In Washington ist man sich einig, dass die einst großen Hoffnungen auf ein verwestlichtes China, die durch den bahnbrechenden Besuch von Präsident Nixon 1972 geweckt wurden, längst gescheitert sind. Inzwischen haben die täglichen Kollisionen zwischen Washington und Peking zu gleich mehreren Fronten geführt. Wenn es nicht um Menschenrechte, Cyberhacking oder den Handel geht, dann um Taiwan, Spionage oder den Streit um Meeresregionen. Droht früher oder später eine Explosion? Präsident Xi Jinping hat den Plan, sein Land als ebenbürtige Macht neben den USA zu etablieren. Ein vergleichbares Maß an westlichem Engagement bei einem ähnlichen Anspruch ist indes kaum vorhanden.
Für Mike Pompeo, unter Donald Trump Außenminister, zugleich potenzieller Präsidentenbewerber der Republikaner 2024, ist die Herausforderung existenziell. Aus seiner Sicht strebt eine „fanatische marxistisch-leninistische KP Chinas danach, die USA als einzig wahre Großmacht zu ersetzen und ihr Regierungsmodell als Norm für alle Nationen zu etablieren“. Pompeo ist ein rechter evangelikaler Christ, der die Welt munter in Gut und Böse teilt. Was China angeht, behauptet er, für die Mehrheit der Amerikaner zu sprechen, inklusive der Demokraten – manche Umfrage gibt ihm recht. Sein Fazit: „China führt einen Krieg gegen den Westen, um unsere Ideologie der Freiheit zu zerstören.“
Eine der großen Überraschungen der vergangenen Monate war, dass Präsident Biden dem weitgehend zuzustimmen scheint. Indem er einen fundamentalen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur beschreibt, fährt er eine härtere Linie gegenüber Peking als erwartet. „Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist auf dem tiefsten Punkt seit Jahrzehnten. Dass die Regierung derart auf Konfrontation setzt, wird die Dinge eher noch verschlimmern“, meint der kanadische Analyst Jonathan Tepperman. In der Tat hat Biden durch eine Reihe von unilateralen Schritten Wirtschaft und Investitionen Schranken gesetzt, dazu Trumps Handelssanktionen beibehalten und wegen Hongkong wie Xinjiang neue Strafmaßnahmen verhängt. Schließlich wurde das Pentagon angewiesen, auf militärische Konflikte eingestellt zu sein.
Für Tepperman ist dieser Kurs kontraproduktiv. „Bidens aggressive Haltung hat Peking wahrlich vor den Kopf gestoßen und dessen Bereitschaft gesenkt, bei Klimaschutz, Rüstungskontrolle und der präventiven Abwehr von Pandemien zu kooperieren.“ Der Appell von John Kerry, US-Sondergesandter für Klimaschutz, China solle die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen beschleunigen, könne das erste Opfer jener forcierten Feindseligkeit werden. Wenn sich Biden mit plumpen ideologischen Begriffen wie „Freiheit gegen Tyrannei“ umgibt, riskiere er die Entfremdung Pekings von einer auf westlichen Regeln basierenden internationalen Ordnung, die den USA so wichtig ist.
Die Fregatte „Bayern“ kommt
Bidens größte Schwäche, die Xi Jinping zweifellos kennt, ist das Verhalten der Verbündeten. Auf die Frage aus Washington, wie man sich auf praktische Mittel und Wege einigen könne, um Peking die Stirn zu bieten, gibt es widersprüchliche Antworten, je nachdem, wo man sich in der Welt befindet. Das daraus resultierende Dilemma erhielt im US-Verteidigungsministerium das Label „Wort-Tat-Diskrepanz“. Mitte Juli verbuchte Biden den bisher größten Triumph, was „Worte“ angeht, als die 30 NATO-Staaten zusammen mit Australien, Neuseeland und Japan eine Erklärung verabschiedeten, mit der „bösartige chinesische Cyber-Angriffe“ verurteilt wurden. Doch dieser Erfolg blieb die Ausnahme. Biden nutzte zwar seit seinem Amtsantritt Gelegenheiten wie G7- und NATO-Gipfel, den Sicherheitsdialog USA/Japan/Australien/Indien wie das Geheimdienstbündnis „Five Eyes“, um eine Front gegen China aufzubauen – doch das blieb Stückwerk.
Deutschland etwa zeigt sich wohlwollend und hat die Fregatte „Bayern“ in den Fernen Osten entsandt, ist aber nicht bereit, das große Exportgeschäft im verarbeitenden Gewerbe zu gefährden. Armin Laschet, Angela Merkels wahrscheinlicher Nachfolger im Kanzleramt, fragt unverhohlen: „Brauchen wir einen neuen Gegner?“ Präsident Macron bezweifelt das.
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