Der 44-jährige Panafrikanist hatte noch nie ein politisches Amt inne, in das er gewählt wurde. Und nun gleich das des Staatschefs. Noch zehn Tage vor der Präsidentenwahl am 24. März saß Bassirou „Diomaye“ Faye in einer Gefängniszelle. Er gehörte zu den Gegnern des vorherigen Präsidenten Macky Sall, der versucht hatte, nicht nur eine Amnestie, sondern die Abstimmung über einen Nachfolger zu verzögern. Sall scheiterte an wütendem öffentlichen Protest, dem Veto des Obersten Gerichts und Widerspruch des Parlaments in Dakar.
„Vor Gott und der senegalesischen Nation schwöre ich, das Amt des Präsidenten der Republik treu auszuüben“, so Faye vor mehreren afrikanischen Staatsoberhäuptern bei der V
bei der Vereidigung am 2. April in einem Ausstellungszentrum der neuen Kommune Diamniadio nahe der Hauptstadt. Er versprach, die Integrität des Territoriums seines Landes und die nationale Unabhängigkeit zu verteidigen. Er scheue keine Mühe, „der Einheit Afrikas zu dienen“, und wolle das Versprechen auf „radikale Reformen“ und „systemische Veränderungen“ erneuern. Der ehemalige Steuerinspektor ist Senegals fünfter Präsident seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 und der erste, der mit zwei Frauen und vier Kindern in einer polygamen Ehe lebt. „Diomaye“ bedeutet in der Sprache der Serer – neben den Diola, Wolof, Mandinka, Soninke und Fulfulde eine der maßgeblichen Volksgruppen im Senegal – „der Ehrenhafte“. Der praktizierende Muslim kommt aus einfachen Verhältnissen im südlichen Département Mbour und verkörpert eine neue Generation junger Politiker Westafrikas. Er bewundert den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und verehrt den südafrikanischen Anti-Apartheid-Helden Nelson Mandela. Was ihm vorschwebt, ist ein Land des inneren Friedens und einer unabhängigen Justiz.Spricht er damit eine Jugend an, deren Werte von traditioneller dörflicher Erziehung und der Hingabe an den Islam geprägt sind? „Ich fühle mich frei, weil Senegal endlich frei ist“, sagt der 27-jährige Elhadji Thiam, Kaufmann in Dakar und überzeugter Anhänger der Patriots of Senegal (Pastef), Fayes Anti-Establishment-Partei. Gegründet 2014 von Ousmane Sonko, wurde sie 2023 vom Innenministerium verboten. Zuletzt war Faye Pastef-Generalsekretär, während Sonko als Vorsitzender der überaus populäre Mentor dieses Projektes war. Allerdings zur jüngsten Wahl wegen anhängiger politischer Strafverfahren nicht antreten durfte.Sonko hat die Jugend Senegals mit seiner scharfen Kritik an den politischen Eliten fasziniert und einen Märtyrerstatus erlangt, weil er wegen einer Vielzahl von Anklagen im Gefängnis saß. Derzeit verfügt die nunmehrige Präsidentenpartei Pastef über keine Mehrheit in der Nationalversammlung. Faye muss Allianzen bilden, um Gesetze zu verabschieden, oder eine Parlamentswahl ausrufen, die im November stattfinden könnte.Bassirou Faye für „mehr Solidarität“ zwischen den Ländern der RegionFest steht, Ousmane Sonkos Charisma hat Bassirou Faye geholfen, beim Präsidentenvotum im ersten Wahlgang aus dem Stand auf fast 55 Prozent der Stimmen zu kommen. Auch was jetzt über das Wirtschaftsprogramm bekannt wird, lässt auf eine Beteiligung Sonkos schließen. Man will im Interesse von mehr ökonomischer Souveränität endlich weg von französischen Kolonialrelikten wie dem westafrikanischen CFA-Franc, einer an den Euro gekoppelten Währung, die „das Streben nach Entwicklung und Wohlstand in der westafrikanischen Nation“ (Faye) behindert. Kurz vor der Wahl hatte Faye nicht nur angekündigt, sondern geschworen, den Zugriff auf die Ressourcen im Öl- und Gassektor sowie beim Fischfang wiederherzustellen. Man solle in die Landwirtschaft investieren, um sich schon bald mit Nahrungsmitteln selbst zu versorgen.Die größte Herausforderung wird jedoch darin bestehen, in einem Land für Arbeitsplätze zu sorgen, in dem 75 Prozent der 18 Millionen Einwohner unter 35 Jahre alt sind und die Arbeitslosenquote offiziell bei 20 Prozent liegt. Viele halten die Zukunft für so düster, dass sie ihr Leben riskieren, wenn sie versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, um nach Europa auszuwandern. Auch deshalb sollte es „mehr Solidarität“ zwischen den Ländern der Region geben, glaubt Faye, der dafür wirbt, dass in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS weniger relegiert und reglementiert wird. So will er sich dafür einsetzen, dass die von patriotischen Militärs regierten ECOWAS-Staaten Burkina Faso, Mali und Niger wieder in deren Kreis aufgenommen statt mit Interventionen bedroht werden.Noch vor Monaten hatte sich die EU hinter harte Sanktionen bis zum militärischen Eingreifen gegen die „Putschisten“ gestellt. Nun aber wurde der Machtwechsel in Dakar von Brüssel über Paris und Washington bis nach Addis Abeba, dem Sitz der Afrikanischen Union, gefeiert. Inklusive des Verständnisses von Präsident Faye für die Putschisten in Ouagadougou, Bamako und Niamey? Man wird sehen.