Es ist schon seltsam. Da investieren Wissenschaftler immense Energie in die Erlangung der Lehrbefugnis. Und wenn sie nach Jahren intensiver Arbeit endlich die ersehnte Professur erhalten haben, nutzen sie ohne zu zögern jede Möglichkeit, sich von der Lehre „freistellen“ zu lassen. Deren Varianten sind zahlreich und im Zuge der als „Exzellenz-Initiative“ deklarierten Umstellung der Universitäten auf Ungleichheit und Selbstkannibalisierung in beeindruckendem Maße gewachsen. Forschungsfreisemester und -stipendien, Fellowships an Exzellenz-Clustern sowie Gastprofessuren an auswärtigen Hochschulen gehören zu probaten Möglichkeiten, dem universitären Alltag zu entkommen.
Umso mehr, wenn die Institutionen mit angenehmen Bedingungen locken. Wer etwa ein lehrfreies Jahr am Berliner Wissenschaftskolleg oder am Freiburger Institute for Advanced Studies verbringen darf, muss sich keine Sorgen machen: Von der Bücherbereitstellung bis zur Tagungsorganisation ist bestens gesorgt. Auch der Status eines Permanent Visiting Professor an einer US-amerikanischen Universität lohnt sich: Turnusmäßig wiederkehrende Semester auf dem Campus kann man prima zur Niederschrift neuer Werke nutzen. Die Mühen der heimatlichen Ebene werden derweil von Lehrstuhlvertretern und einer wachsenden Schar von Lehrbeauftragten bewältigt, die für einen kaum mehr symbolischen Obolus wirken.
Schieflage der universitären Lehre
Nun sind diese Verhältnisse nur bedingt vergleichbar mit jenem „akademischen Kapitalismus“, den Wolfgang Kemp neulich in einem viel beachteten Artikel über den Umbau des US-amerikanischen Hochschulsystems in der SZ anprangerte. Eine ungebremste Bereicherung der Hochschulen auf Kosten der Studierenden ist hierzulande nicht möglich; der halbherzige Versuch einer Füllung universitärer Kassen mit Semestergebühren blieb erfolglos. Bedenklich aber bleibt die Schieflage der universitären Lehre, die in deutschen Landen gerade zwischen den Mahlsteinen exzellenter Forschung und wachsendem Verwaltungsapparat zerrieben wird.
Auch deutsche Hochschulen beteiligen sich an der Etablierung eines Systems, bei dem einige wenige Spitzenwissenschaftler zu besonderen Bedingungen wirken, während Lehrveranstaltungen immer mehr über knapp oder überhaupt nicht besoldete Lehraufträge abgesichert werden. Zwar gibt es noch keine „globalen Professuren“. Dafür aber diverse Gelegenheiten zum temporären Ausstieg aus einem System, das mit der Einheit von Forschung und Lehre einst Vorbild für die Einrichtung von Universitäten war.
Über Gründe für Absetzbewegungen muss nicht lange spekuliert werden. Zum einen haben Hochschullehrer in den überregulierten Bologna-Universitäten substantiell weniger Zeit. Zum anderen sind die auf ECTS-Punkte abonnierten Studierenden nicht unbedingt das ersehnte Zielpublikum für riskantes Denken. Schließlich dokumentieren „Stars“ und „Diven“ innerhalb des Wissenschaftssystems ein Phänomen, das der Soziologe Robert K. Merton als „Matthäus-Effekt“ beschrieb: „Wer hat, dem wird gegeben.“ Der Gewinn und die Sicherung von Reputation ist dabei zu einem Spiel geworden, dessen Regeln immer schwerer zu durchschauen sind. Ähnlichkeiten mit intransparenten Preisbildungen auf dem Kunstmarkt sind wohl nicht beabsichtigt.
Ralf Klausnitzer lehrt Germanistik an der HU Berlin.
Kommentare 7
Das gesamte deutsche System wird zerrieben weil die Verantwortungsträger die überall eingestellt werden korrupt sind und nichts Leisten, was wiederum als Voraussetzung für die meisten Tätigkeiten oder für ein politisches Amt gefordert ist. Ausschließlich die Dümmsten und Opportunsten bestimmen die Geschicke des Landes die nur ihren eigenen Geldbeutel sehen und damit den Ast absägen auf dem wir alle sitzen. Man sieht es am Berliner Flughafen der nicht fertig wird, an fast allen Projekten, es klappt alles immer weniger aber es wird überall mehr abkassiert. Wenn ich schon alleine die so genannte Ami- oder UK- Dienstleitungskonzerne sehe, zahlen keine Steuern und die Arbeit wird nicht erfüllt alles nur leere Versprechungen alles auf Kosten der Menschen sowohl der Kunden als auch der Arbeitnehmer weil Ausgebildet wird immer weniger und die Arbeit verkommt zu einer prekären stumpfen Sklaverei dank Hartz4LobbyPolitikHandlanger. Mit diesen Dienstleistungskonzernen haben wir heute wirklich eine Servicewüste Deutschland, früher hat man davon geredet, nun wird diese mit der Euro-Plünderungszone ab 2015 unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Betroffenen zum Standard erklärt. An den Unis wird es nicht anders aussehen, sich ducken und das machen was einem gesagt wird, nur das ist kein selbständiges Denken und letztendlich werden es die Studis verlernen und mit einem akademischen Grad zu nichts mehr in der Lage sein als zu einem Hilfshandlanger und Nachvollzieher aber mit Einbildung und eingeredeter Statusorientierung.
Letztendlich ist die Wissenschaft nur noch Kult weil diese meistens lediglich als Handlanger für Großaktionäre fungiert indem mittels gekaufter Gutachten oder Studien pseudowissenschaftlich abgesegnete Freifahrscheine und Unbedenklichkeitsgutachten für Lebensmittelkonzerne ausgestellt oder Anderes oder gefälschte Statistiken erstellt werden. Wenn die Menschen aber später an dem Fraß krepieren und alles verseucht ist oder das System ins Chaos abdriftet übernimmt keiner die Verantwortung. Siehe die 200000 Tote bei dem Asientsunami während Tausende von Geologen auf ihre Bildschirme klotzten. Ja sie träumen davon den Planeten zu verlassen, die Birnen, und wählen fleißig dieselben Taugenichtse, immer und immer wieder!!! Wenn das so weiter geht war der Neandertaler zum dem heutigen sich ach so schlau vorkommenden Homo Sapiens wobei da auch immer mehr die Betonung bei den Amis und ihrer Thinktank-Propaganda auf Homoohnezukunft liegt oder bei der NSA-UK-JamesBonds Kriminalität auf billige Straftäter da Eigentum verletzt wird und Menschen Millionenfach geschädigt werden. Der Zustand der Welt beweist, der heutige Wissenschaftler ist eher ein Täter und Mitläufer als ein Denker und Verantwortungsträger.
Der Neandertaler war ein Erfolgsmodell im Gegensatz zum Homo Sapiens
yep!
Bin seit Jahren wieder in der Uni und leideeeee, bestimmte Prinzipien kenne ich aus der Wirtschaft und die lassen sich anwenden aber bizarres totalitäres Wirtschaftsmitläufertum gekoppelt mit gewachsenen hierarchischen Totalitarismustrukturen machen es Studis schwer, überhaupt dahinter zu blicken, was hier und da passiert/ vll passieren könnte. In der Zwischenzeit lernen wir Formeln auswendig und hoffen daruf, die Klausur zu bestehen, ohne zu verstehen. Und ohne Zeit zu haben, Fragen zu stellen. Hä? Dafür bin ich doch an die Uni gegangen?!!
Bin seit Jahren wieder in der Uni und leideeeee, bestimmte Prinzipien kenne ich aus der Wirtschaft und die lassen sich anwenden aber bizarres totalitäres Wirtschaftsmitläufertum gekoppelt mit gewachsenen hierarchischen Totalitarismustrukturen machen es Studis schwer, überhaupt dahinter zu blicken, was hier und da passiert/ vll passieren könnte. In der Zwischenzeit lernen wir Formeln auswendig und hoffen daruf, die Klausur zu bestehen, ohne zu verstehen. Und ohne Zeit zu haben, Fragen zu stellen. Hä? Dafür bin ich doch an die Uni gegangen?!!
Auch wenn der Beitrag ein gewisses Differenzierungsdefizit aufweist – kleinere, und insbesondere „Provinzuniversitäten“, können und wollen sich den Luxus lehrfauler Eliten kaum leisten – ist seiner Kernaussage zuzustimmen.Freilich gibt es dafür allerlei Gründe, von denen einer aber als Hauptursache anzusehen ist: Die Strukturdeformation der deutschen Wissenschaftslandschaft. Neben einem hinsichtlich Volumen, Kosten, Personal und Ausstattung überdimensionierten außeruniversitären Forschungspotential fristen sehr viele (die meisten) Hochschulen ein recht kümmerliches Dasein, das infolge kanzerogener Bürokratie und Überlastung bald nur noch für Asketen eine berufliche Perspektive bieten wird. Merkwürdigerweise hat sich in der Nachkriegszeit ausgerechnet in Westdeutschland diese in der DDR und im Ostblock zentralistisch etablierte Struktur durchgesetzt, die aus guten Gründen von den führenden westlichen Ländern nicht kopiert wurde. Es ist nunmehr beinahe überflüssig die Frage zu stellen, welche dieser beiden Strukturen sich global als effektiver erwiesen hat. Deshalb ist eine Generalevaluierung dringend geboten, und dies umso dringender, da konservierende und wissenschaftspolitisch einflussreicheSeilschaften am Werke sind, die mit aller Macht und hergeholten Argumenten die institutionelle und personelle Trennungvon Lehre und Forschung zementieren. Abgesehen vom grundsätzlichen Konstruktionsfehler muss man davon ausgehen, dass der deutsche Forschungs- und Hochschulbetrieb in seiner derzeitigen Form alsbald nicht mehr finanzierbar sein wird.
ja, da stimme ich zu, auch mit der Kritik an meinem Beitrag . Ich wusste aber nicht, dass man in kleinen Städten in Ostdeutschland noch so gut studieren kann. Wow, da muss ich mich mal informieren. Zu dem Thema gibt es gerade auf der Hauptseite der Rosa-Luxemburg-Stiftung einen super Artikel .