Weniger Pferde und Bajonette

TV-Duell III Bei ihrem letzten Schlagabtausch vor der Wahl offenbaren Barack Obama und Mitt Romney, dass die Unterschiede in ihrer Außenpolitik erschreckend gering sind
Die Aspiranten vor ihrer Talkshow
Die Aspiranten vor ihrer Talkshow

Foto: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Wäre am 6. November die ganze Welt zur Wahl gebeten, würde Barack Obama einen Erdrutschsieg einfahren. Eine weltweit durchgeführte Umfrage der BBC zeigt, dass man den US-Präsidenten in 20 von 21 Ländern seinem Herausforderer vorzieht. Wer aber zu Wochenbeginn im Fernsehen verfolgt hat, wie die beiden Kandidaten über Außenpolitik debattierten, dem stellte sich die Frage, warum das eigentlich so ist. Nicht, weil Romney sich so viel besser geschlagen hätte, sondern weil Obama, was seine Politik abgeht, beinahe genauso schlimm ist. Man muss dem Präsidenten schon sehr gewogen sein, um die Wahrheit zu schlucken, dass er ihn internationale Gemeinschaft nicht über Gebühr interessiert.

Niemand könnte Israel mehr lieben, sich weniger aus den Palästinensern machen, größeren Druck auf den Iran ausüben oder sich mehr für Drohnenangriffe oder einen Libyen-Einmarsch begeistern. Beide Kandidaten waren sich einig, dass es Amerikas Aufgabe sei, der Welt Freiheit zu bringen: Keiner erwähnte Guantánamo Bay, Abu Ghraib oder die Deportation von Terrorverdächtigen in folternde Drittländer, um sie dort verhören zu lassen : „Herr Gouverneur, Sie sagen das Gleiche wie wir, aber Sie sagen es lauter“, sagte Obama. Ein guter Spruch – bloß sprach er damit auch das Urteil über sich selbst.

Romney herabzusetzen, das war das Ziel von Sätzen wie diesem: „Sie scheinen die Außenpolitik der achtziger, die Sozialpolitik der fünfziger und die Wirtschaftspolitik der zwanziger Jahre wieder einführen zu wollen.“ Als Romney anprangerte, dass die US-Marine heute weniger Schiffe habe als 1916, entgegnete Obama: „Wir haben auch weniger Pferde und Bajonette.“ Obama musste es bei diesem Auftritt gelingen, seinen Herausforderer als unerfahrenen Opportunisten erscheinen zu lassen und ihm die Möglichkeit zu nehmen, die Wähler zu erreichen. Ihn stattdessen vor deren Augen versinken zu lassen. Der Präsident versprach „Stärke und Beständigkeit“ statt „falschem und rücksichtslosem“ Handeln und stellte seinen Kontrahenten bei jeder Gelegenheit als Wendehals dar.

Rechts bleibt kein Platz

Romney hatte eine schwierigere Aufgabe. Das Rennen wird enger – bis zum Wahltag sind es nur noch zwei Wochen. Der Republikaner musste es schaffen, dass die Amerikaner sich ihn als Präsidenten vorstellen können. Sein Problem dabei: Außenpolitisch lässt Obama rechts keinen Platz mehr. Romney hätte sich nur in Szene setzen können wie Herman Cain, der wahrscheinlich Ubeki-beki-beki-beki-stan-stan bombardieren würde, wenn er wüsste, wo es liegt. Und so wandelte sich der Herausforderer nach einem Monat, in dem er immer wieder seine Positionen änderte, Tatsachen verdrehte und Fragen auswich, gar noch zum Pazifisten. „Wir können uns aus diesem Schlamassel nicht raustöten“, ließ er hören. Für diese plausible Aussage wäre er bei den Vorwahlen seiner Partei von der Bühne gebuht worden.

Romney sprach über Frieden und Demokratie, als sei es nie um etwas anderes gegangen und als wären Amerikas wohlwollende Instinkte bloß von einem aus dem Nichts auftauchendem Wind vom Kurs abgebracht worden. Auf Obamas Attacken regierte er, als seien sie unter seinem Niveau: „Mich anzugreifen, stellt noch keine Agenda dar“, konterte er einmal, und ein anderes Mal hielt er dagegen, er hätte wenigstens „eine Politik für die Zukunft.“

Romney war nicht überzeugend und Obamas Rüffel waren nicht nur gut einstudiert, sondern saßen auch. Letztlich ging der Präsident deshalb als der Überlegenere aus diesem dritten TV-Duell hervor. Dennoch wird er kaum noch Wähler umgestimmt oder Unentschiedene für sich gewonnen haben.

Sobald sich auch nur der Hauch einer Gelegenheit bot, versuchten beide Kandidaten, die Diskussion auf das zentrale Wahlkampfthema Wirtschaft zu lenken. Der Zuschauer konnte durchaus den Eindruck gewinnen, in den Antworten auf die Fragen zum Iran, zu Afghanistan, dem Nahem Osten, Irak oder China sei es um Obamacare, Bildungsreform, Steuersätze und -Schlupflöcher gegangen.

Die Debatte war die letzte große öffentlich Inszenierung dieses Wahlkampfs. Nach den Vorwahlen, Parteitagen und den beiden ersten Fernseh-Runden können die Kandidaten ab jetzt nur noch an Türen klopfen, telefonieren und Wähler treffen. An der Basis und im Landesinneren geht es noch um alles. Auf den Podien und in den Spinrooms ist der Wahlkampf gelaufen.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Gary Younge | The Guardian

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