Vermutlich hatten Sie mit „New Work“ schon zu tun, selbst wenn sie den Begriff nicht kennen. Das ist nämlich gerade das ganz große Ding. Schon vor Wochen, als Google noch Trefferzahlen zeigte, belief sich der Tsunami an satire-nahem Visionsvokabular à la „Zukunft“, „Kreativität“, „Inspiration“ und „Megatrend“ auf eine zwölfstellige Zahl; weit vorn auch die „Denkfabrik“ des Arbeitsministeriums. Ihr spontanes Misstrauen täuscht nicht: Schwärmen „Berater“ von New Work oder propagieren Vorgesetzte „agiles Arbeiten”, geht es bestenfalls um eine rhetorische Lohnersatzleistung im Ringen um rare Fachkräfte: Heiße statt harter Münze. Im schlechteren Fall
;e statt harter Münze. Im schlechteren Fall will man Druck und Kosten auf Beschäftige abwälzen.Aber googeln wir weiter. Hochprominent ist offenbar die Kombi „New Work“ und „Paradigmenwechsel“ – auch so ein entleertes Buzzword. Was wir finden, klingt nach KI und wird bald tatsächlich von Wording-Maschinen fabriziert worden sein. Doch „paradigmatisch“ ist New Work tatsächlich: für den Megatrend, dass einst alternative oder progressive Ansätze zur Reform der Arbeit solange durchgenudelt werden, bis sie vielfach interpretierbare Hülsen sind, die genau wegen ihrer Leere bestens als Ware funktionieren: Jede Agentur kann ihr eigenes „Konzept“ verkaufen.Effizienz statt MarxUnd das ist wieder nur der günstige Fall einer solchen Vereinnahmung alternativer Modelle durch genau das, wozu sie eine Alternative sein sollten. Den ungünstigen Fall kann man anhand des Regimes der „Projekte“ besichtigen – früher ging es dabei um selbstbestimmtes „Leben und Arbeiten“ an einer am Ende guten Sache, heute eher um die Aushebelung des Feierabends. Auch „flache Hierarchien“ werden heute hauptsächlich hinsichtlich von „Effektivität“ und Kosten diskutiert, nicht mit Blick auf Würde im Job. Auf der Kippe steht momentan wohl das „Empowerment“: zwischen einerseits kollektiver Ermächtigung von diskriminierten Minderheiten gegen die Strukturen der Arbeitswelt – und andererseits einem individuellen Werkzeugkasten, mit dem man besser darin klarkomme und nützliche Synergien freizusetzen helfe.So gesehen ist der Hype um das New-Work-Label fast spät dran. Das verwundert zunächst, hatte doch schon sein Begründer – der amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann – Sprüche drauf, die mehr nach Marketing denn Gesellschaftsreform klangen: Ab 1984 sprach sein „Center for New Work“ von „Arbeit, die man wirklich, wirklich will“, vom „Gold in den Köpfen“ und, na klar, der „Ökonomie des 21. Jahrhunderts“.Alte Schule: Trigema-Patriarch Wolfgang Grupp hält nichts von HomeofficeVielleicht bremste es den Hype, dass es um Flint in Michigan ging, die kaputte Ex-Auto-Stadt, die bis heute als postindustrielle Dystopie auf Netflix trendet. Vielleicht zitierte er neben Hannah Arendt und André Gorz zu viel Karl Marx – oder waren seine konkreten Ideen zu radikal, etwa ein Grundeinkommen, das Gemeinschaftsarbeit möglich machen sollte oder Selbstversorgung auf hohem Niveau.Jedenfalls wurde Bergmanns Projekt 1986 eingestellt – wonach sein Label in akademischen Debatten über das damals als ausgemacht geltende „Ende der Arbeitsgesellschaft” um so strahlender reüssieren konnte, übrigens auch in „Konzepten“ für das deindustrialisierte Ostdeutschland. Doch umgesetzt wurde wiederum so gut wie nichts. So ist New Work in der „Zukunftsforschung“ angekommen, die sich ja zusehends der Beraterszene nähert. Nach der Pandemie mit ihrem Home-Office-Boom beschreibt das Label hauptsächlich Szenarien zur Eingliederung von Heimarbeit. Klar: Das kann die sogenannte Work-Life-Balance verbessern, was Oldschool-Patriarchen wie Wolfgang Grupp von Trigema triggert: „Wer von zuhause arbeitet, ist nicht wichtig“. Smartere New-School-CEOs könnten freilich auch auf den Gedanken kommen, dass Heimarbeit Unternehmen der lästigen Pflicht entbindet, gesetzeskonforme Arbeitsplätze zu stellen.„Arbeit, die man wirklich, wirklich will?“ Her damit! Aber offensichtlich ist zunächst viel Bullshit wegzuschaufeln. Wir googeln ein letztes Mal – und finden gleich die Seite „new-work-bullshit“. Aber ach: Es handelt sich gar nicht um Kritik, sondern wieder nur um Werbung für ein weiteres Unternehmensführungskonzept. Wir klappen den Computer zu. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, auch wenn wir von wohl vorn beginnen müssen bei der Suche nach einer humanen Arbeitswelt.