Ob Trash-TV oder Öffis, ob Regenbogen- oder Qualitätsblatt, vor allem aber auf Social Media: Das Spiel mit Altersgruppen-Labels ist heute so allgegenwärtig, dass wohl kaum jemand mehr gar nichts mit ihnen verbindet.
Die „Boomer“, Jahrgang 1945 bis 1964, sind demnach fleißig, diszipliniert und aufstiegsorientiert, jammern nun aber herum, weil Jüngere anders ticken. „Generation X“ (1965 – 1980), benannt nach Douglas Couplands Roman, der wiederum die Band um Billy Idol zitiert, sei zynisch, aber sehr konsumorientiert. Die individualistische Generation Y aka „Millennials“ (1981 – 1996) fokussiere sich auf persönliche Entwicklung. Die „Generation Z“ (1997 – 2010) wiederum, um die es jetzt immer geht,
mer geht, sei eine Horde von Sensibelchen, die nach drei Bürostunden Burn-out haben – oder, positiv: sich nicht mehr alles gefallen lassen.Aber Moment, apropos Boomer: Echt jetzt, Fleiß und Disziplin? Waren die Boomer nicht auch die „68er“, die das Lustprinzip vergötterten und – zum Beispiel – den Extremsport erfanden? Wie alle populären Zeitdiagnosen geht das Generationen-Ding über Widersprüche glatt hinweg. Passt etwas nicht, wird das Modell sogar noch interessanter. Dann nämlich kann man etwa „Mikrogenerationen“ nachtragen, die Aszendenten innerhalb der Sternzeichen. Und die permanente Wiederholung der X-Y-Z-Geschichte – von Memes über Tiktoks bis hin zu einer Sintflut von „Beratern“, die alle Welt derzeit GenZ-kompatibel zu machen versprechen – sorgt längst dafür, dass sich der Plot bewahrheitet. Man nimmt die Label an, indem man „seine Generation“ verteidigt oder über andere lästert.Und ja, dieses Generationen-Game macht auch manchmal Spaß. Boomer und Gen X, Millennials und Gen Z – wie einst die Commedia dell’arte verwandelt es die Gesellschaft in ein Set von Kollektivcharakter-Figuren, deren neueste Verwicklungen unterhaltsam sind. Zumal es ja einen Realitätsbezug gibt: Natürlich wächst man mit Internet anders auf als ohne. Und klar tickt eine Altersgruppe, die jetzt in Zeiten des Fachkräftemangels ins Leben startet, anders als diejenige Kohorte, die noch um 2000 in gleicher Lage stets zu hören bekam, dass es wirklich viele gute Leute gebe und mehr als ein unbezahltes Praktikum daher leider nicht drin sei.Warum aber wird etwa zwischen 1993 (Gen Y) und 2003 (Gen Z) eine generationelle Linie gezogen? Sind die Unterschiede so fundamental? Nein. Es ist bloß das Modell, das diese Grenze erfordert. Das ganze Gewese basiert nämlich auf dem 1991 erschienenen US-Bestseller Generations. The History of America’s Future, 1584 to 2069 (!) der Populär-Publizisten Neil Howe und William Strauss. Demnach verläuft die Geschichte der USA – und, großzügig abgeleitet, der Weltzivilisation – in einer stereotypen Reihung jeweils rund hundertjähriger „Saecula“, die sich wiederum in jeweils vier „Generationen“ gliedern. Jener Y-Z-Bruch anno 1996 ist also deshalb unumgänglich, weil es sonst nicht aufgeht, wenn man bis 1584 zurückrechnet. Und es wird noch bizarrer: Das Modell weist jeder der jeweils vier Generationen, die ein „Saeculum“ bespielen, Archetypen zu: Auf eine Generation von „Propheten“ folgen „Nomaden“, „Helden“ und „Künstler“. Dann ist große Krise und es geht von vorne los.Wer will, kann nun prüfen, wie sehr Boomer sowie Gen X, Y oder Z dieser Vorab-Beschreibung ähneln. Aber sollte man das wollen? Ja: Generationelle Prägungen sind ein Thema. In Das Problem der Generationen führt schon Karl Mannheim in ihr Studium ein. Dieser Klassiker ist bis heute gut zu lesen; auch Heinz Budes gerade erschienener Abschied von den Boomern geht über den esoterischen X-Y-Z-Bullshit nach Strauss und Howe hinaus. Diesen aber – in seiner zyklischen Anlage noch dazu geschichtsphilosophisch rechtsdrehend, quasi Arnold Toynbee für Arme – sollten wir uns aus dem Kopf schlagen. Sonst gehen wir alle, von Boomern bis Z, als die Generation in die Geschichte ein, die in schwieriger Zeit die Weltbetrachtung in ein Gossip-Format verwandelte, statt sich den wirklichen Problemen zu stellen.Und damit zurück zu den Nachrichten: Promi X aus Generation Y mokiert sich über die Gen Z! Sind Boomer und Millennials am Ende gar manchmal verbündet? Und was sagen dann Gen X und Z dazu?