Tino Chrupalla bei Caren Miosga: Halbherzige Didaktik
Meinung Auch bei Caren Miosga schimmert ein Ziel stets durch: Die Zuschauer sollen Tino Chrupalla furchtbar finden. Doch mit solcher Didaktik entfernt sich die ARD vom Journalismus
Es scheint, als könnten Journalisten es im Umgang mit der AfD nur falsch machen. Man fällt über sie her, wenn sie nicht distanziert genug rüberkommen – aber wenn sie didaktisch agieren, entfernen sie sich vom Journalismus. „Sagen, was ist“ oder Fragen-und-Hören, was jemand sagt,
s könnten Journalisten es im Umgang mit der AfD nur falsch machen. Man fällt über sie her, wenn sie nicht distanziert genug rüberkommen – aber wenn sie didaktisch agieren, entfernen sie sich vom Journalismus. „Sagen, was ist“ oder Fragen-und-Hören, was jemand sagt, reicht nicht mehr. Wer als Journalist nicht ständig klarmacht, dass er gegen die AfD kämpft und sich also demonstrativ mit einer guten Sache gemein macht, gilt wahlweise als gescheitert oder als rechtsoffen. Und so greift bei den öffentlich Rechtenden die Didaktik um sich.Caren Miosga hat Angst vor der eigenen CourageMiosga will es anders machen, hat aber Angst vor der eigenen Courage. Und so wirkt ihr Gespräch mit Chrupalla verkrampft. Als dürfe sie diesem Gast auf keinen Fall auf Augenhöhe begegnen oder ihn gar – Gott bewahre – auf menschlicher Ebene mögen. So viel Ambivalenz ist dem Zuschauer nicht zuzumuten! Die Aufgabe lautet, ihn zu STELLEN. So gerät auch dieser Versuch zur Belehrung unterm Talk-Deckmantel, zur absenderorientierten PR-Maßnahme: „Schaut, wir sind demokratisch, aber mit Haltung!“Miosga interviewt zwar mit gewohnt intensiver Verbindlichkeit, doch das übergeordnete Ziel schimmert stets durch: Die Zuschauer sollen Chrupalla furchtbar finden. Dass es verfehlt wird, liegt auch an Rechtsaußen Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahlen im Juni. Ihn wählt Miosga als Gewährsmann für die Unwählbarkeit der AfD. Ihn zitiert sie, doch der Angriff geht ins Leere. Chrupalla fällt es nicht schwer, sich von Krahs lächerlichen Statements zur Gehirntätigkeit von Frauen zu distanzieren. Dazu müsse sie Krah schon selbst fragen, wehrt er leichthändig ab, sein Geschmack sei solches nicht. Und wenn sich herausstellen sollte, dass Krah und Petr Bystron tatsächlich Geld für russische Regimepropaganda erhalten haben, hätten diese „in unserer Partei keinen Platz“, betont Chrupalla.Zwar wirkt auch er sichtlich nervös, aber vielleicht gerade deshalb wie ein guter Bürger, verlässlicher Nachbar, beliebter Freund – ein ganz normaler Typ wie du und ich, geerdet im sächsischen Görlitz, als habe er mit den rechtsextremen Ausfransungen seiner Partei auch im eigenen Bundesland reineweg gar nichts zu tun. Und bringt es fertig, völkische, frauenfeindliche Statements von Parteikollegen mit einer Nonchalance wegzumoderieren, die er als Toleranz labelt – als sei Rechtsextremismus à la Krah eine rein persönliche, AfD-ferne Angelegenheit: jedem selbst überlassen.Faschismus mit bürgerlichem Anstrich?Chrupalla wirkt auch deshalb sympathisch handfest, weil er als Malermeister einer der wenigen Handwerker im von Hochschulabsolventen dominierten Bundestag ist. Er spricht kein so glattes, gewandtes, elegantes, fehlerfreies, akademisches Deutsch. Miosga rutscht eine „raison d’être“ raus, als sie wieder mal Krah zitiert. Peinliche Pause. Chrupalla kann mit dem Begriff nichts anfangen. Miosga schiebt rasch die Übersetzung nach: „Daseinsberechtigung“. Das ist ehrenwert. Und der der politischen Elite des Landes angehörige Chrupalla kommt wie ein Underdog rüber: als Nicht-Favorit, dem man fairerweise wie beim Fußball unwillkürlich die Daumen drückt.Aber was ist, wenn die Gegnermannschaft dann gewinnt? Hat er sich das mal überlegt, hat er das wirklich zu Ende gedacht? Will Chrupalla kein Faschist sein und anständig schwarze, bürgerlich-konservative Politik machen, muss er entweder die AfD entbräunen oder austreten. Andernfalls wird er bald entweder so faschistisch denken wie der in die Mitte sich fräsende faschistische Rand seiner Partei. Oder sich vorwerfen (lassen müssen), den Faschismus zu fördern, indem er diesem, als mäßigende Deko, einen bürgerlichen Anstrich gibt – raushalten kann er sich jedenfalls nicht.Genau das will, vermutet man, der Talk klarmachen, doch auch Miosga hält sich irgendwie raus. Als habe sie keine Meinung und keine Absicht, sondern nur Fakten. Die Unehrlichkeit, die in solcher Halbherzigkeit liegt, wird keinen noch nicht faschistischen AfD-Anhänger beeindrucken und keine mit der Ampelregierung fremdelnde Sympathisantin entfremden. Da sie das gebührenzahlende Volk also eh nicht erziehen können, sollten die Öffentlich-Rechtlichen (wieder) mehr Mut haben, zu sagen, was ist – nicht, was aus Programmmachers Sicht sein sollte. Damit jede sich selbst ein Bild machen kann. Im Fall von Chrupalla bei Miosga fällt es positiver aus als beabsichtigt, aber das ist weder ein Schaden für die ARD noch für die Demokratie.
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