Karl Lauterbach stellt Entwurf für seine Krankenhausreform vor: Herzflimmern in Groß-Gerau
Gesundheitspolitik Karl Lauterbach hat einen Entwurf für seine Krankenhausreform vorgelegt. Die Kritik an dem Konzept ist laut. Eine Klinik in Hessen hat den Gesundheitsminister sogar auf Schadenersatz verklagt
Der Bundesgesundheitsminister will dann auch bald gefechtsbereit sein
Foto: Christophe Gateau/dpa
Die Kriegstrommeln werden nicht nur im Verteidigungsministerium gerührt. Schützenhilfe erhält Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) inzwischen auch von Fraktionskollegen wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er wolle das Gesundheitswesen, ließ er kürzlich verlauten, nicht nur gegen neuerliche Pandemien wappnen, sondern auch für Krisen und militärische Konflikte wie „den militärischen Bündnisfall“.
Für den Sommer kündigte er einen entsprechenden Gesetzesentwurf an, in dem es darum gehe, ein „tägliches Lagebild“ über die Kapazitäten zu erhalten. Hat der Minister eigentlich noch einen Überblick über seine Gesetzesinitiativen, die irgendwo im parlamentarischen Verfahren hängen u
n werden nicht nur im Verteidigungsministerium gerührt. Schützenhilfe erhält Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) inzwischen auch von Fraktionskollegen wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er wolle das Gesundheitswesen, ließ er kürzlich verlauten, nicht nur gegen neuerliche Pandemien wappnen, sondern auch für Krisen und militärische Konflikte wie „den militärischen Bündnisfall“.Für den Sommer kündigte er einen entsprechenden Gesetzesentwurf an, in dem es darum gehe, ein „tägliches Lagebild“ über die Kapazitäten zu erhalten. Hat der Minister eigentlich noch einen Überblick über seine Gesetzesinitiativen, die irgendwo im parlamentarischen Verfahren hXX-replace-me-XXX228;ngen und dahindümpeln? Die wichtigste davon ist wohl die in vier Teilprojekte zerlegte Krankenhausreform, die eigentlich längst auf dem „Vormarsch“ sein sollte, am Widerstand der Länder jedoch ins Stocken geraten ist. Dieser „Bündnisfall“ sieht noch immer nicht nach Erfolg aus. Um rhetorisch aber schon mal zu üben, sprach Lauterbach, als er seinen Referentenentwurf vorstellte, von einer „Gefechtslage“, bei der es um sehr viel Geld gehe. Lange mussten die Länder warten. Dann erfuhren sie – nicht das erste Mal in dieser Sache – aus der Presse, was sie erwartet. „Absolut unprofessionell“, monierte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Nach langen Querelen hatten sich die Beteiligten im Vermittlungsausschuss über das umstrittene Transparenzgesetz geeinigt und dem Minister dafür mündliche Zusagen bei der Finanzierung der Kliniken abgerungen. Doch was sie nun im Entwurf lesen, dürfte nicht nach ihrem Geschmack sein.Konzentration auf MaximalversorgerAn den im vergangenen Jahr ausgehandelten Eckpunkten der Klinikreform ändert sich wenig. Lauterbach ist nach wie vor davon überzeugt, dass es zu viele Häuser gibt, die Behandlungen auf qualitativ niedrigem Niveau durchführen, und will diese deshalb auf besonders gut ausgestattete Einrichtungen (Maximalversorger wie Universitätskliniken) konzentrieren. Lauterbach behauptet, die bisherigen Verhältnisse hätten zu einer erhöhten Morbidität und Sterblichkeit in der Bevölkerung geführt und zu höheren Kosten, außerdem müsse das knappe Personal besser verteilt werden. Die nicht maximal versorgenden Häuser werden nun nach und nach einem bestimmten „Level“ – das nicht mehr so heißt, in der Sache aber bestehen bleibt – zugeordnet. Je nach ihrer Leistung – aufgefächert in 65 Leistungsgruppen – bieten sie Grund- oder Regelversorgung an.Um dem bisherigen Anreiz, lukrative, aber möglicherweise nicht notwendige Operationen durchzuführen, entgegenzuwirken, wird das System der Fallpauschalen aufgeweicht. Die Häuser werden regelhaft und unabhängig von Fallzahlen mit 60 Prozent – davon 20 Prozent für die Pflege – über Vorhaltepauschalen finanziert, den Rest müssen sie selbst erwirtschaften. Bei bestimmten Fachabteilungen wie etwa Geburtshilfe, Pädiatrie, Intensiv- und Notfallmedizin fällt die Pauschale höher aus.Zoff über die FinanzierungDie Krux dabei ist, dass die Krankenhäuser, um überhaupt bestimmte Leistungsgruppen zu ergattern, in einem komplizierten Verfahren ihre Qualität – und hier unter anderem durch die Zahl der Behandlungen – nachweisen müssen. Experten sind sich einig, dass dabei viele kleinere Häuser auf der Strecke bleiben werden oder höchstens als sektorenübergreifende Versorger in enger Kooperation mit dem ambulanten Bereich überleben können. Nur in ländlichen Gebieten soll es Ausnahmen geben, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.Krankenhäuser, die etwa internistische und chirurgische Leistungen vorhalten, sollen in 30 Pkw-Minuten erreichbar sein, bei allen übrigen Leistungsgruppen 40 Minuten. Doch eine gerade veröffentlichte Studie des „Bündnis Klinikrettung“ weist am Beispiel von 66 seit 2020 geschlossenen Kliniken eindrucksvoll nach, wie leer diese Versprechungen sind. Die Modelle integrierter Versorgung funktionieren nicht oder nur begrenzt, für die Notfall- und geburtsmedizinische Versorgung gibt es in vielen Fällen kein hinreichendes Ersatzangebot, die betroffene Bevölkerung muss längere Wege in Kauf nehmen. Das Fazit der Hochrechnung: Würden die 360 von Lauterbach avisierten Krankenhäuser geschlossen werden, gäbe es für 300 keinen Ersatz, so Rainer Neef bei der Vorstellung der Studie.Politischen Zoff gibt es aber vor allem über die Finanzierung der Reform.Im Vermittlungsausschuss wurde Lauterbach, wie gesagt, die Zusage abgerungen, die Liquidität der vielfach inflationsgeschüttelten Kliniken kurzfristig zu erhöhen und die Reform mittelfristig durch einen Transformationsfonds finanziell abzusichern. Ursprünglich sollte der Fonds in gleichen Teilen von Bund, Ländern und der Gesetzlichen Krankenkasse gefüllt werden. Im Referentenentwurf liest sich das nun völlig anders. Die über zehn Jahre mit 50 Milliarden Euro zu bestückende Reserve soll nach Willen des Ministers nun hälftig von den Ländern und der GKV, also den gesetzlich Versicherten, getragen werden. Außerdem sollen die Gelder erst ab 2026 fließen, was Kliniken weiter in die Insolvenz treibt. Lediglich bei der Anhebung des „Landesbasisfallwertes“, das ist eine kalkulatorische Zahl, nach der die Fallpauschalen abgerechnet werden, macht Lauterbach ein Zugeständnis. Nicht nur die Länder, denen man immerhin vorhalten kann, dass sie jahrzehntelang viel zu wenig in ihre Krankenhäuser investiert haben, sind aufgescheucht. Auch die GKV, für die Lauterbach schon 2024 mit Mehrkosten in „mittlerer dreistelliger Millionenhöhe“ kalkuliert und die zusätzlich jährlich 2,5 Milliarden Euro in den Fonds einzahlen müsste, reagiert entsetzt.Denn die im Entwurf unterstellten „Effizienzgewinne“ von bis zu einer halben Million jährlich sind weder nachgewiesen, noch würden sie ausreichen, um die zusätzlichen Ausgaben zu decken. Zumal sich neben dem Bund auch die PKV nicht an den Kosten des Krankenhausumbaus beteiligt, wie AOK-Chefin Carola Reimann (SPD) kritisiert. Die Last werde alleine den gesetzlich Versicherten aufgehalst. Die GKV hat für das Jahr 2023 gerade ein Defizit von 19 Milliarden Euro ausgewiesen.Mehrere Krankenhäuser fordern Schadensersatz in MillionenhöheIn den Reihen der SPD wird dieses Finanzierungsmodell nicht ohne Aufstoßen goutiert werden, vor allem, weil sich hier wie überall wieder einmal Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchgesetzt zu haben scheint. Auch in den Kliniken rumort es. Als erstes Krankenhaus hat die Kreisklinik Groß-Gerau den Gesundheitsminister auf Schadensersatz von 1,7 Millionen Euro verklagt, weil er es versäume, „die auskömmliche Finanzierung von Krankenhäusern als Teil der Daseinsvorsorge zu gewährleisten“, so in einer Mitteilung der Klinik. Auch in Bayern fordern Krankenhäuser Schadensersatz in zweistelliger Millionenhöhe. Mehrere Landeskrankenhausgesellschaften, unter anderem in Thüringen und Niedersachsen, fordern ihre Ministerpräsidenten auf, dem Krankenhaustransparenzgesetz, das am 22. März wieder im Bundesrat verhandelt wird, nicht zuzustimmen.Aber Lauterbach scheint ohnehin nicht mehr willens zu sein, sich seine Krankenhausreform von den unionsgeführten Ländern schreddern zu lassen, und plant ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz, das über Verordnungen von den Ländern exekutiert werden soll. Ob er das als Gesundheitsminister noch erlebt?
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