„Weniger arbeiten ist gut fürs Klima“: Autorin Sara Weber im Gespräch
Interview Sara Weber hat während der Pandemie ihren Job bei LinkedIn gekündigt und jetzt ein Buch geschrieben: „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“
Während der Pandemie erkannte Sara Weber, dass sie ausgebrannt war. Bis dahin als Redaktionsleiterin von LinkedIn das Gesicht des Netzwerks in Deutschland, kündigte sie 2021 ihren Job und machte erst mal eine Pause. Später entstand aus dem Nachdenken während dieser Zeit das nun im Januar erschienene Buch Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? (KiWi 2023, 240 S., 18 Euro). Es stellt die Frage, was sich in unserer Arbeitswelt verändern muss – und bietet auch Antworten darauf an.
der Freitag: Frau Weber, ausgebrannt fühlen sich viele – aber nicht jede geht so weit, gleich zu kündigen, wie Sie.
Sara Weber: Ja, ich war in der privilegierten Situation, das machen zu können. Es ist mir superwichtig, das zu betonen. Dieses Pausemachen
tuation, das machen zu können. Es ist mir superwichtig, das zu betonen. Dieses Pausemachen ist etwas, was ganz vielen Menschen leider nicht offensteht. Ich konnte so viel darüber nachdenken: Was will ich eigentlich? Wie könnte es anders sein? Ich habe aber erst so richtig gemerkt, was die Punkte sind, die ich mir in der Arbeitswelt anders wünschen würde, als ich raus war. Man gewöhnt sich daran, wie es läuft. Die Überlegung, dass es vielleicht nicht so sein muss, kam stärker, als ich ein bisschen Abstand hatte.Mit dieser Erkenntnis waren Sie im Lockdown ja nicht allein. Fix ging es dann aber doch wieder darum, wie wir so schnell wie möglich zurückkommen zum Vorherigen.Es war eine Chance – aber wir haben sie nicht genug genutzt. Es sind viele gute Sachen dadurch passiert und Dinge angestoßen worden. Probleme wurden sichtbar, die vielen Leuten davor nicht so klar waren. Andererseits sind wir an manchen Punkten ganz schnell wieder zurückgekommen zum vorherrschenden Status. Ich hätte zum Beispiel gedacht, dass jetzt, drei Jahre nach Beginn der Pandemie, nicht wieder viele Leute krank arbeiten gehen. Ich war sicher, das sorgt für ein Umdenken, das passiert nicht mehr, Leute erkennen den Wert ihrer eigenen Gesundheit. So war es aber nicht. Doch in anderen Bereichen hat sich durchaus etwas geändert.In welchen denn?Allein wie viele Menschen ins Homeoffice wechseln konnten und wie viele dort heute auch noch sind. 2019 hätte niemand von uns gedacht, dass das so schnell und nachhaltig passieren würde. Beim Thema Sorgearbeit und wie es gerade in Kitas aussieht, da hat die Pandemie so richtig gezeigt, was alles nicht funktioniert. Das ist natürlich erst mal schlecht. Aber ich glaube, in einem zweiten Schritt wird allen klar: So kann es nicht weitergehen.Angesichts der Klimakrise und all der aufgeheizten Debatten bräuchten wir wohl echt dringend mal eine Pause.Ich befürchte, es ist nicht realistisch, dass wir alle drei Monate Pause machen, auch wenn das schön wäre – wegen des Gefühls, dass man einfach mal kurz anhalten möchte und dann merkt: Die Urlaubstage, die wir haben, reichen nicht mehr, Wochenenden reichen nicht mehr, um ein Gefühl von Erholung zu haben, geschweige denn um sich mit den größeren Themen auseinanderzusetzen.Und dann?Die Lösung wäre, dass wir einfach alle ein bisschen weniger arbeiten. Seit den 1960ern hat sich bei der Arbeitszeit nicht viel getan. Eine Reduktion würde bei allen Druck rausnehmen, um ein bisschen mehr Freiraum zu schaffen. Die Klimakrise führt bei manchen zu einem Handlungsdrang, bei anderen löst sie lähmende Angst aus. Aber die meisten wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Also machen sie einfach so weiter. Das ist ein Problem, denn wir können die Klimakrise nicht ignorieren. Aber wenn alle zu kaputt sind, um sich damit auseinanderzusetzen, ist es schwierig, Forderungen an die Politik zu stellen oder sich zu engagieren und all das zu tun, was wir eigentlich tun müssten.Placeholder infobox-1Wenn ich zu unserem Betriebsrat gehe und der unserem Chef sagt, dass wir nur noch vier Tage arbeiten, wird er antworten: Dann wird die Zeitung nicht fertig.Dann muss nach einem passenden Modell gesucht werden. Gerade in der Wissensarbeit kennen wir das aber auch: Wenn man sich mal drei Stunden wirklich konzentriert an etwas setzen kann, schafft man häufig mehr, als wenn man versucht, das über acht Stunden zu streuen. Diese reduzierte Arbeitszeit führt in der Wissensarbeit dazu, dass man anders an die Sache rangeht, Strukturen überdenkt, Meetings abschafft, anders mit digitaler Kommunikation umgeht und somit tatsächlich Zeit sparen kann.Weniger Arbeitszeit kann aber heißen: weniger Gehalt.Historisch sehen wir: Wenn die Arbeitszeiten zurückgehen, fallen die Gehälter nicht im gleichen Maße. Andere Länder, die eine Vier-Tage-Woche bereits testen, reduzieren die Arbeitszeit bei gleichem Gehalt. Und diese Tests zeigen, dass die Produktivität in den meisten Fällen gleich bleibt. Gleichzeitig verlassen weniger Leute den Job. Man muss weniger Leute suchen, weniger Leute fallen krank aus. Ich finde es absurd, dass die Produktivität ansteigt, Technologie besser wird, wir mehr Menschen haben, die erwerbstätig sind – und trotzdem mehr arbeiten!Aber warum tun wir uns das überhaupt an, wenn wir bereits wissen, dass es auch anders geht?Das eine ist: Wir stecken da einfach drin, da ist es schwierig, innezuhalten und etwas anzustoßen. Aber es passiert ja durchaus was. Einzelne Unternehmen über alle Branchen hinweg reduzieren die Arbeitszeit, es gibt Tests, etwa in Großbritannien. Ich würde mir wünschen, dass die Gewerkschaften stärker dahinter sind, dass wir von ihnen und Betriebsräten fordern, diese Diskussion anzustoßen. Wir sind in einer Situation, in der Unternehmen immer mehr Gewinn machen müssen, was ja von der wirtschaftlichen und politischen Struktur vorgegeben ist. Das wird selten hinterfragt, auch mit Blick auf die Klimakrise. Können wir einfach für immer so weitermachen wie bisher? Diese Diskussionen müssen auch politisch geführt werden.In Ihrem Buch beschreiben Sie aber auch einen Trend in den USA, der nichts mit Gewerkschaften zu tun hat, die „Great Resignation“: große Kündigungswellen. Haben Arbeitnehmer:innen doch mehr Möglichkeiten als noch vor fünf Jahren?Der Fachkräftemangel lässt gerade die Branchen, die nicht gut zahlen und in denen die Arbeitsbedingungen nicht gut sind, händeringend nach Leuten suchen. Gleichzeitig merken die Angestellten: Vielleicht gibt es Alternativen. Als während der Pandemie in der Gastronomie auf einmal alles zu war, aber in Supermärkten noch ganz viele Leute gesucht wurden, war es logisch, dass viele wechselten. Aber auch Themen wie diese Müdigkeit, dieses Gefühl, ausgebrannt zu sein, fehlende Wertschätzung und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung oder fehlende Kinderbetreuung ... Für mich ist diese riesige Kündigungswelle total logisch.Aber die meisten dieser Probleme sind ja nicht mit der Pandemie vom Himmel gefallen.In vielen Branchen sind wieder mehr Stellen offen, auch Leute in formal niedriger qualifizierten Berufen haben mehr Optionen. Der Arbeitsmarkt hat sich noch mal verändert, und es ist wahrscheinlich, dass das erst mal so bleibt, wenn in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mehr Leute in Rente gehen werden.Der Arbeitsmarkt regelt das?Nein, wir brauchen klar mehr Organisation. Wir versuchen das Ganze oft individuell zu lösen, dabei ist es nicht für alle Leute gleichermaßen einfach, Grenzen zu ziehen. Da braucht es Strukturen dafür, zusammenzukommen und gemeinsam darüber zu reden. Wegzukommen von: Du musst für dich selbst herausfinden, wie du deine Arbeit besser in den Griff kriegen kannst.Und dann?Idealerweise arbeiten wir dann weniger und selbstbestimmter. Das ist der wichtigste Punkt: Alle Menschen müssen, wenn sie arbeiten, genug Geld haben, um gut davon zu leben. Zeit und all diese Dinge helfen ja nicht, wenn ich meine Miete nicht zahlen kann. Aber Zeit ist ein ganz großer Faktor. Weniger Zeit mit Erwerbsarbeit zu verbringen, das lässt uns mehr Zeit für andere Formen von Arbeit wie das Ehrenamt – und Freizeit. Es hilft dabei, Sorgearbeit gerechter aufzuteilen, und dabei, wegzukommen von diesem Gefühl, uns über unsere Produktivität zu definieren. Das ist die Wurzel allen Übels: das Gefühl, wir müssen mehr arbeiten, mehr leisten, damit wir es wert sind, diesen Job zu haben. Wenn wir weniger und anders arbeiten, ist das auch gut fürs Klima. Es wird sehr schwierig, die Klimakrise einzudämmen, wenn wir weder Zeit noch Energie dafür haben.
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