Wenn die Kurden mit der CHP

Türkei Eine politische Allianz am Bosporus könnte das System Erdoğan ablösen
Ausgabe 14/2019
Der Kommunalpolitiker Ekrem Imamoglu gewann in einer ersten Auszählung die Istanbuler Oberbürgermeisterwahl
Der Kommunalpolitiker Ekrem Imamoglu gewann in einer ersten Auszählung die Istanbuler Oberbürgermeisterwahl

Foto: Chris McGrath/Getty Images

Recep Tayyip Erdoğan wurde nicht müde zu betonen: „Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei“. Die Bedeutung der Metropole am Bosporus liegt auf der Hand. Hier leben gut 20 Prozent der Bevölkerung und 22 Prozent der Wähler, hier schlägt der Puls der türkischen Finanzwelt. Und ausgerechnet hier übernimmt die säkular-linke CHP die kommunale Macht, die sie 1994 an die AKP abgeben musste. Taugt die dem zugrundeliegende Strategie auch als Erfolgsmodell für die Präsidentenwahl 2023?

Auf jeden Fall weckt CHP-Kandidat Ekrem İmamoğlu mit seiner kreativen Kampagne und integrativen Rhetorik Hoffnungen unter moderaten Linken, den Anhängern Atatürks und nichtislamischen urbanen Milieus. Auch religiösen, konservativen Istanbulern begegnete er mit Empathie und fand deren Zuspruch. Doch ohne die Stimmen der Kurden hätte er sich gegen den AKP-Bewerber, Ex-Premier Binali Yıldırım, kaum durchsetzen können.

Die prokurdische HDP sprang über ihren Schatten, indem sie in vielen Provinzen und Istanbul zugunsten der CHP von eigenen Kandidaten absah. Dass die Partei sieben Prozent verlor, lässt vermuten, dass viele HDP-Anhänger aus taktischem Kalkül CHP gewählt haben. Dass es bei den nächsten Parlaments- und Präsidentenvoten zu einer ähnlichen Allianz kommt, ist nicht auszuschließen. Doch kann Istanbul nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotz des gemeinsamen Gegners die Oppositionsparteien CHP, İP und HDP weiter getrennte Wege gehen. Aber nicht nur deshalb verbietet es sich, auf einen Niedergang der AKP zu setzen, der 2023 zum Machtwechsel führt.

Die Machtpartei blieb mit 44 Prozent stärkste Kraft. Mit den vor ihr beherrschten Medien und kontrollieren Finanzen wird sie den nun von der CHP geführten Kommunen – allen voran Istanbul, Ankara und Izmir – das Leben erschweren.

Gleichwohl hat der türkische Staatschef bei dieser Kommunalwahl den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Um das zu verfestigen, muss das neue smarte Istanbuler Stadtoberhaupt die Millionenstadt innovativ verwalten und dabei sowohl die Kurden wie auch Konservative erreichen. Die HDP wiederum müsste sich von der PKK emanzipieren und von Maximalforderungen absehen, sodass eine Allianz mit ihr zur Ablösung des Systems Erdoğan 2023 ein reale Chance hat.

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