Söder sind die Armen egal

Corona Mit seinem Vorstoß zur FFP2-Maskenpflicht liefert Markus Söder ein Lehrstück dafür, wie Arme von der Politik vergessen werden. Gerade in der Corona-Krise ist das fatal
Gott mit dir, du Land der Bayern – zumindest wenn du Kohle hast
Gott mit dir, du Land der Bayern – zumindest wenn du Kohle hast

Foto: Matthias Balk/POOL/AFP via Getty Images

Markus Söder ist da für uns. Markus Söder erklärt selbst den Preußen unter uns die Lage. Markus Söder geht voran. So inszeniert sich der bayerische Ministerpräsident seit Monaten in der Corona-Krise. Doch mit seinem Vorstoß, FFP2-Masken ab kommendem Montag beim Einkaufen und im Öffentlichen Nahverkehr in Bayern zur Pflicht zu machen, zeigt Söder, dass ihm im Kampf gegen die Pandemie Menschen mit wenig Geld herzlich egal sind.

Es stimmt, dass FFP2-Masken besser schützen als normale Alltagsmasken – die Träger*innen ebenso wie deren Mitmenschen. Deswegen hilft es gewiss auch gegen die Weiterverbreitung des Virus, wenn sie vermehrt getragen werden. Nur: FFP2-Masken sind teuer – sie kosten mindestens zwei bis drei Euro pro Stück, in Apotheken auch schnell mal fünf Euro. Nach der Bekanntgabe der Maßnahme konnte man förmlich zusehen, wie die Preise für FFP2-Masken auf Online-Plattformen anstiegen – der Markt regelte. Dabei sind diese Masken „grundsätzlich als Einmalprodukte vorgesehen“, wie es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte heißt. Im Privatgebrauch lassen sie sich zwar desinfizieren und wiederverwenden – wirklich langlebig sind die Masken aber dennoch nicht.

Für viele stellt sich nun die Frage, ob sie sich den besseren Schutz gegen das Virus, der zugleich Eintrittsbedingung zu Supermarkt und U-Bahn wird, leisten können. Markus Söder hat seine Stammwählerschaft im Blick – und für derlei Sorgen offensichtlich vor allem Ignoranz übrig. Dabei ist die Frage alles andere als trivial. Der Hartz IV-Satz für eine alleinstehende Person beträgt derzeit 446 Euro. Wie soll man davon neben Lebensmitteln und auch noch Einmalmasken bezahlen?

Aktuell sind Ausgaben in diesem Umfang nicht berücksichtigt: Derzeit stehen im Monat 2,63 Euro für medizinische Produkte zur Verfügung. Das ist per se schon viel zu wenig, im Augenblick aber erst recht. Im vergangenen Jahr wies ein Gericht die Klage eines Hartz IV-Empfängers auf Erstattung der Masken ab. Denn Masken seien als Kleidung zu betrachten und damit durch den Regelsatz abgedeckt. Auch heute hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch einmal erklärt, die Masken müssten selbst finanziert werden.

Auch für Geringverdiener und Menschen mit niedriger Rente sind regelmäßig anzuschaffende FFP2-Masken ein Extraposten, der zu einer weiteren Belastung werden kann – man denke nur an die hohen Mieten. Nach reichlicher Kritik ist heute zu hören, dass Bayern zwei Millionen Masken für Bedürftige zur Verfügung stellen wird. Bei etwa 100.000 Hartz IV-Empfänger*innen sind allerdings auch die schnell aufgebraucht.

Politik, die ausgrenzt

Vor allem aber bleibt die Botschaft in der Welt: Wer arm ist, der zählt weniger. Sie können sich keine Maske leisten? Dann gehen Sie halt nicht einkaufen! Dann fahren Sie halt nicht Bahn! Diese Politik schließt Menschen mit wenig Geld – ohnehin oft gesundheitlich stärker durch das Coronavirus gefährdet – vom Alltagsleben aus, sie drängt sie weiter an den Rand, sie schützt sie nicht. Gleichzeitig wird Großkonzernen wie TUI oder Lufthansa unter die Arme gegriffen. Zu Beginn der Corona-Krise war noch allenthalben in salbungsvollem Ton zu hören, vor dem Virus seien alle gleich. Es stimmt nicht.

Vor diesem Hintergrund ist die Aussage des bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek, von Söder erst kürzlich ernannt und als „Macher“ geadelt, zynisch. Der sagte mit Blick auf die Kosten für die Masken, jeder werde „auch selber einen Beitrag leisten können in diesem Bereich“.

Diesen Beitrag wird ja wohl jeder noch leisten können – so klingt Verachtung für arme Menschen. Ihre Sorgen werden nicht nur ignoriert, vielmehr wird ihnen en passant auch noch ihre Beteiligung im Kampf gegen die Pandemie abgesprochen. So bekämpft man keine Krise. So grenzt man weiter aus. Darüber sollte auch die Selbstinszenierung als Corona-Fighter nicht hinwegtäuschen.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

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