Russlandweite Proteste an Putins Geburtstag

Opposition in Russland Demonstranten gingen gegen Kremlchef Putin und für demokratische Wahlen auf die Straße. In St. Petersburg, der Geburtsort des Präsidenten, wurden viele festgenommen.

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Seinen Geburtstag hat sich der Kremlchef wohl anders vorgestellt
Seinen Geburtstag hat sich der Kremlchef wohl anders vorgestellt

Foto: Maxim Zmeyev/AFP/Getty Images

Auf dem Puschkin-Platz am Twerskoi-Boulevard haben sich heute etwa 1000 Menschen versammelt. Der Himmel über Moskau ist grau, bewölkt und es regnet, die Stimmung der Demonstranten ist trotzdem fröhlich, ausgelassen und friedlich. Eine junge Studentin hält ein rotes Plakat hoch, auf dem in weißer Schrift steht: "Wir fordern faire Wahlen". Zahlreiche andere Demonstranten, vor allem solche die der jüngeren Generation angehören, sind heute hierher gekommen und fordern das Gleiche. Zudem fordern sie auch die Abdankung von Russlands Präsident Wladimir Putin und die Freilassung des Oppositionspolitkers Alexei Nawalny. Als die Menschenmenge in Richtung des Kremls zog, hinderten sie Hunderte von Polizisten am Zugang zum Roten Platz. Seinen Geburtstag hat sich der Kremlchef wohl anders vorgestellt.

Eingebetteter Medieninhalt

In 80 russische Städten fanden am 7 Oktober, dem 65. Geburtstag Putins, erneut Proteste statt. Dazu aufgerufen hat der Oppositionelle Nawalny. In den meisten Orten wurden die Kundgebungen von den russischen Behörden nicht erlaubt. Am meisten Demonstranten haben sich in St. Petersburg versammelt, Putins Heimatstadt. Dort griff die Polizei am härtesten durch und verhaftet sogar Journalisten. Laut Angaben der Bürgerrechtsorganisation OVD-Info ( 20:30 Uhr Moskauer Zeit) wurden bei den Protesten in russischen Städten, die neben Moskau und St. Petersburg, auch in Provinzstädte, wie Archangelsk im Nordwesten Russland und im sibirischen Orenburg stattfanden, mindestens 262 Demonstranten in Gewahrsam genommen. Demnach wurden die meisten Demonstranten in St. Petersburg festgenommen - mindestens 66 Personen. In der russischen Stadt Jaroslawl wurden 54 Personen, in Lipetsk 20 und in Jekaterinburg 14 festgenommen. Insgesamt wurden Menschen in 27 Städten von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Geschenk zu Putin´s Geburtstag: Polizei verhaftet Nawalny einmal mehr

Letze Woche hat die russische Polizei den Oppositionellen und selbsternannten Präsidentschaftskandidat Alexej Nawalny in Moskau festgenommen. "Ich wurde vor dem Eingang meines Hauses festgenommen. Sie bringen mich jetzt irgendwo hin, wo ich mich rechtfertigen muss", schrieb Nawalny auf Twitter. Die Gründe lieferte die Polizei erst später nach: Nawalny habe dazu aufgerufen, sich an illegalen Protesten in die Provinzstadt Nischni Nowgorod zu beteiligen.

Ein Bezirksgericht in Moskau verurteilte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny am Montag zu einer 20-tägigen Haftstrafe und damit zu einer weiteren Zwangspause seiner Kampagne für die Präsidentschaftswahl im März 2018. Nawalny sprach von einem "Geschenk" für Amtsinhaber Wladimir Putin. Ohne "unsere Wahlveranstaltungen in den Regionen" habe Putin mehr Ruhe, sagte der Kreml-Kritiker im Gerichtssaal. Die für diesen Samstag geplante Wahlkampfveranstaltung des 41-jährigen Antikorruptionskämpfers in St. Petersburg durchkreuzte der Kreml durch seine Inhaftierung.

Brutale Gewalt gegen Demonstranten und Journalisten in St. Petersburg

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Erschrenkende Bilder wie etwa dieses von der Aktivistin Marina Bukinain, zeigen wie brutal die Polizei in St. Petersburg heute gegen die Demonstranten vorging. Journalisten der regierungskritischen russischen Zeitung "Nowaya Gaseta" haben die junge Frau, die immer noch unter starkem Schock steht, interviewt. Ihre persönliche Geschichte und die eines befreundenten Fotojournalisten zusammengefasst:

"Ich stand mit dem Rücken zu den Polizeiautos, als ich plötzlich festgehalten und niedergeschlagen wurde", erzählt die junge Frau. Kurz darauf sei sie im Polizeibus getreten worden. "Dann haben sie einen Journalisten, den ich kenne – David Frenkel – auch in das Auto gezerrt. Dann habe der Mann vom Spezialeinsatzkommando angefangen, seinen Kopf unter den Sitz zu schieben und versucht ihm die Beine zu brechen. "Ich stand für ihn auf und fing an zu schreien, dann wurde mir auf den Kopf geschlagen. Sofort sei viel Blut geflossen. Das hätte laut der Aktivistin für Aufregung gesorgt. "Ich flehte die Männer an einen Krankenwagen zu rufen, doch niemand rief irgendwo an". Ein paar Jungs, die neben ihr waren, hätten ihr dann verucht zu helfen, indem sie die Platzwunde notdürftig mit einem Taschentuch gereinigt haben. "Irgendwann wurden wir alle freigelassen, auch die festgenommenen Journalisten wurden freigelassen und jetzt bin ich im Krankenhaus. Dort sagen sie, dass die Schnittwunde sieben Zentimeter tief ist. Was als nächstes mit mir passieren wird, ich weiß es noch nicht. Ein Polizist und ein Arzt sind gerade bei mir".

Wie es weitergehen soll, weiss niemand genau

In St. Petersburg protestierten die Menschen bis zum späten Abend. In der Hauptstadt Moskau kündigten am Abend etwa 300 Unterstützer von Alexei Navalny auf Twitter an, dass sie sich auf dem Manege-Platz in Moskau versammeln wollen, um und die Freilassung des Oppositionspolitikers Nawalny und zugleich die seines Wahlkampfmanagers Leonid Wolkow zu fordern.

Zwar stoßen Nawalnys Wahlveranstaltungen in ganz Russland auf großes Interesse. Allerdings hatte die Wahlkommission im Juni diesen Jahres erklärt, der Kreml-Kritiker dürfe wegen einer Verurteilung zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe wegen Veruntreuung nicht bei der Präsidentschaftswahl kandidieren. Putins eigene Kandidatur steht unterdessen weniger als sechs Monate vor der Wahl noch aus.

Der Artikel ist Teil einer tiefgründigen Recherche über Protestbewegungen in Osteuropa. Die Recherche wird zum Teil durch das Programm "Reporters in the Field" ermöglicht . "Reporters in the Field" ist ein Projekt der Robert Bosch Stiftung, das vom Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung n-ost durchgeführt wird.

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Geschrieben von

Andreas Rossbach

Als freier Journalist schreibe ich aus Russland für russische und deutsche Medien über Politik, Kultur & andere Dinge, die mich interessieren.

Andreas Rossbach

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