Maut und Miete

Berlin Rot-Rot-Grün stellt sich beispiellos an die Seite von Mieterinnen und Mietern. Und die CSU?
Ausgabe 25/2019
Zwei wie frech und Frevel: Andreas Scheuer (l.) und Alexander Dobrindt (r.)
Zwei wie frech und Frevel: Andreas Scheuer (l.) und Alexander Dobrindt (r.)

Foto: John Macdougall/AFP/Getty Images

Schamlosigkeit hat zwei Namen: Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt. Über Jahre hinweg haben der neue und der alte Verkehrsminister die Republik mit einem Projekt beschäftigt, dessen Scheitern ihnen immer wieder prophezeit worden war. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof dem CSU-Modell einer Pkw-Maut, das von Anfang an nichts anderes sollte, als Ausländer zu diskriminieren, die endgültige Abfuhr erteilt. Doch statt sofort die einzig richtige Konsequenz aus dieser Blamage zu ziehen, die eigene Regierungsunfähigkeit anzuerkennen und die Verkehrspolitik Fähigen zu überlassen, erdreistete sich Scheuer tatsächlich, das EuGH-Urteil als „Überraschung“ zu bezeichnen.

Die Senatskanzlei in Berlin sollte Scheuer wie Dobrindt dringend Schnupperpraktika anbieten. Denn in Berlin können die beiden Bayern lernen, wie eine Regierungspraxis aussieht, die die dringendsten Erfordernisse unserer Zeit wirklich angeht – nicht nur die Mobilitäts-, sondern auch die Mietenwende, ebenso einen attraktiven öffentlichen Dienst als Voraussetzung für einen handlungsfähigen Staat. Mehr als 100.000 Mitarbeiter der Verwaltungen Berlins erhalten für ihre immens wichtige Arbeit bald eine Zulage, zu der ein Gratisticket für S- und U-Bahn, Bus und Tram gehört.

Das hat der rot-rot-grüne Senat nun ebenso beschlossen wie einen resoluten Mietenstopp: Fortan dürfen die Mieten in Berlin für zunächst fünf Jahre nicht erhöht werden, nicht einmal um den Inflationsausgleich – denn das habe „den Vorteil, dass die Einkommensentwicklung Gelegenheit bekommt, den Rückstand zur Mietpreisentwicklung aufzuholen“. Ein Paradigmenwechsel, ein Schulterschluss mit Mieterinnen und Mietern, wie er in Deutschland und darüber hinaus seinesgleichen sucht, garniert mit Weiterem: Die öffentliche Hand muss Modernisierungen, die die Miete erheblich erhöhen, nun erst zustimmen, und sie kann Vermietern, die Mietsteigerungen wirklich nötig haben, Genossenschaften oder Hausprojekten etwa, diese genehmigen – betroffenen Mietern garantiert der Staat den finanziellen Ausgleich zwischen genehmigter Miete und der Mietobergrenze.

Rot-Rot-Grün in Berlin regiert. Die CSU? Akklamiert. Was wohl die bleierne Überzeugung, dass die herrschenden Verhältnisse nicht politisch veränderbar seien, eher Lügen straft?

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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