„Sag es lauter, Candy“

TV-Duell II Im zweiten der drei US-amerikanischen TV-Duelle wirkt Romney launisch und gereizt und kann mit dem selbstsicheren Auftreten Obamas nicht mithalten
"Mein Rente ist nicht so hoch wie ihre": Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten Romney und Obama
"Mein Rente ist nicht so hoch wie ihre": Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten Romney und Obama

Foto: Spencer Platt/AFP/Getty Images

Barack Obama ging mit einem Vorteil in die Debatte von gestern Nacht: Er konnte einfach nicht schlechter sein als beim letzten Mal. Romney hingegen ging mit der Bürde ins Rennen, dass er sich im Vergleich zum ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden Kandidaten nur schwerlich würde steigern können.

Und Obama war dann auch wirklich viel besser. Klarer, schärfer, entschiedener und leidenschaftlicher. Er suchte die Auseinandersetzung über die harten Fakten, griff Romneys Darstellung der Sachverhalte an und war ihm rhetorisch deutlich überlegen. Der Sieg war ebenso überzeugend wie der in der ersten Runde, nur dass der Sieger dieses Mal Obama hieß. Letztes mal führte er kaum einmal vor, was er draufhat; gestern Nacht führte er Romney vor.

Selbstsicher, ohne dabei eingebildet oder streberhaft zu wirken, fand er die richtige Balance zwischen einer harten Haltung gegenüber seinem Kontrahenten und einer einfühlsamen und entgegenkommenden gegenüber den Moderatorinnen. In der Substanz dessen, was er sagte, gab es keine großen Unterschiede, aber die Art, wie er es sagte, unterschied sich gewaltig von der Performance im ersten TV-Duell.

Schlagfertigkeit

Als er seinen Herausforderer wegen dessen 180-Grad-Wende in Bezug auf die Frage eines Verbots von Sturmgewehren anging, das Romney als Gouverneur von Massachusetts noch unterstützte und erst ablehnt, seit er für das Präsidentenamt kandidiert, kommentierte Obama: „Er war für ein Verbot von Sturmgewehren, bevor er dagegen war.“

Und als Romney Obama wegen Kapitalanlagen in seiner Rentenversicherung bedrängte und fragte, ob er sich diese in letzter Zeit denn einmal angesehen habe, erwiderte der Amtsinhaber: „Ich seh mir meine Rente nicht an. Sie ist nicht so hoch wie Ihre, deshalb dauert es auch nicht so lange.“

Als Romney von der Moderatorin Candy Crowley berichtigt wurde, nachdem er behauptet hatte, Obama habe den Angriff auf die US-Botschaft in Bengasi nicht als „terroristisch“ bezeichnet, rief Obama mit einem Lächeln im Gesicht: „Sag es lauter, Candy!“

Romney schlug sich tapfer, wählte die gleiche Herangehensweise wie in Denver und zeigte sich von seiner besten Seite. Seinen besten Satz dürfte er gesagt haben, als er darauf antwortete, warum man Obama die Chance einer zweiten Amtszeit geben sollte: „Wir können uns einfach nicht noch einmal vier weitere solche Jahre leisten.“ Es fällt schwer, die steife und unpersönliche Figur mit dem Mann zu vergleichen, der in der vergangenen Nacht zu sehen war. Aber es reichte einfach nicht.

Romney launisch und gereizt

Romney versuchte zwar, die gleiche Sicherheit und Kontrolle zu gewinnen, die er während der ersten Debatte hatte, aber er übernahm sich dabei. Da, wo er beim ersten Mal einen lebhaften Eindruck machte, wirkte er nun aggressiv. Wenn er Obama unterbrach, hatte das etwas hilfloses und seine Zwischenrufe wirkten schrill. Wirkte er vor zwei Wochen bei seinem Triumph in Denver noch überzeugend, so kam er dieses Mal launisch und gereizt rüber.

Der zweite Verlierer des Abends war die amerikanische Politik. Der Clinch der beiden Männer, wie sie übereinander redeten, mit verschiedenen Zahlen und Fakten aufwarteten und sich gegenseitig als Lügner bezeichneten, wirkte wie eine Metapher für viele der Fehlentwicklungen, die die politische Kultur der Vereinigten Staaten in den vergangenen dreißig Jahren genommen hat. Townhall-Meetings sind eigentlich nicht so konfrontativ und zynisch, sondern mehr auf Austausch und Verständigung hin angelegt.

Die Bezeichnung „Townhall-Meeting“ ist auch noch aus einem anderen Grund ungenau. In Wirklichkeit gibt es nur wenige Städte, in denen Menschen im Rathaus zusammenkommen könnten wie die, die gestern Abend ihre Fragen an die Kandidaten stellen durften: Während die ausgewählten Gäste von gestern noch unentschlossen sind, hat die Nation als Ganzes sich bereits entschieden.

Hier der komplette Mitschnitt des zweiten TV-Duells:

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Gary Younge | The Guardian

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