Auf der dunklen Seite des Netzes?

Google Nach dem jüngsten Skandal wegen des Umgehens der Datenschutz-Einstellungen in Apples Safari-Browser könnte Google endgültig sein positives Image verlieren
Heute heißt es bei Google höchstens noch: "Don't be too evil."
Heute heißt es bei Google höchstens noch: "Don't be too evil."

Foto: Kimihiro Hoshino / AFP / Getty

Als die US Federal Trade Commission den Suchmaschinen-Giganten Google vergangene Woche zu einer Geldstrafe von 22, 5 Millionen Dollar verurteilte, konnte man dies in Anbetracht des weltweiten Gewinns von fast drei Milliarden als Petitesse abtun. Es markiert aber einen wichtigen Wechsel in der Wahrnehmung des einstigen Musterknaben in Sachen Tugendhaftigkeit im Netz. Leicht vergisst man, wie sehr Googles Larry Page und Sergey Brin einst als "good guys" gesehen wurden. Als die beiden 1995 begannen, an ihrer Suchmaschine zu arbeiten, weigerten sie sich, den Dotcom-Hype mitzumachen, der manche ihrer Kollegen mit halbgaren Ideen reich machte.

Während andere Geld mit einem vorzeitigen Börsengang einspielten, hielten sie den Ball flach und entwickelten lieber etwas Tragfähiges: eine komplexe, genaue und im wesentlichen demokratische Suchmaschine, die die Welt so dramatisch zusammenschrumpfen ließ, wie dies zuvor nur Kompass, Telegraf und Flugzeug getan hatten. Dass das im Netz verfügbare Wissen für alle zugänglich aufgelistet, d.h. „gegoogelt“ werden kann, ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit, war zu seiner Zeit aber atemberaubend und brilliant.

Offene Anti-Unternehmenskultur

Und dabei war dies nur der Anfang. Im „Googleplex“ in Mountain View, Kalifornien, versuchten Page und Brin eine offene Anti-Unternehmenskultur zu schaffen, die auf Vertrauen und Gleichheit basiert, wo jeder gleich viel Büroraum zur Verfügung hatte und seine Haustiere mitbringen konnte. Die beiden gossen ihre Ideen in ein Führungsprinzip, das zwar sehr vage, aber durchaus ernst gemeint war: „Don't be evil.“ – merkwürdig, wie leicht der Satz sich nach Orwells Neusprech anhört, wenn man ihn ein wenig anders ausspricht.

Auch beim Börsengang 2004 versuchten die Gründer, alles richtig zu machen. Das eigentümliche niederländische Auktionssystem, das sie verwendeten, war dazu geeignet, den Preis einer Aktie auf einem vernünftigen Niveau zu halten und zu verhindern, dass die Investmentbanken mit ihr spekulierten, die die meisten der anderen jungen Dotcom-Unternehmen vier Jahre zuvor in den Bankrott getrieben hatten. Die beiden sorgten zusammen mit CEO Eric Schmidt dafür, dass der Einfluss der Anteilseigner begrenzt blieb und weigerten sich, Quartalsprognosen abzugeben, um kurzfristigem Denken nicht unnötig Vorschub zu leisten.

Die Strafe von vergangener Woche ist die höchste, die das FTC bislang verhängt hat. Google wurde verurteilt, weil es nach Überzeugung der Behörde die Nutzer von Apple-Geräten über die Wirksamkeit der Sicherheit von Safari-Browsern in die Irre geführt hat, bei denen die Suchchronik nachverfolgt und gespeichert werden kann. Vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen unlängst eingeräumt hat, Daten die 2008 von Street View illegal gesammelt worden waren, nicht gelöscht zu haben, könnte der August der Monat sein, in dem Googles Image in der Öffentlichkeit unwiederbringlich Schaden genommen hat.

Noch viel reicher und mächtiger

Zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung 1998 gingen Page und Brin davon aus, dass ihr Gewinn aus der Lizenzierung ihrer Technologie für andere Unternehmen kommen würde. Indem sie 2000 ihren alten Verhaltenskodex über Bord warfen, konnten sie zu den ersten werden, die mit Online-Werbung Geld verdienten. Das AdWords-System errechnete die zu bezahlende Summe nach Höhe der Anzahl von Klicks auf die Zielseite, die aufgrund einer Google-Suche erfolgten. Heute stammt der Großteil des Unternehmensgewinns aus diesen Einnahmen.

Wenn Google auch noch unsere individuellen Gewohnheiten und Vorlieben, wie sie sich aus der Suchchronik, sozialen Netzwerken und E-Mails konstruieren lassen, uneingeschränkt aufzeichnen und analysieren könnte, könnte es Anzeigen verkaufen, die genau auf uns abzielen, größere Erfolgsaussichten und damit einen unschätzbar größeren Wert hätten. Wenn Google heute schon reich und mächtig ist, muss man sich nur einmal vorstellen, um wie vieles reicher und mächtiger es – oder ein anderer – sein könnte, könnte es auch noch diese zusätzlichen Informationen verwerten.

Die Geldstrafe von vergangener Woche richtete sich insbesondere gegen Googles Werbearm DoubleClick, das nach dem Crash im Techniksektor 2000 von Google aufgekauft wurde. Als der erste CEO des Unternehmens, Kevin Ryan, 1998 erklärte, persönliche Informationen seien das Öl des 21. Jahrhunderts, verstanden das nur sehr wenige. Jetzt verstehen wir es langsam. Die Kampflinien sind gezogen.

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Geschrieben von

Andrew Smith | The Guardian

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