitergegeben zu haben. Außerdem laufen gegen Krah zwei Vorermittlungsverfahren wegen mutmaßlicher Zahlungen aus Russland und China.Krah kämpft um seine Spitzenkandidatur und versucht, diese Affäre innerparteilich zu überstehen. Die Parteiführung um Tino Chrupalla und Alice Weidel bemüht sich derweil, den Wahlkampf zu überstehen – möglichst ohne Maximilian Krah. So fehlt dieser auch in Donaueschingen, wo er ursprünglich eine der Hauptreden halten sollte. Chrupalla dankt in seinem Beitrag Maximilian Krah ausdrücklich, dass er auf seinen Auftritt verzichtet habe. Dass es wirklich Krahs eigene Entscheidung war, erst einmal abzutauchen, darf bezweifelt werden.Chrupallas Dank an Krah ist das einzige Mal, dass beim Wahlkampfauftakt der Name des Spitzenkandidaten fällt. Es seien schwierige Zeiten, so Chrupalla, der auch meint, betonen zu müssen, dass Meinungen und Positionen in der AfD niemals käuflich sein dürften. „Wer nachweislich käuflich ist, der muss auch gehen.“Maximilian Krah bei „Jung & Naiv“Hier wird das Dilemma der Parteispitze deutlich. Angesichts der Schwere der Vorwürfe, die das propagierte Bild von der Partei der deutschen Interessen beschädigen, kann man sich nicht hinter den Spitzenkandidaten stellen. Gleichzeitig ist die Gefahr groß, dass die innerparteilichen Macht- und Richtungskämpfe ähnlich wie in der Vergangenheit eskalieren, sollte Krah auch offiziell aus dem Rennen genommen werden. Hinzu kommt, dass Krah sein Mandat selbst niederlegen müsste, da die Wahlliste nicht mehr verändert werden kann. Krah gibt sich kämpferisch und selbstbewusst.Er weiß um seine Pfründe: Krah zählt inzwischen zu den bekanntesten Gesichtern seiner Partei und hat beim chinesischen Videoportal Tiktok eine Reichweite, von der andere Politiker nur träumen können; ein sechsstündiger Auftritt in Tilo Jungs Youtube-Format Jung & Naiv erregte zuletzt Aufsehen und hat sogar Kritiker beeindruckt. Zudem ist Krah gut in Partei und Vorfeld vernetzt. Wenige Stunden nach der Verhaftung seines Mitarbeiters sprang ihm Götz Kubitschek vom einflussreichen Institut für Staatspolitik zur Seite. Dessen Appell an die Parteispitze: nicht kirre machen und nicht in die Defensive drängen lassen vom politischen Gegner.Chrupalla und Weidel können keinen Gegenwind vonseiten der Neuen Rechten um Kubitschek gebrauchen, bei denen neben Krah auch Björn Höcke und führende Vertreter der brandenburgischen und sachsen-anhaltinischen AfD ein und aus gehen – zumal im September die für die Partei wichtigen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg anstehen.Lucke, Petry, Meuthen: Sie wollen nicht die Nächsten seinDie Affären um Krah und internen Konflikte in der Partei haben noch eine weitere Dimension: Gerade im Osten sind AfD-Politiker wie -Klientel deutlich kritischer, was die NATO und die Westbindung angeht. Auf der einen Seite dieses letzten ideologischen Großkonflikts in der AfD stehen diejenigen, die weiterhin transatlantisch orientiert sind. Gerade bei den älteren, häufig aus Westdeutschland stammenden Abgeordneten stößt der russlandfreundliche Kurs immer wieder auf Widerstand, wie sich im vergangenen Jahr an offensichtlichen Durchstechereien aus der Bundestagsfraktion an Medien zeigte.Für die Parteispitze hat sich Krah vor den jüngsten Vorwürfen zu einer zunehmenden Konkurrenz entwickelt; eine Gefahr, die nicht gerade kleiner wurde, als dessen Präsenz in etablierten wie sozialen Medien enorm zunahm. Die Parteiführung weiß aber genau, was mit jenen früheren Vorsitzenden passiert ist, die die Kraftprobe mit Vertretern des rechtsradikalen Parteiflügels gesucht haben: Nach Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen möchten Tino Chrupalla und Alice Weidel nicht die Nächsten auf der Liste der Abgeschossenen sein.Weidel äfft Baerbock, Roth und Lauterbach nachDennoch zeigen die Krise und der Machtkampf auf, was latent bereits im vergangenen Jahr rund um die Wahlliste für die Europawahl sichtbar geworden war: Die Machtarithmetik ist heute eine andere als in den ersten zehn Jahren der AfD. Als „Der Flügel“ um Björn Höcke offiziell noch existierte, zogen die völkisch-nationalistischen Vertreter in der Regel an einem Strang; jetzt verlaufen die Fronten der Machtkämpfe weniger entlang ideologischer Linien, sondern stärker entlang von Netzwerken. So sind unter den Krah-Kritikern auch Leute, die eigentlich inhaltlich nicht viel an ihm auszusetzen hätten. Andere, die Krah alles andere als nahestehen, halten sich hingegen mit Kritik zurück.So ist auch von Alice Weidel in den vergangenen Wochen wenig zu hören, wenn es um Krahs Skandale geht. In Donaueschingen versucht sie inneren Zusammenhalt zu stiften, indem sie sich über Annalena Baerbock, Claudia Roth und „Figuren wie Karlchen Chaos Karl Lauterbach“ lustig macht und deren Sprechweise und Gestik nachäfft. Damit erreicht sie die eigenen Anhänger, trotz brüchiger Stimme, für die sie sich entschuldigt. Die Strapazen der jüngsten Zeit hätten auf die Stimme geschlagen.