Blumig schreibt er ja, unser Papst, ganz wie die metaphernreiche Sprache der Bibel. Von stehenden Wassern, die verderben und faulen, wenn sie zu lange stehen, ist die Rede. Steter Fluss macht die Liebe, die wie beim Sauerteig treiben und „austreiben“ muss (Kinderkriegen!). Stillstand jedenfalls sei des Teufels – und damit alles schön fließt, gibt’s morgens einen Kuss und abends, bevor man gemeinsam unter die Decke kriecht, ein paar anerkennende Worte.
Mit Amoris Laetitia – „die Freuden der Liebe“ – hat Papst Franziskus mal wieder so eine Art Brevier vorgelegt für den Umgang mit Ehe, Sexualität und Familie. Für die Katholiken, versteht sich. Die Freuden, das stellt er unmissverständlich klar, sind in der katholischen Kirche nicht ohne Plackerei zu haben, nicht ohne ständigen guten Willen und eine gewisse Portion Selbstlosigkeit. Und schon gar nicht ohne Trauring und den richtigen, also gegengeschlechtlichen Partner. Mann und Frau, das macht immer noch den Stammbaum im Garten Eden.
Über zwei Jahre haben die Synodalen zusammengesessen und die Gemeinden warten lassen. Homo- oder gar Priesterehe? Patchwork-Familien? Barmherzige Wiederaufnahme von Geschiedenen? Viele Hoffnungen hatten sich an das Machtwort des Papstes geknüpft, Hoffnung auf einen energischen Reformschritt, der die katholische Kirche irgendwann doch im 21. Jahrhundert ankommen ließe.
Fortschritt? Fehlanzeige
Aber Fehlanzeige, nichts dergleichen. Obwohl sich der Papst wie ein Wissender in Sachen Liebe zeigt und den Eheberater gibt, bleibt es am Ende bei der engstirnigen katholischen Sexualmoral, bei der Verdammung von Schwulen und Lesben, weil sie „den Plan Gottes“ konterkarieren. Ihnen wird deshalb angedient, sexuell lieber enthaltsam zu leben. Die „Freuden der Liebe“ sind ihnen nicht beschieden.
Und was bei Franziskus politisch oft fortschrittlich daherkommt, seine Sympathie für die Armen, für eine Degrowth-Bewegung und Fragen des Klimaschutzes , wird familienpolitisch reaktionär, wenn er etwa persönliche Selbstverwirklichungsansprüche als „individualistisch“ oder „bequem“ denunziert, die „Abneigung“ und „Aggression“ in den Familien hervorbrächten. In der Frage der geschiedenen Wiederverheirateten allerdings öffnet er zumindest ein winziges Türchen: „In Einzelfällen“ mögen die Geweihten darüber entscheiden, ob sie der Wiederteilnahme an der Kommunion würdig seien. Dann strengt euch mal an, liebe Schäfchen!
Kommentare 10
Sehr geehrte Frau Baureithel,
Ihre Beschwerde über einen Papst, der zu wenig in seiner Organisation verändert ("Fortschritt? Fehlanzeige"), könnte man mit dem Zweifel kommentieren, ob der von Ihnen in Stichworten charakterisierte Fortschritt wirklich ein solcher ist. "Fortschritt" hat sich oft als gefährlich, oder zumindest als Sackgasse, erwiesen. Das ist eine Überlegung. Andererseits ist es sicherlich richtig, dass die Katholische Kirche konservativer als andere ist. Die Evangelischen in der EKD sind mehr am Zeitgeist.
Dass Geschiedene von der Kommunion ausgeschlossen werden, ist eine Willkürentscheidung, für die es keine Begründungen in der Bibel gibt. Von Paulus gibt es Textstellen, nach denen nicht heiraten solle, wer unverheiratet ist, sein Familienleben solle derjenige weiter führen, wer eins hat - aber das war mit Blick aus das in Kürze, noch zu Lebzeiten jedes seiner Zuhörer, zu erwartetene Weltende gesagt. Jesus und Jünger waren (wohl) unverheiratet - aber was sagt das schon?
Die Bibel gibt zu den meisten der in Ihrem Text aufgeworfenen Streitfragen keine eindeutigen Antworten. Diese Punkte sind auch nicht für den Glauben zentral. Die Christen glauben, dass Jesus gekreuzigt wurde und nach drei Tagen aus dem Grab aufstand, und das dies ein Modell für alle Menschen ist: Leben nach dem Tode, im Jenseits.
Ich weiss nicht, ob Sie daran glauben - für die Gläubigen ist das wohl keine Frage. Dieser Verein der Gläubigen, den man Römisch-Katholische Kirche nennt, hat nun bestimmte Regeln, manche davon seit mehr als 1.600 Jahren, manche neueren Datums. Warum soll der "Verein" nicht für seine Vereinsmitglieder festlegen, dass Trauungen nur zwischen Männern und Frauen vollzogen werden? Dieser Vorgang hat ja für das Leben ausserhalb des Katholizismus keine Bedeutung.
Und wenn Priester unverheiratet sein sollen - so what. Wer sich als Priester verliebt, kann ja ausscheiden und zB Religionslehrer oder Sozialarbeiter werden.
Sie erwarten von dem jetzigen Papst, dass er seine fast 2.000 Jahre alte Kirche auf gesellschaftliche Veränderungen trimmt, die gerade mal 50 Jahre oder weniger als Fortschritt gelten. So schnell ist das System aber nie gewesen. Erst die nächsten Generationen werden erfahren, wie es weiter geht.
Die Bibel gibt zu den meisten der in Ihrem Text aufgeworfenen Streitfragen keine eindeutigen Antworten.
Zum Teil schon: schauen Sie mal bei Loth und Sodom & Gomorrha nach. Interessant ist übrigens auch das Angebot, das Loth der Menge Macht, die sich mit den bei ihm weilenden Engeln homoerotisch vergnügen möchte (da kommen sie nie drauf , was er der Menge antwortet ;-). Erläuterung für sonst womöglich aufbrausende Leser: der Text stammt aus der Antike, also einer Zeit, in der Homosexualität eine Tätigkeit und kein Seinszustand war.
Sie erwarten von dem jetzigen Papst, dass er seine fast 2.000 Jahre alte Kirche auf gesellschaftliche Veränderungen trimmt, die gerade mal 50 Jahre oder weniger als Fortschritt gelten.
Es soll ja im Vatikan einen Stempel (sic!) geben mit der Aufschrift "Zur Wiedervorlage in hundert Jahren".
Dem Wort "Fortschritt" werden in der Regel zwei Annahmen zugrunde gelegt: ein Chronozentrismus (wir leben in der besten aller Zeiten) und ein Ethnozentrismus (wir leben in der besten aller Gesellschaften), aus denen gefolgert wird, dass andere Gesellschaften (mit anderen Vorstellungen vom Zusammenleben) sich noch auf "niederen Entwicklungsstufen" befinden, deren Überwindung ein Fortschritt sei.
Ich stimme Ihnen zu, dass der Begriff "Fortschritt" durchaus hinterfragenswert ist. Und das tut ja auch der Papst.
Danke für die Hinweise - Gastfreundschaft ist wichtiger als die "Unversehrtheit" der eigenen Töchter.
Mein Interesse gilt eher dem NT ... nicht ganz soviel Action.
Und enttäuscht doch alle, die gehofft hatten, mit ihm komme die katholische Kirche irgendwann im 21. Jahrhundert an
Es ist unvermeidbar. Menschen, die sich unrealistischen Hoffnungen hingeben, werden enttäuscht.
Barmherzigkeit als oberstes Prinzip?
Die Kath. Kirche ist ein überdimensionierter moralischer Zeigefinger, der Gläubige (auch Andersdenkende) in erster Linie als eine Spezies betrachtet, die reguliert und bestimmt werden muss.
Seit Jahrtausenden wird eine duale Symbiose zischen denjenigen, die privilegiert sind und jenen, die vermeintlich der ewigen Bevormundung bedürfen, gepflegt. Die Einen wähnen sich im Besitz der Offenbarung Gottes und leiten daraus ihre Berechtigung ab, die Anderen, die unmündigen Laien durch ein rigides und sexualfeindliches Regime in der Rolle des ewigen Sünders gefangen zu halten.
Letztere schmachten in Teilen sogar nach solch einem Regelwerk und überhäufen den Papst mit ihren untertänigen Wünschen nach mehr Moderne. Es reicht schon, wenn der Papst auf rote Schuhe verzichtet und sich seine Brille beim Optiker persönlich anmessen lässt. Dann schmelzen ganz viele der so genannten Laien dahin.
Es ist doch ein Witz, dass ein Gremium greiser Männer, das sich selbst mit allen Mitteln Heirat und Partnerschaft verweigert, der Welt erklärt, wie sie Beziehung, Partnerschaft und Sexualität zu gestalten hat und für den Fall der Missachtung Sanktionen definiert.
Die kath. Kirche mit ihren vielen Sachverständigen für Beziehungsfragen geißelte die „Homo-Ehe“ gar als "Niederlage für die Menschheit"! Sie hat völlig die Maßstäbe verloren!
Wenn sich für die Einhaltung des fünften Gebotes so vehement einsetzen würde, wie sie das für die Einhaltung des sechsten Gebotes tut, dann ginge es der Welt besser. Die aber empfing im Vatikan die größten Kriegstreiber der Gegenwart zu Glamour-Empfängen und Spaziergängen in den päpstlichen Gärten (wie George W. Bush und Tony Blair in Privataudienz). So geschehen in den Jahren 2003 bis 2008, also parallel zum Irakkrieg.
Auch die Kirche des Franziskus ist eine elitäre und streng hierarchische Priesterschaft, die vor allen Dingen sanktioniert und Angst schürt und Menschen, die lustvoll ein selbstbestimmtes Leben gestalten möchten, die Kompetenz hierfür abspricht.
In allen höheren religiösen Systemen – ob im Orient oder im Okzident - wird seit jeher Keuschheit und Askese gefordert. Fragt doch spasseshalber einmal bei den Berliner Rosenkreuzern nach, wie die es heute halten. Oder im alten Rom: Die Priesterinnen der Vesta z.B. wurden dort lebendig begraben, wenn sie das Keuschheitsgelübde gebrochen hatten.
Warum also immer auf der Katholischen Kirche herumhacken?
Die Katholische Kirche - der eigenen Meinung nach der höchste der magischen und okkulten Orden - beschwört im Zuge der Eucharistiefeier die leibhaftige Anwesenheit des Christus. Dies wiederum setzt „reine“ Priester voraus, so dass der Christusgeist in einen möglichst reinen Leib eintreten kann – so die Ansicht dieser Okkultisten. Ein durch Sinneslust verunreinigter Körper – das wissen diese Herren genau, zieht aber nur allzu gerne verunreinigte, dunkle Geister an und dies soll durch Keuschheit und Askese tunlichst vermieden werden. Deshalb ist es auch der Katholikin und dem Katholiken, die mit einer „Todsünde“ behaftet sind, verboten den Christusgeist in der Kommunion entgegen zu nehmen.
Natürlich gibt es auch die schwarz magischen Orden, wo Sexualmagie zum Standard gehört, um sich speziell die dunklen Geister dienstbar zu machen. Einem Gerücht zufolge soll es diese Riten auch schon in der Katholischen Kirche gegeben haben. Hinter verschlossenen Türen natürlich.
Also, liebe Karfreitagsjournalisten, informiert euch besser über die Hintergründe. Und hinterfragt euren „Fortschrittsglauben“.
Wenn der Herausgeber des Freitag ein Buch schreibt mit dem Titel „Über das Glück im Freien zu sein“, könnte schon auch einmal überlegt werden, ob es nicht die größte Freiheit bedeutet, bar jeder sinnlichen Lust leben zu können. Oder?
Und was bei Franziskus politisch oft fortschrittlich daherkommt, seine Sympathie für die Armen, für eine Degrowth-Bewegung und Fragen des Klimaschutzes , wird familienpolitisch reaktionär, wenn er etwa persönliche Selbstverwirklichungsansprüche als „individualistisch“ oder „bequem“ denunziert.
Wahrscheinlich muss man sehr religionsfern sein, um nicht zu erkennen, dass beide Positionen sich aus derselben Quelle speisen. Ziel eines Frommen ist eben nicht individuelle "Selbstverwirklichung", sondern ein gottgefälliges Leben und sorgsame Pflege der Seele.
Bar jeder sinnlichen Lust leben?
Hallo Merkurlino, wenn Sie sich schon als Fachmann für Hintergründe empfehlen, können Sie uns sicher auch aufklären, warum die Priesterschaft der Kath. Kirche Sexualität und sexuelle Beziehungsgestaltung immer mit dem Odem der Sünde versieht, warum sie Gläubigen (und Andersdenkenden) erklärt, sie würden unrein, wenn sie nicht keusch leben? Wieso muss Maria „unbefleckt“ mit Jesus schwanger geworden sein? Wieso? Was ist das für eine pathologische Deutungsmentalität?
Sieben Milliarden Menschen sind mit Sexualität ausgestattet und müssen sie „ein Leben lang“ täglich gestalten – auch die Priester. Wir Menschen sind hierfür mit opulenten Werkzeugen versehen. Wir verfügen über Millionen von menschlichen Ei- und Samenzellen, sind während des Sexualkontaktes und auch sonst zu enormen Körpersensationen in der Lage. Doch wir werden Todsünder, wenn wir unsere sexuellen Handlungen nach den Vorstellungen dieser Priesterschaft nicht auf den ehelichen Zeugungsakt reduzieren. –
Diese Priester halten sich für privilegierte Götter und versuchen auf diese Weise diesen Status zu zementieren. Für sie ist das System Kirche – wie ich in meinem ersten Beitrag ausführte – seit Jahrtausenden eine duale Symbiose zwischen ihnen, den Privilegierten und den unmündigen Laien, nicht umsonst auch Gläubige genannt.
Dabei bedienen sie sich einer sehr effektiven und tiefenpsychologisch hoch interessanten Technik.
Der vitale Antrieb, durch den aktive sexuelle Beziehungsgestaltung möglich wird, wird pathologisiert indem der Stellvertreter Gottes den Laien und Gläubigen gegenüber mit seiner ganzen Autorität behauptet, ihr alltägliches Sexualverhalten, das sie ein Leben lang begleitet, sei im Großen und Ganzen Todsünde. Er und die Priester konditionieren eine neurotische Angstproblematik und halten die Gläubigen so und durch ein rigides und sexualfeindliches Regime in der Rolle des ewigen Sünders gefangen.
Alles, was sich nicht mit dem, die sexuelle Handlung legitimierenden ehelichen Zeugungsakt verträgt, ist nicht gestattet: Kondome, Pille, Masturbation, Homosexuelle Handlungen, nicht eheliche Sexualkontakte u.s.w.
Dieses kastrierende Verhalten der Priesterschaft gegenüber ihren Gläubigen ist selbstverständlich auch eine Form der eigenen Gestaltung von Sexualität.
Lasse dir gesagt sein meine liebe Frau Baureithel,
wenn der mehr als Knastfuesschen kuessen wuerde bekommt er ganz weltlich eine Kugel in den Kopf, ohne Witz.
:-D
Gruss aus Latinoland
»überdimensionierter moralischer Zeigefinger«
☝
Hier geht das nicht, der kleine Zeigefinger kann aber vergrößert werden.