Die Kontroverse um das Konzert-Verbot der Stiftung Bauhaus Dessau für die Band "Feine Sahne Fischfilet" könnte eine Provinzposse sein – wenn es nicht um eine international renommierte Institution ginge und darum, dass Nazipöbler mit staatlicher Unterstützung einmal mehr einen Erfolg landen konnten. Vielleicht geht es auch um nicht weniger als die Selbstaufgabe der sogenannten "demokratischen Mitte".
Im Jahr 1933 wurde das Bauhaus, damals nur noch als private Einrichtung in Berlin zuhause, von den Nationalsozialisten gezwungen, sich aufzulösen. Zuvor war es 1925 von rechten politischen Kräften aus Thüringen bereits nach Dessau vertrieben worden, wo es als staatlich anerkannte Hochschule bis 1932 für kurze Zeit eine neue Bleibe fand. Dann war auch im damaligen Anhalt Schluss.
Nun, heute, 2018, beugt sich eine Nachfolgerin der berühmten Kunst(gewerbe)schule, die Stiftung Bauhaus Dessau, offenbar wieder – und diesmal ganz ohne Not – dem Druck von Rechts und verbietet ein Konzert der nicht nur in antifaschistischen Kreisen populären Band „Feine Sahne Fischfilet“ auf der Bauhausbühne. Diese wurde seit 2011 für eine ZDF-Konzertreihe vermietet, in der die besagte Rostocker Band auftreten sollte. Sie war zuletzt nach ihrem Auftritt beim "Wir-sind-mehr"-Konzert in Chemnitz aus rechten und konservativen Kreisen heftig angegriffen worden, weil sie zwischen 2012 und 2014 im Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern auftauchte.
Unterstützung fand die Absage wohl in der Magdeburger Staatskanzlei. Deren Chef Rainer Robra (CDU) ist in Personalunion Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Bauhaus Dessau – und Minister für Kultur. Ausgangspunkt der Diskussion um den Auftritt der Punkrock-Band seien „Pöbeleien von Nazis gegen das Konzert“ gewesen, so die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) bei Facebook. Dabei sei auch von „Kulturabschaum“ gesprochen worden. Es folgte heftige Kritik aus CDU und AfD gegen die Veranstaltung. Quade bezeichnet den Vorgang als „unfassbar geschichtsvergessen, bitter und gefährlich“. Der grüne Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel spricht von „Wahnsinn, was da bei Bauhaus passiert“ und sieht die Kunstfreiheit in Gefahr. Man solle doch nicht die Konzerte verbieten, gegen die Nazis mit Aufmärschen drohen, sondern die Nazi-Aufmärsche selbst.
Die Signale der Konzertabsage sind fatal: Erstens machen CDU und AfD in Sachsen-Anhalt einmal mehr gemeinsame Sache. Ja, die CDU und deren Minister vollziehen die Position der extrem Rechten mittlerweile in einer Manier, als hätten sie nur darauf gewartet, dass jemand ihre heimlichen Träume offen ausspricht. Zuletzt hatten beide Parteien den Verein Miteinander e.V. attackiert, der sich für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft einsetzt, und zuvor bereits unter fadenscheinigen Gründen eine Kommission im Landtag zur Untersuchung des Linksextremismus in Sachsen-Anhalt eingesetzt. Und zweitens: Die Staatskanzlei hat dem Druck von weit Rechts ausgerechnet über jene international angesehene Kulturinstitution Recht gegeben, die zuvor schon dreimal, in Weimar und Dessau und Berlin, der rechten Ideologie und Repression zum Opfer gefallen war.
1931 forderte die NSDAP, damals bereits stärkste Fraktion im Dessauer Kommunalparlament, eine „sofortige Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus“. Ein Jahr später legte sie mit der Forderung nach einem Abbruch des Gebäudes nach. Beides konnte jeweils nur knapp verhindert werden. Doch am 22. August 1932 „wird im Dessauer Gemeinderat der Antrag der NSDAP, den Lehrbetrieb des Bauhauses zum 1. Oktober einzustellen, mit 20 gegen 5 Stimmen der KPD und des Oberbürgermeisters Hesse angenommen. Die Mitglieder der SPD, die das Bauhaus bis dahin politisch entscheidend mitgetragen hatte, enthalten sich der Stimme.“ Ein Liberaler und fünf Kommunisten standen dem Bauhaus damals nur noch zur Seite. Nach der kurzen Zwischenstation Berlin blieb für viele Bauhaus-Vertreter*innen wie Walter Gropius schließlich nur noch das Exil. Andere, wie der Kommunist und Designer Franz Ehrlich, kamen ins Konzentrationslager. Einige, wie die Textilkünstlerin Otti Berger, wurden dort ermordet.
In einem vor diesem Hintergrund haarsträubenden Statement zum Konzert-Verbot macht sich das Dessauer Bauhaus eine Presseerklärung des staatlichen Bauhauses Weimar vom 29. Januar 1920 zu eigen. Darin heißt es „dass jede politische Tätigkeit im Bauhaus von jeher untersagt war“. Zur Erinnerung: Fünf Jahre später musste diese Einrichtung auf Druck von Rechts schließen. Gleichzeitig schreiben die heutigen Bauhaus-Vertreter*innen in Dessau, dass politisch extreme Positionen, „ob von rechts, links oder andere“ am Bauhaus Dessau keine Plattform fänden, „da diese die demokratische Gesellschaft – auf der auch das historische Bauhaus beruht – spalten und damit gefährden“ würden.
Der Widerspruch zwischen beiden Aussagen kann größer nicht sein. Ja, diese Aussagen und ihre Kombination sind historisch, politisch und gesellschaftspolitisch bestenfalls als ahnungslos zu bezeichnen. Denn wer für eine demokratische Gesellschaft Partei ergreifen will, kann nicht unpolitisch sein. Wer eine demokratische Gesellschaft als Grundlage seiner Existenz versteht, der braucht auch eine Kultur, die für eine eben solche Gesellschaft Stellung bezieht. Mit dem Konzert-Verbot gegen eine als links geltende Band beziehen die Stiftung Bauhaus Dessau bzw. die Staatskanzlei und der Kultur-Minister jedoch Stellung für eine autoritäre Gesellschaft, in der Kunst und Kultur einer Staatsdoktrin folgen – wie es zum Beispiel die AfD Sachsen-Anhalt in ihrem Wahlprogramm für die letzte Landtagswahl forderte. Mit dieser Aktion bleibt das Bauhaus also nicht politisch neutral, sondern zieht sich mit der Unterstützung seiner ideologischen Feinde einen Teil des Bodens der eigenen Existenz unter den Füßen weg.
Die neuen Nazis wird es freuen: Einmal mehr haben sie ihren Willen bekommen mit ein bisschen Geschrei und Gepöbel. Die demokratische Gesellschaft, die das Bauhaus nach eigenen Angaben erhalten will, gibt sich wieder etwas mehr selbst auf. Diesen Schaden wird auch die Kultur zu spüren haben, und dies, wie zu sehen ist, nicht erst dann, wenn Geschrei und Gepöbel in Parlamenten Mehrheiten erhalten – wie am 22. August 1932 im Dessauer Stadtrat.
Der Beitrag erschien zuerst im Transit Magazin.
Kommentare 10
Guter Artikel mit den richtigen historischen Verweisen. Es ist frappierend, wie zwanghaft historische Fehler wiederholt werden. Die Verantwortlichen in der Stiftung Bauhaus haben sich nicht nur als politisch "denkende" Menschen, sondern auch als vermeintliche Fachleute für Gestaltung und ihre Geschichte disqualifiziert. Die Geschichte iher eigenen Institution scheint ihnen unbekannt zu sein. Das Bauhaus war vor 1933 seit Jahren den Rechtskonservativen, den deutschnationalen, antisemitischen Leitkulturhütern und den Faschisten ein Dorn im Auge. Der kommunistische Bauhaus-Direktor Hannes Meyer, der als neuen Leitspruch des Bauhauses ab 1928 den Slogan "Volksbedarf statt Luxusbedarf" herausgegeben hatte, ist bereits 1930 wieder entlassen worden. Luxusbedarf ist eben nicht systemgefährdend. Jahrzehte später sorgte Magdeburg wieder für einen Rauswurf : Stiftungsdirektor Philipp Oswalt musste 2013 gehen, man wollte ihn nicht mehr. Das Einknicken hat eine lange Tradition. Wenn die AfD in Sachsen-Anhalt an die Macht kommt, werden sie das Bauhaus sicherlich noch dulden - als Taditionspflegeverein. Vielleicht reicht denen im Haus das ja.
CDU und AfD im gemeinsamen Einsatz gegen entartete Kunst.
Kuntz, alter fascista, ob die das hier merken, dass du das wörtlich und zustimmend meinst - sowohl in Bezug auf eine Kapelle wie Feine Sahne Fischfilet als auch gegen das Bauhaus?
"striker" heißt ja auch nicht: "schleicher", sondern "stürmer"!
Ich brauche keine rechts- und keine linksextrem ausgerichtete Band im Bauhaus. Insoweit ist die Entscheidung der Verantwortlichen in Ordnung und basiert rein rechtlich auf seinem Hausrecht. Das Bauhaus wird wohl auch keinen Konzertauftritt einer rechtextremistischen Band gestatten, auch wenn das ZDF als Veranstalter der Konzertreihe dies vom Bauhaus wünschte, was wohl auch nicht vom ZDF zu erwarten wäre. Ich nehme auch mal an, daß das Bauhaus mehr aus der Geschichte gelernt hat, als hier geschrieben wird. Auseinandersetzungen, die wie in der Weimarer Republik in militanten Exessen geendet haben, können wir nun wirklich nicht auch noch gebrauchen.
Nebenbei, zum Glück gehen einige Textstellen der Band Feine Sahne... in der lauten Begleitmusik unter. Oder doch besser, einige Zuhörer würden mal genauer hinhören.
Wieso wird die freie Nutzung des Hausrechtes als "Kapitulation vor rechts" interpretiert?
“Ich brauche keine rechts- und keine linksextrem ausgerichtete Band im Bauhaus.“
Ich hoffe doch nicht, dass für das Bauhaus, oder welche öffentliche Institution auch immer, künftig maßgebend ist, was Sie brauchen. 😉
Ich habe weder hochherrschaftlich "Wir" noch "Sie" geschrieben. Nur "Meine Meinung" zum Ausdruck gebracht und das ist doch wohl noch im Freitag erlaubt. Sie dürfen aber gern substanziell etwas zum Thema beitragen, sonst ist es schade um Ihre Bits und Bytes hier im Äther.
Sie haben "ich brauche" geschrieben. Das habe ich, freilich etwas spitz, aufgespießt. Denn es kann und darf im Falle öffentlicher Einrichtungen nicht um den Geschmack Einzelner gehen. Aber natürlich dürfen Sie schreiben, dass Ihnen dies oder das im Bauhaus, oder wo auch immer, nicht gefallen würde. Dagegen habe ich doch gar nichts gesagt. Wer wäre ich denn, Ihnen das verbieten zu wollen oder gar zu können?
Hier vermissen einige scheinbar die Gewaltaufrufe gegen die Polizei und Vergewaltigungsaufrufe gegen Eva Herrman. Vielleicht stellt der Bundespräsident ja ein Schloss zur Verfügung. Er ht ja gesagt er sei Fan der Texte.
Dem gleichen Schwachsinnsmuster folgt die Argumentation, dass man mit Feine Sahne Fischfilet sympathisieren müsste, nur weil sie sich gegen Rechtsextremismus positionieren.
Muss man jetzt bei jeder Kritik an linken auch gleichzeitig beteuern das man auch rechts ablehnt?
Na ja, wenn ich "Feine Sahne Fischfilet" einlade, ist das ja vor allem ein politisches Statement. Nichts gegen die Band, aber ihre Musik hätte nicht die Bedeutung, wenn es deren politische Positionierung nicht gäbe.
Kunst kann nur ohne Politik gelingen.
Man sollte diese Musik nicht verbieten, aber man sollte auch nicht undifferenziert einfordern, dass ein Verein wie die Stiftung Bauhaus eine solche Band bei sich dulden muss.