Prinz Harry und der gerechte Zorn

Podcasts Spotify drängt weiter auf den Podcast-Markt, bezieht zu kontroversen Inhalten aber kaum Stellung. Wie schwierig das jetzt schon ist, zeigt der Fall Joe Rogan
Ausgabe 20/2021
Der umstrittene und erfolgreiche US-amerikanische Podcast-Moderator und Comedian Joe Rogan
Der umstrittene und erfolgreiche US-amerikanische Podcast-Moderator und Comedian Joe Rogan

Foto: Douglas P. De Felice/Getty Images

Eigentlich interessieren mich die britischen Royals überhaupt nicht. Die Queen, Charles, William und Kate, Harry und Meghan sind mir alle wurscht. Neulich allerdings habe selbst ich mitbekommen, dass Prinz Harry zornig war, was allerdings eher mit dem Ziel seines Grolls zu tun hatte: Joe Rogan.

Joe Rogan ist zwar alles andere als adelig, aber rein quantitativ könnte man ihn wohl als US-Podcast-König bezeichnen. Am 14. Mai erschien Folge Nummer 1.652 seines Podcasts The Joe Rogan Experience, in dem er sich mit verschiedenen, mitunter wiederkehrenden Gästen unterhält. Die Folgen dauern etwa drei Stunden, manchmal sogar länger. Rogan selbst wurde 2019 mit der Aussage zitiert, sein Podcast habe monatlich über 190 Millionen Downloads. 2020 wechselte Joe Rogan exklusiv zu Spotify – laut Medienberichten für 100 Millionen US-Dollar.

Mit Joe Rogan holte sich der Streamingdienst ein Aushängeschild mit großer Anhängerschaft ins Haus – aber auch eine Figur, die gerade in Zeiten der aufgeheizten Debatten um Meinungsfreiheit, „Cancel Culture“ und „Wokeness“ polarisiert – und zugleich schwer greifbar ist. Das liegt vor allem auch an Rogans Gästen. Die reichen von Bernie Sanders, Edward Snowden und Elon Musk (mit dem er in einer Folge kiffte) bis zum rechten Moderator und Verschwörungstheoretiker Alex Jones, der schon mehrmals dabei war, oder dem ehemaligen Breitbart-Redakteur Milo Yiannopoulos. Besonders diese Offenheit nach rechts hat auch zu viel Kritik geführt, ein Slate-Artikel bezeichnete den Podcast 2019 als die „zentrale Plattform der ‚Freidenker‘, die die Linke hassen“.

Jüngst sorgte Rogan wieder einmal für Ärger: In einer Podcastfolge erklärte er, dass es für die meisten zwar sicher sei, gegen Corona geimpft zu werden, er fügte aber auch hinzu: „Wenn du 21 Jahre alt bist und mich fragst, ob du dich impfen lassen sollst, würde ich Nein sagen. Wenn ihr gesunde Menschen seid, die Sport treiben, jung seid und gut esst, dann müsst ihr euch darüber keine Sorgen machen.“ Mir lässt das die Haare zu Berge stehen. Und so ging es auch Prinz Harry, der erklärte, Rogan müsse sich seiner Reichweite bewusst sein, bevor er „Fehlinformationen“ verbreite. Mit einer Plattform komme große Verantwortung. Da war Joe Rogan allerdings schon zurückgerudert: Er sei kein Impfgegner, beteuerte er.

Wer laut Medienberichten nichts zu der Sache sagte, war Spotify. Und hier wird es interessant – mit Blick auf die Entwicklung des Podcastmarktes, auf den Spotify drängt und bei dem Exklusiv-Produktionen eine große Rolle spielen. Dadurch ist der Streamingdienst nicht mehr nur eine Plattform für alle, bei der es ausreicht, bestimmte Inhalte auszuschließen. Entsprechende Regeln gibt es auch bei Spotify, sie führten unter anderem dazu, dass Podcasts wie der von Rogan-Gast Alex Jones wegen hetzerischer Inhalte entfernt wurden.

Joe Rogan aber ist ein exklusives Aushängeschild. Zwar hat Spotify auch einige der alten Rogan-Folgen ohne großes Aufhebens entfernt, doch viel Kontroverses bleibt unkommentiert stehen. Zum Beispiel der befremdliche „Impftipp“.

Für diese Inhalte steht natürlich Joe Rogan mit seinem Namen – aber eben auch Spotify. Die Frage, ob Streaminganbieter in der neuen Podcastwelt nicht eher wie Redaktionen fungieren und als solche behandelt werden sollten, wird sich in Zukunft vermehrt stellen. Kontroverse Inhalte werden trotzdem weiterhin ihren Platz finden. Der Aufreger – altes Mediengesetz – verkauft sich gut. Doch wenn es mal danebengeht, sollten die Streamingdienste Stellung beziehen. Frei nach Prinz Harry: Mit dem Exklusiv-Podcaster kommt Verantwortung. Der hat übrigens mit seiner Frau Meghan auch eine Exklusiv-Partnerschaft mit Spotify. Um die Royals soll es da zum Glück nicht gehen.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts.

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