Die Ukraine will Russland vom ESC aussperren

Einreiseverbot Die ukrainischen Behörden verweigern der russischen Sängerin Julia Samoilowa die Einreise zum Eurovision Song Contest. Zündstoff für das ohnehin angespannte Verhältnis.

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Die russische Sängerin Julia Samoilowa
Die russische Sängerin Julia Samoilowa

Bild: Kirill Kudryavtsev/AFP/Getty Images

Ukraine - Der Eurovision Song Contest wurde früher als pure Unterhaltungsshow gesehen und in Deutschland oft deswegen verspottet. Das hat sich letztes Jahr gedreht, als erstaunlicherweise die Ukraine mit "1944" - einem politischen Lied, das von der Deportation der Krimtarten während des Zweiten Weltkriegs handelt - den Wettbewerb gewonnen hat. Der Eindruck, dass sich mit einem Fingerzeig auf politische Wunden ein Musikwettbewerb gewinnen ließe, ist dadurch verstärkt worden.

Jetzt also neuer Zündstoff: Die ukrainischen Behörden haben der russischen Sängerin Julia Samoilowa offiziell ein Einreiseverbot erteilt. Hintergrund ist ein Auftritt im Jahr 2015 in Kerch, einer Stadt, die auf der von Russland annektierten Krim liegt. Laut ukrainischem Recht ist es russischen Bürgern untersagt, ohne Genehmigung auf die Krim zu reisen, da dies sonst mit Einreiseverbot geahndet wird. Es ist nicht gesichert, dass das russische Fernsehen von diesem Tatbestand wusste, denn es hieße, man werde eine Künstlerin oder eine Künstler schicken, dem bislang nicht die Einreise verweigert wurde. Allerdings könnte es sich auch um ein taktisches Spielchen handeln, denn Julia Samoilowa ist ja auch erst seit heute die Einreise verweigert worden.

Julia Samoilowa wurde vorab als russische Vertreterin beim Eurovision Song Contest in Kiew ernannt. Sie soll mit "Flame Is Burning" für Russland antreten.

Eingebetteter Medieninhalt

Russland ist seit der Einführung eines diskriminierenden homophoben Gesetzes und der international scharf verurteilten Krimannexion ein ungeliebter Partygast beim Eurovision Song Contest. Aber das russische Fernsehen weiß mittlerweile, wie es bei dieser Party dabei sein kann, ohne ausgebuht zu werden. Vergangenes Jahr sendete Russland den bei Schwulen beliebten Sänger Sergei Lazarew. In einem Kommentar von Andreas Brenner bei der dw.com wird die Wahl von Samoilowa ebenfalls als "kluger Schachzug" gewertet, denn sie ist seit ihrer Kindheit auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie auszubuhen wie einst die Tolmalchewi Geschwister 2014 sei zynisch.

Die Europäische Rundfunkunion hat bereits auf die Bekanntgabe des Einreiseverbots Stellung bezogen. Sie befinde sich derzeit im Dialog mit den ukrainischen Behörden. Sie respektiert einerseits die Gesetze, die in der Ukraine gelten, will aber gleichzeitig sicherstellen, dass alle Künstler, die beim Eurovision Song Contest in Kiew auftreten sollen, einreisen dürfen.

Der Bann, der nun auf Julia Samoilowa liegt, ist ein Faustschlag ins Gesicht derjenigen, die dafür nichts können, dass die russische Regierung sich mit der ukrainischen im tiefsten inneren Streit befinden. Ein Schachspiel, bei dem der Eurovision Song Contest droht als Faustpfand herhalten zu müssen. Er wird auch die Krimkrise nicht lösen und auch nicht die vielen Menschen lebendig machen, die in den umkämpften Gebieten in der Ostukraine verstorben sind.

Mein Appell an beide Seiten: Haltet die politischen Spielereien aus dem Eurovision Song Contest raus.

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Geschrieben von

Daniel Koch

Schreibt über den Eurovision Song Contest, die Teilnehmer, die Länder und die TV-Shows

Daniel Koch

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