Manche Bosse in den USA verdienen mehr als hundertmal so viel wie Arbeiterinnen und Arbeiter, als sei es ein Naturgesetz. Der demokratische Senator Bernie Sanders beklagt das seit Jahren. Wirtschaftsforscher mahnen, das sei nicht gut für das Wohlergehen der Nation. Nun geschieht etwas. Die Automobilarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UWA) bestreikt seit Mitte September die drei großen Hersteller General Motors (GM), Ford und Stellantis, den Mutterkonzern von Chrysler.
Der Streik zwingt die Politik zur Antwort auf die Frage im Gewerkschaftslied der 1930er-Jahre: „Which side are you on?“ (Auf welcher Seite stehst du?). Aus Medien dröhnen Warnungen vor wirtschaftlichem Schaden durch den Ausstand, der eine Wiederwahl Joe Bidens gefährde. Das Weiße Haus
en USA verdienen mehr als hundertmal so viel wie Arbeiterinnen und Arbeiter, als sei es ein Naturgesetz. Der demokratische Senator Bernie Sanders beklagt das seit Jahren. Wirtschaftsforscher mahnen, das sei nicht gut für das Wohlergehen der Nation. Nun geschieht etwas. Die Automobilarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UWA) bestreikt seit Mitte September die drei großen Hersteller General Motors (GM), Ford und Stellantis, den Mutterkonzern von Chrysler.Der Streik zwingt die Politik zur Antwort auf die Frage im Gewerkschaftslied der 1930er-Jahre: „Which side are you on?“ (Auf welcher Seite stehst du?). Aus Medien dröhnen Warnungen vor wirtschaftlichem Schaden durch den Ausstand, der eine Wiederwahl Joe Bidens gefährde. Das WeiXX-replace-me-XXX223;e Haus sprach anfangs von Tarifverhandlungen, die man unterstützen wolle, möglicherweise mit Verbindungsleuten vor Ort. Die UAW war davon augenscheinlich nicht begeistert.Joe Biden bei General Motors in MichiganAlso reiste Biden selbst zu Streikenden, um sie vor der Willow-Run-Lagerhalle für Autoteile in Michigan, einer Filiale von GM, zu treffen. Es war ein für diesen Präsidenten radikales Statement und klares Signal, dass er die von Republikanern umworbene weiße Arbeiterschicht im Rostgürtel nicht Donald Trump überlassen will. Der Autoindustrie gehe es „unglaublich gut“, sprach Biden ins Megafon. „Und ratet mal – auch Ihnen sollte es unglaublich gut gehen. Das ist doch ganz einfach!“Die UAW verlangt rund 40 Prozent mehr Lohn im Laufe von vier Jahren, dazu eine stark verkürzte Arbeitswoche, jedes Jahr inflationsbedingte Lohnerhöhungen und Arbeitsplatzsicherheit beim Umstellen auf Elektrofahrzeuge. Der vor wenigen Monaten gewählte UAW-Präsident Shawn Fain hat die Lage so zusammengefasst. „Der Preis für Neuwagen ist in den vergangenen vier Jahren um 35 Prozent gestiegen. Die Gehälter der CEO gingen um 40 Prozent nach oben. Unsere Löhne wurden dagegen weniger.“General-Motors-CEO Mary Barra verdiente im Vorjahr 29 Millionen Dollar, Jim Farley bei Ford 21 Millionen und Carlos Tavares bei Stellantis gut 25 Millionen, rechnet die Detroit Free Press vor. Shawn Fain, einst Elektriker in einem Chrysler-Werk, erinnert an eine Zeit, da Jobs in der Autoindustrie das Ticket zur Mittelklasse waren. Seine Großmutter sei während der Depression in den 1930ern in einem Waisenhaus aufgewachsen, weil deren Eltern kein Geld hatten. Später reihten sich seine Großeltern in die Millionen Familien ein, „die in den Mittleren Westen gekommen sind, um für die Autofirmen zu arbeiten, auf der Suche nach einem besseren Leben“. Er habe immer den Lohnzettel seines Großvaters dabei und die Bibel seiner Großmutter.Wie Shawn Fain die Bibel liestFain liest die Bibel anders als die Evangelikalen, die in der Republikanischen Partei mächtige rechtschristliche Bewegung, die Abtreibung verbieten will und sich über Transmenschen erregt. Der Gewerkschaftsboss zitiert aus dem Matthäus-Evangelium, dass ein Kamel eher durch ein Nadelöhr komme als ein Reicher in das Königreich Gottes. Denn dort gebe es keine Habgierigen, während andere hungern, ist Fain überzeugt. Und dann: „By any means necessary“ – mit allen notwendigen Mitteln – werde die UAW kämpfen. Mit diesem Slogan hat Anfang der 1960er-Jahre der schwarze Revolutionär Malcolm X die Dringlichkeit der Befreiung beschrieben.Rund 150.000 UAW-Mitglieder arbeiten bei den großen drei Automobilherstellern. Die Streikenden testen, ob sie nur Gast waren in der Mittelklasse zu den relativ guten Zeiten, bevor 2008 und 2009 die Misere einsetzte. Seinerzeit wurden die vor einem möglichen Konkurs stehenden GM und Chrysler von der Regierung gerettet, während die UAW riesige Zugeständnisse machte, beispielsweise niedrigere Löhne für Neueingestellte schluckte.Wo Donald Trump gegen Hillary Clinton gewannEx-Präsident Trump machte sich ebenfalls auf den Weg nach Michigan. Bei seinem Wahlsieg 2016 hatte er dort gegen die Demokratin Hillary Clinton gewonnen, auch mit dem Appell an die Arbeiter: „Wir werden die Automobilindustrie nach Michigan zurückbringen. Ihr seid schlecht behandelt worden. Sie werden euch eure Jobs nicht länger wegnehmen. Sie werden uns nicht länger wehtun können“, versprach der Kandidat damals.Zu patriotischen Liedern machte Trump nun vor Tagen in einem Werk nahe Detroit Angst: „Jetzt wollen sie alles auf elektrisch umstellen und Sie beiseite schieben!“ Er habe „alles riskiert, um die Arbeiterklasse gegen die korrupte politische Klasse zu verteidigen“. Er trete für eine „Erneuerung des wirtschaftliche Nationalismus“ ein, Biden dagegen sei für „ultralinken Globalismus“.Mercedes Benz produziert im Süden der USADonald Trump hat es besonders auf die Elektroautos abgesehen. In drei Jahren werde es gar keine UAW mehr geben, „weil alle diese Elektroautos in China hergestellt werden“, prophezeit er in einem Interview mit dem Sender NBC. Viele Anhänger sind ihm treu geblieben, obwohl seine Versprechen von der blühenden Autoindustrie ins Leere gelaufen sind. Man gibt ungern zu, belogen worden zu sein. China dürfte das kleinere Problem sein für die UAW. Ausländische Autofirmen von Mercedes Benz bis Hyundai betreiben Fabriken im Süden der Vereinigten Staaten, wo sie ohne Gewerkschaften produzieren. Shawn Fain hat betont, dass von den Zielen des Streiks die gesamte Arbeiterklasse profitieren werde. Ein guter Tarifvertrag, wie der jüngst mit dem Paketzusteller UPS geschlossene, würde Arbeiter davon überzeugen, dass eine Gewerkschaft eine gute Sache sei.Doch selbst wenn die UAW gewinnt, bleibt es schwierig für Gewerkschaften wie sie. Um mit der Bibel zu kommen wie Shawn Fain: Die Botschaft kann auch auf steinigen Boden fallen. Laut US-Arbeitsministerium ist der Prozentsatz der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer seit 1983 landesweit von 20,1 Prozent auf 10,1 Prozent im Jahr 2022 zurückgegangen. Zudem erschweren Gesetze eine gewerkschaftliche Organisierung. Eine dominante soziale Kultur betont das Ich und nicht das Wir. Bei Tesla etwa gibt es in den USA gar keine Gewerkschaften.