Kürzlich gab es ein großes Spiegel-Porträt von Kai Wegner. Das war viel Text für einen Mann, der zwar Regierender Bürgermeister von Berlin werden will, aber so langweilig ist, dass ihn kaum einer kennt. Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags mit der SPD Anfang April stand er mit dunkelblauem Anzug am Rednerpult und haute Sätze raus wie: „In dieser Stadt soll jeder nach seiner Fasson glücklich werden.“ Ein Zitat vom Alten Fritz. Echt jetzt? Das ist die Zukunft des hippen Berlin?!
Nicht viel origineller hatte sich Wegner zwei Monate vorher gemacht, als er dem Spiegel von seinem Plüschtier-Hund erzählt hatte, den er noch besitze. Moppi! „Der ist genauso alt wie ich.“ Leider war der Spiegel-Reporter (als gebürtiger Sc
Zukunft des hippen Berlin?!Nicht viel origineller hatte sich Wegner zwei Monate vorher gemacht, als er dem Spiegel von seinem Plüschtier-Hund erzählt hatte, den er noch besitze. Moppi! „Der ist genauso alt wie ich.“ Leider war der Spiegel-Reporter (als gebürtiger Schweizer) nicht so bewandert in DDR-Geschichte. Deswegen zog er die falschen Schlüsse aus der Moppi-Story. „Man versteht: Wenn Wegner etwas liebt, dann trennt er sich nicht mehr davon.“ Man könnte die Sequenz auch anders interpretieren: Wegner, der in Spandau aufwuchs, ist Westberliner bis ins Mark. Die Sache mit seinem Stofftier hat er erzählt, um den Osten der Stadt von sich zu überzeugen: Moppi, da denken Ostberliner an die ebenso bekannte wie beliebte DDR-Fernsehsendung Pittiplatsch und seine Freunde, in der es ein dickes Hündchen namens Moppi gab. Das weckt Kindheitserinnerungen. In dieser Lesart hat Wegner den perfekten Wahlkampf-Move hingelegt: Er hat das Unterbewusstsein der Ostberliner angesprochen, sich sympathisch gemacht – und der Spiegel hat das nicht einmal gemerkt! Dabei ist Wegner, 50, jenseits von Ostalgie.Als Bild und B. Z. im Jahr 2014, kurz nach der Annexion der Krim, eine Petition mit dem Titel „Weg mit den Russen-Panzern am Tor“ veröffentlichten, unterschrieb auch der Generalsekretär der Berliner CDU. Der hieß damals: Kai Wegner. Das russische Ehrenmal mit ausrangierten sowjetischen Panzern gleich um die Ecke vom Brandenburger Tor? „Kein würdiges Zeichen des Sieges der Freiheit über Krieg und Gewalt“, fand Wegner. Dass sich die Bundesrepublik 1991 vertraglich dazu verpflichtet hatte, dieses Ehrenmal im Herzen von Berlin „zu achten, zu erhalten und zu pflegen“, um an die gefallenen Soldaten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg zu erinnern – vergessen. Wegner verbündete sich lieber mit zwei Krawall-Zeitungen gegen das russische Andenken. Zusammen mit Leuten wie der damaligen Vertriebenen-Präsidentin und heutigen AfD-Politikerin Erika Steinbach.Der deutsche KaiBald könnte Wegner ins Rote Rathaus einziehen. 28,2 Prozent holte er als Spitzenkandidat bei der Wiederholungswahl im Februar. Mit ihm wurde die CDU zum ersten Mal seit 24 Jahren stärkste Kraft in Berlin. Wie kann das sein? Wegner ist ja nicht gerade eine schillernde Hauptstadt-Figur, wie einst Willy Brandt oder später Klaus Wowereit. Er ist mehr so eine Art Vorort-Spießer, der mal Hubschrauberpilot bei der Bundeswehr werden wollte, sich dann aber für einen Job als Versicherungskaufmann entschied.Heute wohnt er in Kladow, jenem Ortsteil, in dem fast überall Tempo 30 gilt und das größte soziale Problem lautet: Wieso fährt hier keine U-Bahn? Dafür gibt es eine Fähre, die über den Wannsee schippert. Im Sommer ist es besonders beschaulich: Dann sitzen die Leute in den Restaurants und Cafés am Ufer, die Sonne spiegelt sich im Wasser. Außer in ein paar italienischen Pizzerien gibt es kaum Ausländer. Zu denen hat Wegner eh ein kompliziertes Verhältnis. Im Oktober 2020 mietete seine CDU einen gelben Lamborghini, klebte aufgemalte Schusslöcher drauf und parkte das Ding auf der Neuköllner Hermannstraße. Unter den Augen der Hauptstadtpresse ließ die Truppe den Wagen abschleppen. Irgendwas mit „entschlossenem Handeln gegen Clankriminalität“. Kurz nachdem Parteichef Wegner so krass auf Ghetto-King gemacht hatte, ermittelte die Staatsanwaltschaft: weil auf dem Nummernschild „BYE BYE“ gestanden hatte und Fantasiekennzeichen im Straßenverkehr nicht so gern gesehen sind. Das wurde aber schnell fallen gelassen.Für eingefleischte Kladower ist Neukölln eine Art gesetzloses Terrain, wie New York im John-Carpenter-Film Die Klapperschlange. Mit dem Unterschied, dass die CDU den Bezirk noch retten will. Aber wie? Indem man den arabischen Clans „Bye-bye“ sagt? Das passt ins Bild eines Mannes, der einst mit dem Slogan „Dynamisch. Demokratisch. Deutsch“ für sich geworben hat. Wegner fand es auch toll, als seine CDU-Fraktion vom Senat die Vornamen der Silvester-Randalierer wissen wollte. Waren da viele Mohammeds und Alis dabei? Waren sie nicht. Aber Wegner setzte auch für die Wiederholungswahl auf das Thema Ausländer. Nur hatte er diesmal Erfolg damit, weil die Stimmung nach Silvester so aufgeladen war.Verbindungen zu RechtenDabei hätte die Hauptstadt gewarnt sein können vor Wegner. In einer Parteitagsrede im Jahr 2000 forderte er, dass die Jungen „endlich ein gesundes Verhältnis zur Nation entwickeln“. Ist Wegner ein Nationalist? Heute sagt er solche Dinge nicht mehr. Er wäre auch doof, wenn er es täte. Aber seine Vergangenheit ist unappetitlich. Als der österreichische Rechtsextremist Jörg Haider von der FPÖ kurz nach der Jahrtausendwende zum Talk in Berlin kam, war auch der Berliner JU-Vorsitzende Kai Wegner unter den rund 200 Gästen. Zusammen mit Leuten vom „Bund freier Bürger“ und dem damals schon gut in der rechten Szene vernetzten Anwalt Markus Roscher.Am 26. April werden die SPD-Mitglieder abgestimmt haben, ob sie dem Koalitionsvertrag zustimmen und mit diesem Mann regieren wollen. „2,30 Meter breite Radwege, die keiner braucht“, die gebe es mit ihm nicht, sagt Wegner. Das grüne Hauptstadt-Milieu kriegt jetzt schon die Krise. Auch Linke scherzen in Richtung SPD: „Wo ein Wille, da kein Wegner.“