Frankreichs extreme Rechte ist so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr, warnt der scheidende Präsident François Hollande: Marine Le Pen vom Front National führt seit Wochen in allen Umfragen. Zumindest die erste Runde der Präsidentenwahl könnte sie für sich entscheiden. Erst im Stechen am 7. Mai würde sie wohl einem gegnerischen Kandidaten unterliegen. Sicher ist aber selbst das nicht: Viele Wähler sind noch unentschlossen. Und angesichts der enormen Polarisierung könnte in der zweiten Runde so mancher eher die Wahlkabine meiden, als das kleinere Übel gegen Rechtsaußen zu unterstützen.
Verantwortlich für diese Misere ist das Scheitern beider Volksparteien. Schon lange chancenlos sind die regierenden Sozialisten: Sie haben unter Hollande viele Anhänger enttäuscht und sind stark zerstritten. Nun nehmen sich auch noch die Konservativen selbst aus dem Spiel. Trotz der Vorwürfe, Staatsgelder veruntreut zu haben, verweigert Präsidentenbewerber François Fillon den fälligen Rückzug. Er bestätigt damit alle Ressentiments, die nicht nur Marine Le Pen gegen die Pariser Elite schürt: Fillon gibt den Moralisten, wenn es um Abtreibung und Homo-Ehe geht, wähnt sich aber offenbar selbst ethischen Standards enthoben.
Schlimmer noch: Fillon verbreitet Verschwörungstheorien über ein „politisches Attentat“, das Medien und Justiz gegen ihn angezettelt hätten. Am Wochenende trommelte er seine Getreuen zur Kundgebung nach Paris: Er wollte „das Volk“ direkt anrufen und die missliebigen Institutionen übergehen. Dieser Populismus verärgerte zwar viele Parteigranden, doch trat Fillon den Beweis an, dass er nach wie vor mobilisieren kann. Die Basis habe sich „radikalisiert“, befand resigniert Ex-Premier Alain Juppé.
Jedoch reicht dieser Rückhalt beim harten Kern der Anhänger wohl kaum für einen Wahlerfolg, weil Fillon massenweise die Liberalen verprellt. Sie tendieren zum unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron, dem Zweitplatzierten in den Umfragen. Er avanciert so zum aussichtsreichsten Gegenspieler Le Pens. Am 7. Mai dürften die Hoffnungen damit ausgerechnet auf einem Politiker ruhen, der ohne Unterstützung durch eine Partei antritt. Die V. Republik wirkte lange nicht so aus dem inneren Gleichgewicht gebracht wie im Moment.
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