Augusto Pinochet stand auf dem Höhepunkt seiner Macht, als er derselben das Grab schaufelte. 1980 erließ er eine Verfassung und beraumte für 1988 ein Referendum über seine Herrschaft an. Vor lauter Siegesgewissheit oder – vielleicht – ob eines Restes an Legitimationsbedürfnis ließ er eine Nein-Kampagne zu, mit Sendezeit im Staats-TV. Wie aber bekämpft man einen Pinochet?
Die Opposition blies zunächst zum Boykott, worauf Pinochet wohl gehofft hatte, oder verfiel auf das Naheliegende: Verbrechen anzuprangern – Folter, Mord, Korruption. Doch dann geriet man an einen jungen Profi-Werber mit Auslandserfahrung, der angesichts solcher Ideen die Hände über den Kopf zusammenschlug. Er baute die Kampagne wie einen Limo-Werbespot um e
espot um ein Gute-Laune-Lied. Das Nein wurde so etwas Positives. Und es gewann überraschend klar mit 55 Prozent.Der fiktional-dokumentarische Spielfilm „No!“, der 2012 diese Geschichte so erzählt, war natürlich umstritten. Der Widerstand bestand ja nicht bloß aus smarter PR, sondern wurde etwa von mutigen Frauen getragen, die in den 1980ern öffentlich nach „verschwundenen“ Partnern und Kindern fragten. Doch bei aller Buntzeichnerei stellt der Film allen Linken eine zeitlose Frage: Was bringt es wirklich, permanent den Teufel an die Wand zu malen?Methode der Wahl: Warnen und MahnenDenn das ist ja offenbar sehr oft die Methode der Wahl: das Warnen und Mahnen, die Opferdarstellung, die Projektion des Übels in all seiner Macht und Schlechtigkeit. Vor jeder Wahl und nach jeder Umfrage präsentiert die Linke hierzulande etwa das Wachsen jenes bedrohlich langen blauen Balkens. Minutiös arbeitet man sodann heraus, wie krass das Böse auf dem Vormarsch sei: Bis in die eigenen Reihen! Aber reicht das schon zur Verlängerung der eigenen Balken? Wir – oder die Barbarei, der Untergang in Finsternis?Sehr augenfällig ist dieser Reflex auch in der Klima-Bewegung, schon in den Selbstzeichnungen: Letzte Generation, Rebellion gegen die „Auslöschung“. Der Einwand von Jim Skea, dem neuen Chef des Weltklimarates: „Wenn man ständig nur die Botschaft aussendet, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, dann lähmt das die Menschen und hält sie davon ab, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem Klimawandel fertig zu werden.“Das sagte er im Sommer, quasi zum Amtsantritt. Aber interessiert das jemanden? Jede Redaktion weiß eins: Untergang geht immer. Der Meeresspiegel steigt um 60 Meter, Hamburg, New York, ja ganze Länder verschwinden – zwar eher womöglich und erst in ferner Zeit, aber das klickt wie verrückt. Die Leute lesen sowas gerne; sie rennen ja auch in Weltuntergangsfilme nach Art von Roland Emmerich. Ja: Horror sells – aber wen und wohin bewegt er wirklich? Der Schrecken ist ein starker Trigger – vor allem für die Bekehrten. Er radikalisiert, er drängt in die Tiefe. Doch kommt es nicht auf Breite an?Im Negativen ist nicht automatisch das Positive zu erkennenWill man ein Steuer demokratisch herumreißen, reicht es nicht, das Böse in all seiner Schlechtheit zu zeigen, um für das Gute zu mobilisieren. Im Negativen ist nicht automatisch das Positive zu erkennen. Gewissen Leuten möchte man zurufen: Nur, weil ihr in düstersten Farben das Elend der Welt von heute ausstellt und das von Morgen beschwört, kommen die Leute noch lange nicht zu Euch! Denn Leute, die den Teufel an die Wand malen, stilisieren sich selbst als Kraft der Erlösung. Als etwas Besseres, als jemand Unalltägliches. Das wirkt schnell überheblich, elitär, das provoziert Abwehr, ein müdes Lächeln. Oder weckt die schlechten Instinkte: Die Gefahr ist wirklich so groß? Dann lasst uns ganz schnell unsere eigenen Schäfchen ins Trockene bringen.Gewiss, Geschichtsvergleiche hinken immer. Pinochet, das war einmal – und „alles wird gut“ ist auch noch keine Botschaft. Wer aber die Welt erretten will, muss auf die Wissenschaften hören: Nicht nur die von der Natur, sondern auch die, die von den Menschen handeln. Etwa die Soziologie und Psychologie der Meinungsbildung. Nehmen wir uns doch einmal eine Pause. Und schauen einen tröstlichen Film. Zum Beispiel „No!“ von Pablo Larrain.