Politische Farbenspiele

Bundestagswahlkampf 2017 Voraussichtlich in der 2. Septemberhälfte ist es soweit. Dann sind Bundestagswahlen – Aus- und Einblicke

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Welches Bündnis wird es?
Welches Bündnis wird es?

Bild: Sean Gallup/Getty Images

Ausgangslage

Die Wahlen in den USA sind vorbei und Donald Trump hat gewonnen, sehr zum Leidwesen der europäischen Regierungschefs, von Ausnahmen einmal abgesehen. In Österreich hat es FPÖ-Mann Norbert Hofer nicht geschafft. Ein tiefes Aufatmen ging durch die europäischen Regierungen, um dann gleich wieder in Schnappatmung überzugehen, weil Renzi mit seinem Verfassungsreferendum gescheitert ist und deshalb zurücktreten wird. Das heißt für Mario Draghi in jedem Fall „Geld drucken“, sofern die neue italienische Regierung erkennen lasst, dass der von Renzi angestoßene neoliberale Kurs fortgesetzt wird. Es geht ja nur um schlappe 300 Mrd. € faule Kredite, die in den Büchern der italienischen Banken schlummern.

Da wirkt die erneute Kanzlerkandidatur von Angela Merkel wie der Fels in der Brandung. Alle Augen sind auf sie gerichtet. Wie geht sie mit den innen- und außenpolitischen Herausforderungen um? Ganz einfach, sie wartet ab, was passiert, denkt nach und gelangt dann zu einem Ergebnis. Die einen nennen es Beständigkeit und die anderen ein „Weiterwursteln“. Jedenfalls hat Frau Merkel gut überlegt, ob sie nochmals antreten soll und sie ist zum dem Schluss gelangt, ihre Regentschaft auf insgesamt 16 Jahre auszudehnen, weil sie sich weitestgehend sicher ist, die Wahl zu gewinnen, egal mit welchem Koalitionspartner, wobei hier Bündnis 90/die Grünen oder die SPD in Frage kommen.

Der CDU-Parteitag

Rund 1.000 Delegierte sind in der Essener Grugahalle zusammengekommen, um Frau Merkel als Parteivorsitzende zu bestätigen. In der gut einstündigen Rede von Merkel brandete einmal Beifall auf, als Merkel sich für ein Verschleierungsverbot aussprach. Da laufen ca. 1.000 Frauen mit einer Burka oder einem Naqip durch die Gegend und dann wird so ein Bohai um dieses Thema gemacht. Aber hier geht es um Symbole und die Identität der weißen Mehrheitsgesellschaft. Es ist nicht zu verkennen, die CDU rückt nach rechts. Dies zeigt auch das Zurückrudern in Sachen doppelte Staatsbürgerschaft.

Merkel wurde ja mit ca. 90% der Stimmberechtigten wiedergewählt, ein vergleichsweises schlechtes Ergebnis für eine Kandidatin ohne Gegenkandidaten. Der SPD hätte doch auffallen müssen, wie ausgelaugt die CDU ist, personell wie programmatisch. Merkel hat mit ihrer asymmetrischen Demobilisierung nicht nur die Wählerschaft ruhig gestellt, sondern gleichzeitig auch ihre eigene Partei in einen Tiefschlaf versetzt. Um diese Lücke zu füllen, müsste aber ein Kontrahent in der SPD zur Verfügung stehen, der diese Schwachstelle zu nutzen weiß. Da wären wir bei der Kanzlerkandidatenkür der SPD.

Die SPD und ihr Vorsitzender

Sigmar Gabriel lässt sich Zeit mit seiner Kandidatur zum Kanzlerkandidaten. Bislang hat sich keiner gefunden, der sich als Gegenkandidat gegen Merkel „verheizen“ lässt. Beim letzten Mal war es noch Peer Steinbrück, der den Hut in den Ring geworfen hat, um dann regelrecht KO zu gehen. Frau Merkel sagte nur einmal „Sie kennen mich“ und Peer Steinbrück sagte „Sie können mich buchen“ und die Wahl war gelaufen, eine doch erstaunliche Parallele zu dem „Rent a Sozi-Programm“, das schonungslos aufdeckt, was das Führungspersonal der SPD wirklich bewegt. Es wäre aber vermessen zu glauben, dass derartige Avancen von Lobbyisten nicht auch bei anderen Parteien ihre Wirkung entfalten.

Verglichen mit der aktuellen Situation von Gabriel ist die Situation von Merkel relativ entspannt. Gabriel ist in seiner eigenen Partei umstritten, bei der Wählerschaft unbeliebt und er weiß im Prinzip ganz genau, dass seine Zeit als Parteivorsitzender abläuft, sollte nicht nach der Bundestagswahl ein R2G-Regierung rechnerisch möglich sein, und das ist nach jetzigem Stand der Dinge höchst unwahrscheinlich.

Die möglichen Gegenkandidaten von Gabriel – Schulz und Scholz - bleiben in der Deckung und warten auf jeden Fall die Landtagswahl in NRW im Mai 2017 ab. So wie es derzeit aussieht, kann die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Laschet dort wieder stärkste Kraft werden. Hannelore Kraft hängt wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Dagegen wirkt Laschet wie ein HB-Männchen, das gleich in die Luft geht. Sollten die Landtagswahlen für die SPD in die Hose gehen, dann setzt bei der SPD hektische Betriebsamkeit ein und Gabriel wird hinweggefegt. Deshalb gilt für die möglichen Gegenkandidaten „Abwarten und Teetrinken“ und keine entscheidenden Fehler machen.

Ein Alternative wäre ja ein konstruktives Misstrauensvotum gegen die Kanzlerin, da R2G im Bundestag derzeit die Mehrheit hat. Diese Überlegung wurde mit Sicherheit bereits angestellt. Der Sondierungsgipfel der Abgeordneten von R2G zeigt ja, dass solche Überlegungen nicht ganz abwegig sind. Das Problem sind dabei die Grünen, die sich alle Optionen offen halten. Das Wahlziel besteht ausschließlich darin, hinter der CDU und der SPD drittstärkste Partei im zweistelligen Bereich zu werden und anschließend mit in der Regierung zu sitzen, mit wem auch immer. Die Linken rund um die Parteispitze Kipping/Riexinger sind für R2G, Wagenknecht ist dagegen und Bartsch ist ein Opportunist. Bei Maybrit Illner war es ja schon auffällig, wie pfleglich Herr Gabriel und Frau Kipping miteinander umgegangen sind.

Störfaktor AfD

Die AfD liegt derzeit bei ca. 13%. Sollten sich die Flüchtlingszahlen nicht wieder drastisch erhöhen und die wirtschaftliche Lage weiterhin stabil bleiben, dann werden sich die Zuwachsraten der AfD in Grenzen halten. Erst dann, wenn sich diese Rahmenbedingungen verschlechtern sollten, und die AfD auf über 20% kommen sollte, wird es eng, jedoch für alle etablierten Parteien, da der Kannibalisierungseffekt sich bei allen Parteien gleichermaßen auswirken wird. Merkel kann dann immer noch die Karte der großen Koalition ziehen, mit einer neuen SPD-Führung, die sich dann unter 20% bewegt. Zentral für die Flüchtlingsfrage ist in dem Zusammenhang der Türkei-Deal. Dieser Deal wird halten, weil Erdogan auf die Milliardenzahlungen von der EU nicht verzichten will und kann.

Vielleicht kommt auch eine Befriedung in Syrien und im Irak Merkel entgegen, wenn sich Trump und Putin einigen werden. Und danach schaut es aus.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist vergleichsweise gut. Eine niedrige Arbeitslosenzahl und eine Staatsverschuldung mit einer schwarzen Null, lassen sich nach außen gut verkaufen. Nichts spricht zurzeit dafür, dass sich an diesen Rahmenbedingungen bis zum Herbst etwas ändern wird. Insofern ist Finanzminister Schäuble der Garant dafür, dass die CDU mit Abstand die stärkste Partei sein wird.

Die Linken – ein Trauerspiel

Die Linke in Deutschland steckt in einem Dilemma, so die Politologin Silja Häusermann.

http://www.woz.ch/1647/linke-identitaetspolitik/egal-was-die-linke-macht

Die Linke macht es sich aber auch selbst schwer. Allein schon die Debatte um die Spitzenkandidaten im Bundestagswahlkampf zeigt auf, dass die Partei zutiefst zerstritten ist. So kann man keinen Blumentopf gewinnen.

Nennen wir es die Ironie des Schicksals, dass rechte Nationalisten die Nutznießer einer seit 20 Jahren praktizierten neoliberalen Politik sind, die unter dem Deckmantel der Globalisierung und der Wettbewerbsfähigkeit die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter vergrößert hat.

Der Wahlkampf – was kommt da noch?

Der Wahlkampf wird an Schärfe zunehmen. Klar ist, dass es zu einem Lagerwahlkampf kommen wird. Systematische, verbale Entgleisungen wie in den USA wird es in Deutschland nicht geben. Der Deutsche ist mehrheitlich harmoniebedürftig, auch wenn sich einzelne im Netz und auf der Straße lauthals bemerkbar machen.

CDU/CSU, in trauter Zweisamkeit vereint, werden gegen R2G zu Felde ziehen, dabei im Blickfeld habend diejenigen AfD-Wähler, die eine Rückkehrperspektive in den Schoß der CDU/CSU haben. Selbstredend bedeutet das im Umkehrschluss, dass diejenigen Flüchtlinge, die keine Bleibeperspektive haben, rasch abgeschoben werden oder noch besser erst gar nicht in das Land gelassen werden. Es lässt sich mit dem christlichen Menschenbild einfach nicht vereinbaren, die Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen oder den verbrecherischen Schlepperbanden anheim fallen zu lassen. Welch ein Zynismus, aber so sieht eine Annäherungstrategie an die AfD nun mal praktisch aus.

Die SPD wird erst sehr spät in den Wahlkampf einsteigen und dann das Thema Rente bzw. Altersarmut auf der Agenda haben.

Vorher, d.h. noch im Dezember, wird das Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedet werden, das vor allem die Versicherungen stärkt. Ein kleines Dankeschön an die Versicherungskonzerne, die mit ihrer loyalen Haltung zur Zeichnung deutscher Staatsanleihen zum Nullzins eine adäquate Belohnung erhalten. Dass der Versicherungsnehmer dabei der Dumme ist, spielt keine Rolle für Frau Nahles und den Rest der Koalition. Die Arbeitsministerin hat ja einen glänzenden Job gemacht. Das sagt sie im Übrigen immer, wenn der Pfusch am größten ist.

Die AfD braucht Themen, um das Politik-Establishment auf die Hörner zu nehmen. Lösungen braucht sie nicht. Der Disput zwischen Meuthen und Petry kann nur mühsam überspielt werden. Gauland gibt sich väterlich, ein Wolf im Schafspelz. Von Storch und Höcke kommen dann zum Einsatz, wenn es darum geht, das „Völkische“ bei ihren Anhängern zu aktivieren. Das Thema EU und Islam wird allein nicht reichen, um gegen eine CDU/CSU anzustinken, die im Prinzip die Annäherung an die AfD so weit betreibt, wie es erforderlich ist.

Bündnis 90/die Grünen sind wie schon erwähnt nach allen Seiten offen. Für sie wird es erst ab 2021 gefährlich, wenn sie von der CDU zerrieben wurden, sollte es zu einer Schwarz/Grünen Regierung kommen. Aber das ist ja noch lange hin.

Was wäre zur FDP zu sagen. Nichts. Wenn sie die 5% Hürde erreichen, wird es noch komplizierter.

Wer gewinnt?

Merkel. Ich habe sie ja in der Vergangenheit kräftig kritisiert. Ihr Kurs „weiter so“ wird solange erfolgreich sein, bis Deutschland die Auswirkungen ihrer Austeritätspolitik im eigenen Land zu spüren bekommt. Parteien sind dafür da, den Machtanspruch für ihre Mandatsträger zu sichern. Die Demokratie ist dabei ein notwendiger und nützlicher Nebeneffekt. Willkommen in der Postdemokratie! Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Ich bin ein überzeugter Demokrat und habe auch nichts gegen eine repräsentative Demokratie.

Wenn aber die Demokratie marktkonform gestaltet werden soll, stellt sich die Frage, was eine marktkonforme Demokratie mit einer sozialen Marktwirtschaft zu tun hat. Die gab es mal in Deutschland und ich vermag nicht einzusehen, warum dies in Zeiten der Globalisierung nicht auch möglich sein soll.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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