Oberstes Gericht annulliert Wahlsieg

Kenia Das Oberste Gericht in Kenia hat den Wahlsieg von Uhuru Kenyatta annulliert. Die sechs Richter ordneten Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen an
Mit vier zu zwei Stimmen entschieden die Richter zugunsten eines Antrags des Gegenkandidaten
Mit vier zu zwei Stimmen entschieden die Richter zugunsten eines Antrags des Gegenkandidaten

Foto: Simon Maina/AFP/Getty Images

Kenias Oberstes Gericht hat den Sieg von Uhuru Kenyatta bei den Präsidentschaftswahlen vom August für ungültig erklärt und Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen angeordnet. Damit wurde erstmals in Kenia das Ergebnis einer Wahl annulliert, eine Entscheidung, die das Land in politisches Chaos stürzen könnte und den Startschuss zu einem erneuten Rennen um die Präsidentschaft zwischen Kenyatta und dem langjährigen Oppositionsführer Raila Odinga darstellt.

Die sechs Richter folgten mit vier zu zwei Stimmen einem Antrag Odingas, in dem er erklärte, die elektronischen Wahlergebnisse seien gehackt und zugunsten des Amtsinhabers manipuliert worden. Kenyatta war mit 54 % der Stimmen für eine zweite Amtszeit gewählt worden.

Schon früher ist es in der größten Volkswirtschaft Ostafrikas immer wieder zu umstrittenen Wahlen und politischer Gewalt gekommen. „Das Ergebnis ist ungültig, [Kenyattas Wahl] null und nichtig“, erklärte Richter David Maranga. Die Wahlkommission habe es „versäumt, unterlassen oder bewusst abgelehnt, die Präsidentschaftswahl nach den Vorgaben der Verfassung durchzuführen“.

Das Gericht verhandelte den Fall, nachdem Odinga nach seiner Niederlage letzten Monat Beschwerde eingelegt hatte. Oppositionsvertreter bezeichneten das Ergebnis wiederholt als Betrug und erklärten Odinga, den Führer der National Super Alliance, zum rechtmäßigen Sieger. Odinga ist bei den letzten drei Wahlen angetreten und hat jeweils verloren. Nachdem er 2007 den Vorwurf der Wahlmanipulation erhoben hatte, war es zu gewaltsamen Protesten und Gegengewalt durch die Sicherheitskräfte und der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten im Land gekommen. Mehr als 1200 Menschen fielen den darauffolgenden ethnischen Gewalttätigkeiten zum Opfer.

Auch 2013 sprach Odinga von Wahlmanipulationen und klagte vor dem Obersten Gericht, wo er unterlag. Aktuell konzentrierte sein Team sich darauf, nachzuweisen, dass die Auszählung und Übertragung der Ergebnisse fehlerhaft verlaufen sei, anstatt den Umfang der Manipulationen darzulegen. Bereits wenige Tage nach der Wahl vom 8. August hatte Odinga (72) geschworen, die Kenyatta-Regierung abzusetzen.

„Wir haben bereits vorher gesagt, dass sie sich die Wahl unter den Nagel reißen werden, und genau das ist passiert. Wir sind noch nicht fertig. Wir geben nicht auf“, erklärte er vor mehreren tausend Anhängern, die sich auf einer mit Schutt und Müll übersäten Brachfläche in Kibera versammelt hatten, Nairobis größtem Slum und eine Hochburg der Opposition.

Laut Menschenrechtsgruppen kamen in den Unruhen nach der Wahl mindestens 24 Menschen durch Polizeigewalt ums Leben. Wahlbeobachter und Vertreter des Westens hatten Odinga aufgefordert, seine Niederlage zu akzeptieren, und erklärt, keinerlei Hinweise auf eine „organisierte Manipulation“ gefunden zu haben.

In einer ersten Reaktion von Regierungsseite nannten Kenyattas Anwälte die Entscheidung des Obersten Gerichts „durch und durch politisch“, erklärten aber, sie würden mit den Folgen leben. Kenia war am Freitag auf weitere Proteste vorbereitet, so waren etwa Polizeikräfte in sensible Gebiete der Hauptstadt Nairobi verlegt worden. Im Vorweg der Urteilsverkündung herrschten rund um das Gericht strikte Sicherheitsmaßnahmen.

Vor den Wahlen waren Bedenken laut geworden, als der Verantwortliche für das elektronische Wahlsystem nur Tage vor der Wahl misshandelt und ermordet aufgefunden worden war. Die Wahlkommission selbst hatte einen fehlgeschlagenen Versuch öffentlich gemacht, das System während der Übermittlung und Auszählung der Stimmen zu hacken.

Beobachter sahen in der Wahl vom August den letzten Akt einer mehr als 50 Jahre währenden dynastischen Rivalität zwischen den Familien von Kenyatta (55) und Odinga. Die Väter der Kandidaten, Jomo Kenyatta und Jaramogi Odinga, waren im Kampf um die Unabhängigkeit von Großbritannien Verbündete, wurden später allerdings zu erbitterten Gegnern.

Kenyatta stammt aus dem Volk der Kikuyu, der größten ethnischen Gemeinschaft Kenias, Odinga dagegen aus dem Volk der Luo, deren Mitglieder sich seit Langem benachteiligt fühlen. Beide Männer haben Bündnisse mit anderen einflussreichen ethischen Gemeinschaften geschmiedet, da das Wahlverhalten in Kenia größtenteils von der ethnischen Zugehörigkeit abhängig ist. Im Westen Kenias, Odingas Hochburg, und an der Küste, wo die Opposition traditionell ebenfalls sehr stark ist, fühlen sich viele Wähler von der Zentralregierung übergangen und von der Macht ausgeschlossen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden