Braune Lokalzeit: Was sollen wir tun, wenn die AfD 2024 die Kommunalparlamente erobert?
AfD Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen im Osten, die Rechten dürften viel gewinnen. Fragt sich: Wie umgehen mit der Partei, jenseits von Landesparlamenten und Bundestag? Noch gibt es Spielraum, die Parteigänger von Björn Höcke zu blockieren
Die Kameraden von der AfD kriegen viel zu selten eins auf die Mütze
Foto: Hans Christian Plambeck/Laif
„Wie hältst du es mit der AfD?“ Das war die Frage, die in den letzten Wochen die Debatte prägte. Bereits anlässlich der Wahlerfolge der Partei in den ostdeutschen Bundesländern stand im Raum, welcher Umgang angemessen ist mit einer Partei, die seit 2016, dem Jahr ihres ersten Einzugs in ein Landesparlament, nachfolgend nicht nur in alle anderen Landesparlamente und schließlich in den Bundestag einzog, sondern sich seitdem stark nach rechts radikalisiert hat. Jene, die sich um den ehemaligen Co-Parteichef Jörg Meuthen scharten, sind inzwischen innerparteilich marginalisiert. Die AfD ist aus den Landtagen heraus groß geworden. Allein, ihr fehlte bislang weitgehend die politische Verankerung in den Kommunen. Dass sich dies 2024 ändern kö
mit der AfD?“ Das war die Frage, die in den letzten Wochen die Debatte prägte. Bereits anlässlich der Wahlerfolge der Partei in den ostdeutschen Bundesländern stand im Raum, welcher Umgang angemessen ist mit einer Partei, die seit 2016, dem Jahr ihres ersten Einzugs in ein Landesparlament, nachfolgend nicht nur in alle anderen Landesparlamente und schließlich in den Bundestag einzog, sondern sich seitdem stark nach rechts radikalisiert hat. Jene, die sich um den ehemaligen Co-Parteichef Jörg Meuthen scharten, sind inzwischen innerparteilich marginalisiert. Die AfD ist aus den Landtagen heraus groß geworden. Allein, ihr fehlte bislang weitgehend die politische Verankerung in den Kommunen. Dass sich dies 2024 ändern kXX-replace-me-XXX246;nnte, wenn in den ostdeutschen Ländern Kommunalwahlen sind, deutete sich mit den Erfolgen der AfD auf kommunaler Ebene in Sonneberg (Thüringen) und in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt) an.Dort erlangten die Kandidaten der AfD jeweils das Amt des Landrats beziehungsweise des Bürgermeisters. In diesem Licht stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der AfD in Kommunen mit neuer Dringlichkeit. Und dies keineswegs nur für die CDU: Wie Recherchen ergaben, sind die Fälle, in denen Vertreter anderer Parteien Anträgen der AfD zustimmen, nicht selten.Dass Parteien-Vertreter die Mehrheit in kommunalen Gremien bilden, ist alles andere als selbstverständlich. Anders als im Bundestag oder in den Landtagen geht es im Ortschaftsrat oder im Kreistag nicht um die große Politik, sondern um die lokalen Belange der Bürger: das Schwimmbad, den Fußgängerüberweg, den Stadtpark. Dass dies nichts mit Politik zu tun hätte, diese mithin nur in Berlin oder einer Landeshauptstadt stattfände, ist ein folgenreicher, die Kommunen absichtlich entpolitisierender Spin, der die vor Ort vorhandenen politischen Interessengegensätze zukleistert.Merke: Wer der Entpolitisierung der Kommunalpolitik das Wort redet, gibt seine Partikularinteressen als die des Gemeinwesens aus. Mit der AfD tritt nun in den Kommunen ein neuer politischer Wettbewerber auf. Und mit ihm ein Dilemma des Umgangs mit dieser Partei. Diese verfolgt in den Landtagen im Wesentlichen eine ausschließlich rechtsextreme politische Agenda und nimmt das Parlament als Bühne für ihre Propaganda in Dienst. Doch auf kommunaler Ebene gehen die Uhren anders. Große ideologische Schlachten sind in Kommunalparlamenten selten. Und doch geht es hier elementar um Politik: Flüchtlinge unterbringen, Soziokultur fördern oder Zuschüsse für das Frauenhaus. Vor Ort geht es durchaus um Themen, die der AfD politisch ein Dorn im Auge sind.Erst Schweigen, dann SchreienIhre bisher mangelnde kommunalpolitische Kompetenz ummanteln die Mandatsträger mit der ihnen eigenen Rhetorik vom „Filz des Altparteienkartells“, das sich hinter dem Rücken der Bürger die Taschen vollmache. Praktiker der Kommunalpolitik anderer Parteien berichten, die Vertreter der AfD glänzten in den Kreistagen entweder durch Schweigen oder Abwesenheit, träten aber lautstark auf, sobald Themen auf der Tagesordnung stünden, die sich skandalisieren ließen. Daraus ergibt sich das Dilemma im Umgang mit der AfD: Ihren Anträgen zuzustimmen bedeutet, sie politisch aufzuwerten und ihre inhaltliche Agenda ohne Not zu stärken, letztlich unfreiwillig an ihrer Normalisierung mitzuwirken. Dies aus grundsätzlichen moralisch-politischen Erwägungen abzulehnen, vermittelt aber unter Umständen nach außen den Eindruck einer Blockadepolitik, die auch wiederum der AfD nützt.Der von CDU-Chef Friedrich Merz vermittelte Eindruck, auf kommunaler Ebene gehe zumindest in Ostdeutschland ohne die AfD nichts mehr, stimmt nicht. Es ist den anderen Parteien unbenommen, eigene Anträge einzubringen, den Versuch des politischen Agenda-Settings der AfD zurückzuweisen und der Wirkung der Partei in den Kommunen damit zumindest Grenzen zu setzen. Mehrheiten gegen die AfD sind in fast jedem Kommunalparlament möglich. Aber sie müssen gewollt sein.Zweifellos wird die Abgrenzung zur AfD im lokalen Raum dadurch erschwert, dass sich die Mandatsträger oftmals jenseits der Sphäre des Politischen lebensweltlich und habituell nahestehen, gemeinsam zur Schule gingen, sich am Abend in der Kneipe treffen, kurz: sozialräumlich aufeinander angewiesen sind. Dies schafft Loyalitäten, die jenseits der Sphäre des Politischen liegen. Schließlich sitzen nicht Björn Höcke und Alice Weidel im Stadtrat, sondern Frau Sonntag und Herr Mittwoch aus der Maienstraße. Diese biografische Nähe macht es so besonders schwer, in den Mandatsträgern der AfD vor Ort die Parteigänger Höckes und Weidels zu sehen, die im Stadtrat nicht als Privatpersonen sitzen, sondern programmatische Überzeugungen der AfD repräsentieren.Mit dem absehbaren Erstarken der AfD in den Kommunen wird es von Bedeutung sein, demokratisch handlungsfähig zu bleiben und sich weder in der Öffentlichkeit noch im Stadtrat von der AfD vorführen zu lassen. Dies bedeutet, in den Kommunen frühzeitig dem Eindruck entgegenzutreten, die AfD vertrete die Interessen der Bürger gegen das lokale Establishment. Für den Umgang mit der AfD in den kommunalen Parlamenten wird es neben grundsätzlichen politischen Erwägungen, der Partei keine politischen Erfolge in den Schoß fallen zu lassen, jeweils im Einzelfall Entscheidung bedürfen, wie vor Ort mit einem konkreten politischen Ansinnen der AfD umzugehen sei.Bloß kein bürgerlicher KreditAus der mitunter kommunalpolitisch notwendigen Interaktion mit der AfD darf keine Kooperation werden, von der die Partei politisch profitiert. Dies vor Ort im Stadtrat umzusetzen, ist eine Herausforderung, die mehr Unterstützung für die Kommunalpolitiker nötig macht, als die anderen Parteien derzeit bieten.Die von der AfD praktizierte beständige Vermischung der Entscheidungsebenen in der Ansprache ihrer Wähler ist ein Problem von lokaler Demokratie und Beteiligungsformen. Zu viele Menschen verstehen nicht, worüber in Brüssel, Berlin oder Erfurt und worüber vor Ort entschieden wird. Das macht es der AfD leichter, politische Gegner zu markieren.Der Ruf des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) nach einem „pragmatischen Umgang mit der AfD“ vor Ort ist nur ein anderer Name für die weitere Normalisierung auf kommunaler Ebene und verschafft einer rechtsextremen Partei somit einen bürgerlichen Kredit. Dagegen gälte es, die Perspektive auf Kommunalpolitik zu verändern. Dazu braucht es eine Aufwertung derer, die vor Ort das Gesicht der Demokratie – ohne Personenschutz und Dienstwagen – sind. Zuweilen sind diese Menschen dem Hass und den Anfeindungen rechter Protestgruppen ausgeliefert.Viel wäre gewonnen, wenn Kommunen finanziell wieder handlungsfähiger wären, Bürger in der Beteiligung an Belangen ihrer Kommune wieder demokratische Selbstwirksamkeit erfahren würden und damit die oft gehörte Klage von der Entmündigung der Politik vor Ort entkräftet würde. Dies würde der AfD das Wasser abgraben. Aber welche Partei oder Koalition hätte die Kraft, dieses Ziel zu erreichen?