Bericht der UN-Ermittler vorgelegt

Syrien Die UNO hat den Bericht der Ermittler zum mutmaßlichen Giftgaseinsatz am 21. August bei Damaskus veröffentlicht

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Carla del Ponte, Karen Koning Abuzayd, Paulo Sergio Pinheiro und Vitit Muntarbhorn bei der Präsentation des Reports
Carla del Ponte, Karen Koning Abuzayd, Paulo Sergio Pinheiro und Vitit Muntarbhorn bei der Präsentation des Reports

Foto: FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images

Die österreichische Zeitung Der Standard hat am 16. August den Link zu dem Bericht der UN-Ermittler veröffentlicht. Leider ist mein Englisch nicht so gut, dass ich mir bei diesem brisanten Fall eine zweifelsfreie Übersetzung zutraue. Vielleicht hat ja jemand Zeit und Energie für das Übersetzen.

Interessant wäre es zu wissen, ob sich daraus tatsächlich zweifelsfrei ergibt, dass die syrische Armee für den Einsatz von Sarin verantwortlich ist, wie u.a. aus Washington gemeldet wird. RIA Novosti berichtete, dass die UN-Ermittler den Einsatz auch primitiver nicht fabrikmäßig hergestellter C-Waffen-Geschosse in Syrien nicht ausschließen..

Allgemein wird immer behauptet, die "Rebellen" seien gar nicht in der Lage, Sarin herzustellen oder einzusetzen. Dazu im Gegensatz gab es seit 2012 mehrere Meldungen, dass bei bewaffneten Extremisten chemische Kampfstoffe gefunden wurden. Jerome R. Corsi berichtete am 26. August in einem Beitrag auf der Website des Nachrichtennetzwerkes WND über Informationen und Belege, dass "Rebellen" mindestens im Besitz von chemischen Kampfstoffen sind. Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen im Krieg gegen und in Syrien gibt es, seitdem islamistische "Rebellen" im Dezember 2012 eine Chlorgas produzierende Chemiefabrik nahe Aleppo eroberten.

"Die Herstellung von chemischen Waffen stellt heute kein unüberwindliches Hindernis mehr dar." Das schrieb Ulrike Kronfeld-Goharani in Ausgabe 1/2008 der Zeitschrift Wissenschaft & Frieden. Sie erinnerte an das Beispiel des Terroranschlages der Aum Shinrikyo-Sekte in Tokio 1995. "Deren Mitglieder hatten am 20. März 1995 gegen acht Uhr morgens in fünf U-Bahnen in der Stadtmitte von Tokio nahezu zeitgleich elf mit Sarin gefüllte, luftdicht verschweißte Plastiktüten mit den angeschärften Spitzen ihrer Regenschirme aufgestochen. Bei dem Anschlag starben zwölf Menschen, mehr als 1.000 wurden verletzt." Nur die schlechte Qualität des eingesetzten Sarin habe damals mehr Todesopfer verhindert.

Nicht vergessen werden darf, dass die syrische Regierung die UN-Ermittler eingeladen bzw. angefordert hatte.

Jan van Aken, ehemaliger Bio-Waffeninspekteur der UNO und heute für die Linkspartei im Bundestag, kommentierte am 16. September den Bericht so: "Der Bericht der UN-Inspektoren belegt vier Punkte: Es wurden das Giftgas Sarin eingesetzt, viele hundert Menschen sind qualvoll gestorben, das Gift wurde mit möglicherweise improvisierten Raketen verschossen, der Urheber des Angriffs bleibt aber weiterhin unklar. Der Internationale Strafgerichtshof sollte ein Ermittlungsverfahren einleiten. Es ist ein grauenvolles Verbrechen gegen die Menschheit, dessen Verantwortliche vor Gericht gestellt werden müssen. Damit sich ein solch horrendes Verbrechen nicht wiederholen kann, muss die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen jetzt unverzüglich beginnen. ...
Die Tatsache, dass nach Angaben der UN-Inspektoren möglicherweise 'improvisierte' Sprengköpfe eingesetzt wurden, weist nicht automatisch auf die Rebellen als Täter hin. In mindestens einem Internet-Video sind ähnliche Raketen auch bei syrischen Militärs zu sehen. Warum eine reguläre Armee improvisierte Raketen lagern bzw. einsetzen sollte, bleibt allerdings unklar."

Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, erklärte am 16. September, die in dem Report enthaltenen technischen Beweise, "bekräftigen unsere Einschätzung, dass diese Attacken vom syrischen Regime ausgeführt wurden". Das meldete u.a. die Süddeutsche Zeitung. "Nur das Regime habe nämlich die Fähigkeiten besessen, einen derartigen Angriff auszuführen, sagte Rice zur Begründung. Als Beweise führte sie etwa die Qualität des eingesetzten Sarin-Gases und die Art der verwendeten Raketen an."

Russland hält den von der UNO nachgewiesenen Chemiewaffeneinsatz in Syrien für eine gezielte "Provokation" der Gegner von Assad, berichtete der Schweizer Tages-Anzeiger am 17. September. "Es gebe 'höchst ernstzunehmende Gründe' für diese Einschätzung, sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow heute nach einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius in Moskau. Russlands Regierung hatte in der Vergangenheit angedeutet, syrische Rebellen könnten hinter dem Giftgasangriff vom 21. August mit hunderten Toten nahe Damaskus stecken, um eine Militärintervention von aussen zu erreichen."

Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen schrieb am 17. September: "Gestern wurde der langerwartete UN-Bericht über die mutmaßlichen Giftgasangriffe am 21. August in Syrien veröffentlicht. In einem Punkt sind sich die Inspektoren einig, nämlich dass ein solcher Einsatz tatsächlich stattgefunden hat. Die Urheberschaft bleibt aber weiter unklar (dies zu ermitteln war allerdings auch nicht der Auftrag der UN-Inspektoren). Alle diesbezüglichen Angaben sind allenfalls vage: der Spiegel sieht etwa in der Richtungsangabe, aus der die Raketen kamen, ein mutmaßlich unter Regierungskontrolle stehendes Gebiet, einen klaren Beweis für die Täterschaft von Regierungstruppen. Auch die Süddeutsche Zeitung ist sich sicher: 'Der Bericht weist keiner der Seiten in dem Bürgerkrieg die Verantwortung für den Angriff zu, das ließ das Mandat auch nicht zu. Er liefert aber starke Indizien dafür, dass Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad die Urheber sind.'
Diesen Behauptungen hält Clemes Ronnefeldt vom Versöhnungsbund entgegen (via Mail): 'Nach intensiver Lektüre des Dokumentes konnte ich keinen Satz oder Abschnitt im UN-Dokument finden, der meines Erachtens die Interpretation rechtfertigt, dass Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad die Urheber sind. Auch wenn die Raketen vermutlich russischer Bauart sind und die Raketen ‚aus Nordwesten‘ flogen wo ‚ von der Regierung kontrollierte Gebiete‘ ‚in dieser Richtung liegen‘ (SZ, 17.9.2013): Dies lässt m.E. noch keinen Rückschluss zu, dass die Truppen von Präsident Baschar al-Assad ‚die Urheber‘ sind.'"

RIA Novosti am 17. September: "Die syrischen Regimegegner haben bei ihrer Giftgas-Attacke bei Damaskus möglicherweise noch aus der Sowjetunion stammende Munition genutzt, so Militärexperte Igor Korotschenko. Dies könnte die Erklärung dafür sein, warum die UN-Inspektoren auf einem Teil einer Rakete kyrillische Zeichen entdeckt haben.
'Geht man davon aus, dass diese Provokation als Vorwand für einen US-Militärschlag gedacht und dass die bewaffnete Opposition involviert war, dann spielt die Verwendung von Geschossen aus sowjetscher bzw. russischer Produktion dem Westen in die Hand', urteilte Korotschenko, Direktor des Moskauer Forschungszentrums für Weltwaffenhandel (CAWAT) und Chefredakteur des Magazins National Defence, am Dienstag. 'Ziel ist es, die Ermittlungen in eine falsche Richtung zu lenken, nämlich die Regierungstruppen verantwortlich zu machen und diesen Vorfall mit Russland in Beziehung zu bringen', so der Experte weiter."

Nochmal RIA Novosti: "Bei den sowjetischen Geschossen, deren Splitter die UN-Kontrolleure am Ort des C-Waffen-Einsatzes bei Damaskus gefunden haben, handelt es sich laut Ruslan Puchow, Direktor des Moskauer Zentrums für Strategie- und Technologieanalyse, um Munition für Mehrfachraketenwerfer, von denen die syrische Armee schon seit langem keine mehr hat.
'Das erste Geschoss lässt sich leicht identifizieren: Es wurde im Bericht als 140mm-Rakete vom Typ М-14 für den alten sowjetischen Mehrfachraketenwerfer BM-14-17 aus dem Jahr 1952 bezeichnet', kommentierte der Experte am Dienstag die Meldungen, dass UN-Inspektoren auf einem Teil einer Rakete kyrillische Zeichen entdeckt haben.
Die syrische Armee habe alle Mehrfachraketenwerfer BM-14-17 schon längst außer Dienst gestellt, auch die Geschosse des Typs М-14 haben ihre Haltbarkeit seit langem überschritten. 'Jedenfalls hat die Sowjetunion kaum chemische Geschosse an Syrien geliefert. Es handelt sich offenbar um einen selbständigen Umbau eines alten Geschosses zu einem chemischen.'"

Nachtrag vom 19. September: Rene Heilig hat in der Zeitung Neues Deutschland "Rätselhaftes und Erwiesenes" aus und zu dem UN-Bericht zusammengefasst.

aktualisiert am 19.9.13, 9:40 Uhr

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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