Philosophin Isolde Charim: „Narzisstische Funktionsweisen sind in den Alltag eingegangen“

Interview Wie tief ist der Narzissmus in unseren Alltag eingedrungen? Ist er wirklich das Signum unserer Epoche? Ja, sagt die Wiener Philosophin Isolde Charim, ihr Kollege Konrad Paul Liessmann kann das so nicht stehen lassen
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 40/2023
Philosophin Isolde Charim: „Narzisstische Funktionsweisen sind in den Alltag eingegangen“

Illustration: der Freitag; Fotos: privat/Paul Zsolny Verlag, Arman Rastegar

Für ihr Buch Die Qualen des Narzissmus wurde Isolde Charim mit dem Tractatus-Preis für philosophische Essayistik ausgezeichnet, der beim Philosophicum in Lech verliehen wird. Dort diskutierte Jörg Phil Friedrich für den Freitag mit ihr und dem Leiter der Tagung, Konrad Paul Liessmann, über den allgegenwärtigen Narzissmus.

der Freitag: Sind auch wir, die wir hier sitzen, Narzissten?

Isolde Charim: Ihre Frage suggeriert: Sind wir furchtbare Egozentriker? Das ist nicht mein Punkt. Man kann nicht sagen, dass wir alle Narzissten sind. Aber wir leben in gesellschaftlichen Verhältnissen, die es uns abverlangen, narzisstisch zu agieren.

Nehmen wir eine alleinerziehende Frau, die auf Sozialleistungen angewiesen ist und Tag für Tag die Herausforderungen des Allta