Krieg ist immer auch: Kulturkampf. Und der tobt derzeit auch in Deutschland. Sopran-Star Anna Netrebko wurde an vielen Opernhäusern ausgeladen (sie hatte Geld an die Donbass-Regionen überwiesen, sich mit Separatistenführern gezeigt und nun erklärt, sie sei doch „nur eine Künstlerin“ und „habe keine Ahnung von Politik“). München hat den Chef der Philharmoniker, Valery Gergiev, vor die Tür gesetzt (er hatte Putin von den ersten Anti-Schwulen-Gesetzen über die Annexion der Krim bis zur Freundschaft mit Assad unterstützt). Nach seinem Rauswurf dirigierte er erst einmal den Triumphmarsch Das große Tor von Kiew aus Mussorgskis Bilder einer Ausstellung in Russland. Was für ein Affront!
Derzeit ist viel davon zu lesen, dass Künstler:innen aus Russland einer „Gewissensprüfung“ unterzogen würden. Für Deutschland gilt das zum Glück nicht. Es geht lediglich darum, dass Künstler:innen, die Putin seit Langem nahestehen, kurz erklären, dass wir noch von einem gemeinsamen C-Dur sprechen – von Beethovens humanistischem C-Dur, das die Verfolgung von Minderheiten, einen Angriffskrieg auf selbstbestimmte Länder und das Morden von Zivilisten kategorisch ausschließt. Es geht nicht um eine „Cancel Culture“ für alles Russische! In Deutschland wurde bislang niemand auf Grund seiner Herkunft ausgeladen, kein Mussorgski oder Glinka von den Spielplänen genommen, im Gegenteil: Ensembles, in denen Russen und Ukrainer arbeiten, erleben die vereinende Größe der Musik.
Kultur aber ist für den Kreml seit Jahren ein oft unterschätzter Politfaktor. Beteiligt sind nicht nur Russen, sondern auch Deutsche. So wurde etwa Hajo Frey, ehemals Intendant des Theaters Bremen und des Bruckner-Hauses in Linz, hierauf Veranstalter des Dresdner Semperopernballs (nachdem er in Bremen Musical-Verluste hingelegt und in Linz für seine Russlandnähe unter Druck geraten war) von Putin und seinem Kultur-Freund, dem Cellisten Sergei Roldugin, als Intendant nach Sotschi geholt. Bei Roldugin wurden übrigens zwei Milliarden Dollar in Panama-Scheinfirmen gefunden. Hajo Frey organisiert seither sanften Kulturtourismus nach Sotschi, lädt Wirtschaftsführer der Österreichischen Handelskammer, Künstler:innen und Bundespolitiker in seine Wohlfühloase ans Schwarze Meer. Noch im Januar bejubelte Elisabeth Motschmann (CDU) auf Facebook den „Brückenbauer“ Frey.
Es sind diese Manager:innen und Künstler:innen, die nun hinterfragt werden. Und, ja: dabei reicht es nicht, mit dem Finger nach Russland zu zeigen. Putins Kulturnetzwerk funktioniert gerade durch Abhängigkeiten im Westen. Angefangen vom Intendanten der Münchner Philharmoniker, Paul Müller, der Gergievs Menschenverachtung stets als Privatsache schöngeredet hat, über den von Gazprom gesponserten Champions-League-Trailer, in dem Gergiev und der Pianist Denis Matsuev Tschaikowski malträtieren, bis zum griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis, der nicht nur Chef des SWR-Orchesters ist, sondern sich sein Ensemble Musicaeterna von der VTB-Bank finanzieren lässt, die zu über 60 Prozent dem russischen Staat gehört. Die Gastspiele des Orchesters werden, auch in westeuropäischen Musikmetropolen, gern von russischen Oligarchen finanziert.
Auch deshalb ist es wichtig, gerade in diesen Tagen, genau hinzuschauen: nach Moskau, aber auch nach Berlin, nach Salzburg und Baden-Baden.
Kommentare 18
Ich schaue auf deutsche Künstler:innen wie sie sich aus den hiesigen Fördertöpfen speisen und das Lied der BRD singen: wir sind die Guten. Kritik unerwünscht. Schade, denn hier gäb es einiges zu kritisieren. Wie kann ein Land das so hypermoralisch daherkommt, quasi die moralische Supermacht darstellt, es zulassen, dass die Armut gravierend angestiegen ist, wie kann es sein, dass Arme und Kranke unter dem physischen Existenzminimum dahinsiehen müssen. Wie kann es sein, dass es eine Wohnungskrise gibt, sogar Familien obdachlos werden. Geld ist allerdings da: Spekulantenkrise betitelt als Bankenkrise, Kriegskrise (betitelt als Flüchtlingskriese, aktuell Ukraine). Dass Vermögen der Superreichen hat allerdings kräftig zugelegt und es werden aktuell wieder einmal Hilfen an notleidende Konzerne aufgelegt, anderen wird Frieren für den Frieden nahegelegt. Und schon bemerkt seit 1998 jagt eine Krise die andere, nur zu dem Zweck, dass die Armen und Mittelschicht ärmer werden und sich das Vermögen konzentriert. Die deutschen Künstler*innen aber schweigen dazu.
Nur Sie allein wissen ganz genau, was alle deutschen Künstler*innen fühlen, denken, was sie verschweigen, was sie motiviert und wie sie ihr Leben finanzieren. Sie müssen wohl die Person sein, die von anderen Menschen Gott genannt wird.
Dankesehr. Abrüstung im Kulturkampf, stattdessen Ross und Reiter benennen. Und dazu gehört nun mal Gergiev, mit Russophobie hat das nichts zu tun.
Etwas verlogen ist allerdings das Verhalten des Münchner OBs, der jahrelang Gergiev hofiert hat und nun erst sein Gewissen entdeckt.
daß als "künstler" geltende nicht nur auf der seite von "frieden+fortschritt" stehen,
sondern auch als veritable kriegs-trommler und chauvinisten sich exponieren
(von "klammheimlichen" freunden terroristischer un-taten mal abgesehen),
ist spätestens seit weltkrieg eins bekannt.
auch promis aus publikums-wirksamem sport und der massen-unterhaltung
sollten der kritik nicht ent-zogen werden...
ich plädiere nicht für "staatliche ausschüsse zur ermittlung zweifel-hafter gesinnungen".
aber an-prangerungen (von despoten-nähe) in der öffentlichkeit
(mit der möglichkeit zur gegen-darstellung) halte ich für geboten.
promis sind keine wehrlosen.
Sie sind promis durch akkumulierten zu-spruch eines publikums.
Es ist auch möglich, Herrn Reiters Vorgehen anders zu bewerten. Etwa als Zeichen von Scheinheiligkeit und Verbohrtheit. Beides ur-deutsch.
Andernfalls müssten wir späte Gewissensbisse per se ausschließen. Das wäre auch nicht gut.
Lieber spät - als nie.
Als Pranger-Beauftragter stehen Sie doch bestimmt gerne zur Verfügung?
wissen Sie überhaupt von Ihrem glück ?
daß Sie zu zeiten des prangers und später der ländlichen rüge-bräuche
noch nicht durch nerviges schwatzen auffällig geworden sind ?
nix neues, faschingland im vollzug...
Hegemonialpolitik und Massenhysterie habe schon öfters zu Gesinnungshetze und Sippenhaft geführt. Da kann ich nur sagen: wehret den Anfängen!
Danke für diesen Text aus der Kampfabteilung Adenauer!
Stellen Sie sich vor, man muss keine Göttin sein. Es reicht sich die Realität anzusehen. Und ja ich war lange in der Branche.Tja das Überleben, verständlich, wessen Brot ich ess dessen Lied ich sing. Jedoch wohin führt das in der Geschichte?!
Gerne gelesen und im Detail Abhängigkeiten benannt- ach ja die keine Abhängigkeiten sind....
Wer sich so nahe der Macht andient,tja der oder die bekommt dann auch ein paar Machtentscheidungen zu spüren.Interessant ist dann für mich immer,wie die Machtentscheidung z.B. von einem Oberbürgermeister umgedeutet wird.Dann muss ebend klar geredet werden,warum pro geredet wurde und jetzt contra entschieden.
Die Kultur in der Klassikbranche unterliegt genau auch der Summe der verkauften Karten etc., denn Money bestimmt eben auch die Bedeutung in der Branche-besondrs den Bekanntheitsgrad der Stadt- der Konzerthalle-der Künstler- man ist im Gespräch und bekannt.....erheischte Aufmerksamkeit in allen Kanälen...
Das hätte ich von Ihnen, Axel Brüggemann, nun doch nicht erwartet.
Befremdlich (gilt natürlich zunächst einmal nur für mich).
„Krieg ist immer auch: Kulturkampf.“
Wohl ganz besonders für den Verfasser dieses Artikels.
… ist das die neue deutschsprachige Leitkultur?
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Kulturkampf.
Abgelehnt.
Eilig zusammengestümpertes, russophobes Pamphlet.
Die stramm-deutschnationale Ideologie Brüggemanns - aber auch eine gewisse Feigheit - zeigte sich schon 2006:
"Im Jahr 2006 kritisierte Brüggemann zunächst unter eigenem Namen im Magazin Park Avenue die Berliner Philharmoniker und ihren Chefdirigenten Sir Simon Rattle. Das Orchester habe keinen „deutschen Klang“ mehr, andere könnten besser „in Schwarz-Rot-Gold“ musizieren. Drei Wochen später schrieb Brüggemann, diesmal unter dem Pseudonym „Fabian Bremer“, einen weiteren Artikel mit derselben Stoßrichtung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, was von vielen kritisiert wurde."
"Es geht nicht um eine „Cancel Culture“ für alles Russische!"
diese behauptung braucht ein ausrufezeichen!
"Es geht lediglich darum, dass Künstler:innen, die Putin seit Langem nahestehen, kurz erklären, dass wir noch von einem gemeinsamen C-Dur sprechen – von Beethovens humanistischem C-Dur, das die Verfolgung von Minderheiten, einen Angriffskrieg auf selbstbestimmte Länder und das Morden von Zivilisten kategorisch ausschließt."
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/571488/umfrage/angaben-zu-zivilen-todesopfern-nach-drohnenangriffen-der-usa-im-vergleich/
https://www.n-tv.de/politik/London-verharmloste-Zahlen-article219671.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-studie-500-000-iraker-starben-im-irak-krieg-1.1795930
mußte sich deshalb je eine künstlerIn "kurz" zu "Beethovens humanistischem C-Dur" bekennen, um den heugabeln eines aufgestachelten kulturlynchmobs zu entgehen? diese scheinheiligkeit zur zeit ist kaum zu ertragen.
"We are caught in a trap"
Elvis Presley - Suspicious Minds (lyrics)
https://www.youtube.com/watch?v=7D5VekM6YWM
Genau! DAS sind die Fragen, die WIR uns hier mal stellen sollten, statt heißherzige Statements russischer Künstler einzufordern. Einfach mal die Verhältnismäßigkeiten betrachten. Es ist ja nun nicht so, dass die Netrebko trällert und Vlad Putin sie an der Stalinorgel begleitet.