Die Europäische Union war wohl vor der eigenen, weil ungewohnten Courage erschrocken. Gerade eben hatten die EU-Kommission und die Außenbeauftragte Catherine Ashton angekündigt, sie würden ab 2014 keine Projekte in den israelischen Westbank-Siedlungen mehr fördern. Premier Benjamin Netanjahu geißelte diese Absicht – wie zu erwarten – nicht nur als unfreundlichen Akt. Er verstand es auch, sich clever zu revanchieren. Damit würden die diplomatischen Bemühungen von US-Außenminister John Kerry um erneute Gespräche der Israelis mit den Palästinensern blockiert, hieß es aus Jerusalem. Auch nur in die Nähe eines solchen Verdachts zu geraten, konnte die EU-Diplomatie unmöglich auf sich sitzen lassen. Politische Kompensation war geboten und zwar dringend.
Man erinnerte sich eines Attentats, das vor mehr als einem Jahr in Bulgarien gegen israelische Touristen verübt wurde. Restlos aufgeklärt ist der Vorfall bis heute nicht, doch wird jetzt so getan, als sei genau das der Fall und die libanesische Hisbollah als Täter überführt.
Was ist mit Nasrallah?
Also wird dem militärischen Arm der Organisation ein Platz auf der EU-Terrorliste zugewiesen. Er trägt die Nummer 26, denn dieser "Fundus des Bösen" ist kein eben kleines Arsenal. Erfasst sind neben der Hamas auch die ägyptischen Salafisten oder die Kommunistische Partei der Philippinen oder die kurdische PKK.
Der Entscheidung ist anzusehen, wie überhastet sie fiel. Die Logik blieb auf der Strecke. Warum die bewaffneten Formationen der Hisbollah als „terroristisch“ ächten, aber die „Partei Gottes“ selbst dieses Stigma erlassen? Sie – respektive ihre politische Führung – bestimmen schließlich über den Gebrauch des militärischen Arms. Und wie ist es mit Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah. Haben ihn die EU-Außenminister zur gespaltenen Persönlichkeit erklärt? Er führt die Hisbollah mit all ihren Gliedern. Wo wohnt in ihm der "Terrorist" und wo nicht?
Fronten wie in Syrien
Offenbar sollte bei allem Wohlverhalten gegenüber den USA und Israel darauf geachtet werden, nicht aus Versehen die libanesische Regierung unter Terrorverdacht zu stellen. Die Hisbollah gehört als Koalitionär zum Kabinett von Premier Nadschib Miqati, ist dort mit Ministern vertreten und sorgt dadurch für ein Minimum an innerer Stabilität. Wenn die europäischen Außenminister der Auffassung sind, sie sollten diesen fragilen Konsens von außen sprengen, indem sie Hisbollah delegitimieren, sollten sie auf alles Gerede verzichten, den syrischen Bürgerkrieg eindämmen zu wollen, bevor daraus ein regionaler Flächenbrand wird. Die Lager dieses Konflikts – das gilt besonders für Sunniten und Schiiten – sind in der Zedern-Republik genauso vorhanden wie in Syrien. Wer daraus Fronten machen will, muss sich so verhalten wie die EU-Außenminister es getan haben.
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