„Black Friday for Future“-Regisseure: „Lachen ist eine Form von Freiheit“
Interview Die Filmregisseure Olivier Nakache und Éric Toledano haben schon zahlreiche Spielfilme gemeinsam gedreht. Im Gespräch verteidigen sie ihre neue Komödie „Black Friday for Future“
Mit ihrer Komödie Ziemlich beste Freunde über einen querschnittsgelähmten Millionär und seinen franko-senegalesischen Pfleger gelang dem Regieduo Éric Toledano und Olivier Nakache 2011 ein Kinohit, der allein in Deutschland neun Millionen Zuschauer begeisterte. Ihrem Rezept, soziale Themen unterhaltsam zu verpacken, sind sie seitdem treu geblieben, zuletzt in der Arte-Serie In Therapie, zu deren zwei Staffeln sie jeweils mit dem Freitag gesprochen haben.
Nun kamen sie persönlich nach Berlin, um ihren neuen Film Black Friday for Future vorzustellen, der am 28. Dezember im Kino anläuft. Darin geraten zwei hoch verschuldete Schwindler, Albert und Bruno, eher zufällig an eine Gruppe junger Klimaaktivisten und merken schnell, dass sich beim Sammeln von Sac
hwindler, Albert und Bruno, eher zufällig an eine Gruppe junger Klimaaktivisten und merken schnell, dass sich beim Sammeln von Sachspenden allerhand abstauben und beim heimlichen Passierenlassen blockierter Autofahrer dazuverdienen lässt. Unter dem Deckmantel von Konsumkritik und Umweltschutz retten sie lieber sich selbst als den Planeten – bis sich auch bei ihnen das Gewissen regt.Die Komödie war bereits im Frühjahr fertig, lange vor den Pogromen der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober. Beim Wiedersehen im Hotel am Ku’damm zeigen sich Éric Toledano, 52, und Olivier Nakache, 50, als französische Juden besorgt über den ansteigenden Antisemitismus in ihrer Heimat. Und bleiben doch Optimisten.der Freitag: In Ihren Filmen und Serien reflektieren Sie immer wieder gesellschaftspolitische Themen, soziales Engagement und Zivilcourage. Bei „Black Friday for Future“ haben Sie sich jetzt die Klimabewegung vorgenommen ...Éric Toledano: Wir haben uns an einer Kombination von zwei Themen versucht. Es geht einerseits um die Klimakrise, aber auch um die Überschuldung einzelner Menschen, weil sie über ihre Verhältnisse leben. Ein übermäßiger Konsum, der uns persönlich und dem Planeten schadet. Olivier und ich wollten eine Art Momentaufnahme der französischen Gesellschaft schaffen und was sie umtreibt. Aber das war vor dem 7. Oktober, seitdem ist die Welt eine andere und zutiefst gespalten. Das muss man berücksichtigen, wenn wir über diesen Film sprechen. Wir haben ihn zu einer anderen Zeit gemacht. Damals schienen uns die persönliche Verschuldung und die Klimakrise die wichtigen Themen zu sein. Und das wollten wir mit den Mitteln der Komödie angehen. Denn es sind dramatische, tieftraurige Themen, aber wir glauben, ganz in der Tradition der klassischen französischen und italienischen Komödie der 1970er Jahre über die Torturen des Alltags, dass man durch das Lachen die Menschen eher erreicht. Oft reagieren wir auf den Klimawandel mit Panik oder Schuldgefühlen oder machen einfach dicht, weil wir es nicht hören wollen. Mit unserer Herangehensweise hatten wir die Hoffnung, auf mehr Offenheit zu stoßen. Und tatsächlich hat der Film bei den Vorführungen in Frankreich immer wieder für rege Diskussionen gesorgt.Worüber wurde konkret debattiert?Toledano: Die Reaktionen waren sehr gespalten, um ehrlich zu sein. Es wurde viel gelacht, aber der Film polarisierte auch, schließlich bekommen alle ihr Fett ab. Einige Klimaschützer ärgerten sich sehr darüber, wie sie dargestellt wurden. Sie warfen uns vor, dass wir uns über sie lustig machen. Und ständig wurden wir aufgefordert, Position zu beziehen. „Auf welcher Seite steht ihr?“ Dabei sind wir weder militante Aktivisten noch Leugner des Klimawandels. Wir wollen die Leute zum Nachdenken anstupsen, nicht Antworten liefern. Aber das schmeckte nicht allen und nach dem 7. Oktober ist die Stimmung noch angespannter.Wie gelingt diese Gratwanderung, dabei ohne Karikaturen oder Klischees auszukommen? Und wie vermeiden Sie Zuspruch von der falschen Seite?Olivier Nakache: Das war die große Herausforderung. Es ist ein Lauf auf rohen Eiern. Wir haben unsere eigenen eingebauten Filter: Wenn wir darüber lachen können und damit niemanden bewusst verletzen wollen, ist es für uns in Ordnung. Aber es gibt natürlich Befindlichkeiten auf beiden Seiten. Auch Leute, die durch jede Aktion der Klimaaktivisten stinksauer werden, sich gegängelt fühlen. Wir haben viel recherchiert, waren etwa bei Treffen von Extinction Rebellion. Wenn uns jemand vorwirft, wir hätten Karikaturen geschaffen, kann ich nur sagen: Geht da mal hin und schaut euch die Leute dort an! Es gab auch einige Militante, die meinten, wir seien noch zu harmlos in unserer Darstellung.Toledano: Wir sind immer Risiken eingegangen. Ziemlich beste Freunde war eine Komödie über einen Mann im Rollstuhl, in Alles außer gewöhnlich haben ein Muslim und ein Jude autistische Kinder und Jugendliche betreut. Wie das dann aufgenommen wird, haben wir nicht mehr unter Kontrolle. Wir orientieren uns beim Schreiben an der italienischen Commedia dell’Arte oder an Molières Komödien. Wir halten der Gesellschaft einen Spiegel vor, aber wir machen uns dabei nicht über andere lustig, wir lachen zuallererst über uns selbst, unsere eigenen Fehler und Schwächen. Lachen ist eine Form der Freiheit. Wenn vorgeschrieben wird, worüber wir lachen dürfen und worüber nicht, wird das zur Gefahr für die Demokratie.Nach den Terrorangriffen der Hamas vom 7. Oktober hat die „Fridays for Future“-Gründerin Greta Thunberg Israel des Völkermords bezichtigt. Wie haben Sie als Juden das wahrgenommen?Toledano: Ich war überrascht und enttäuscht von ihrem Statement. Aber Greta spricht am Ende nur für sich selbst und nicht für alle Menschen, die sich für Umweltschutz engagieren. Doch man muss auch sagen, dass es ein Gewaltproblem in den aktivistischen Bewegungen Frankreichs gibt, immer wieder kommt es zu Gewalttaten und Übergriffen. Wir versuchen das mit Humor zu entschärfen, aber die Gewalt existiert. Die Polarisierung der Gesellschaft hat durch die sozialen Medien zugenommen. Es fehlt eine wirkliche Auseinandersetzung, in der dem Gegenüber auch zugehört wird. Für uns ist das Kino ein Ort, an dem das hoffentlich noch möglich ist. Weil ganz unterschiedliche Menschen in einem Raum zusammenkommen und gemeinsam etwas erleben, in Leben eintauchen, die sie sonst nicht kennenlernen würden.Die Statements sind aber eben nicht private Aussagen Greta Thunbergs, sondern offizielle Posts von Fridays for Future. Die deutsche Sektion hat sich davon distanziert. Hat die Klimabewegung oder haben Teile der Linken in Frankreich ein Antisemitismusproblem?Toledano: In Frankreich steigt der Antisemitismus gerade extrem, auch bei den Linkspopulisten. Und Macron bezieht dagegen nicht deutlich genug Position. Jean-Luc Mélenchon versucht mit kruden Aussagen die muslimische Bevölkerung als neue Wählerschaft zu umgarnen. Wie einseitig sich Frankreichs radikale Linke derzeit verhält, ist ein Desaster, sie ist teilweise antisemitischer als die Rechtsextremisten. In Krisen zeigen Menschen ihr wahres Gesicht. Und da tritt bei vielen der Antisemitismus offen zutage. Früher nannte man in Frankreich solche Leute Kollaborateure. Wir beobachten diese Spaltung der Gesellschaft mit großer Sorge.Trotz allem bleiben Sie Optimisten, zumindest im Film. Ist Solidarität die Rettung?Nakache: All unsere Filme handeln von Verbrüderung und Freundschaft. Das macht die französische Gesellschaft aus, auch wenn es schwieriger wird. Wenn wir nicht mehr in Lage sind, aus verschiedenen Lagern aufeinander zuzugehen, endet das im Chaos. Die Welt verändert sich und nicht immer zum Besseren, aber wir bleiben zuversichtlich. Wir sind Optimisten, weil wir an den Humor und das Kino glauben. Nur wenn wir zusammenkommen und unsere Gegensätze überwinden, können wir uns retten.Apropos miteinander ins Gespräch kommen: Wird es eine dritte Staffel von „In Therapie“ geben?Toledano: Gut möglich. Wir sprechen gerade viel darüber. Lange dachten wir nicht an eine Fortsetzung, aber seit dem 7. Oktober ist alles anders. In der Serie geht es ja jedes Mal um ein Trauma, erst um die islamistischen Attentate 2015 in Paris, dann um Corona-Pandemie und Lockdown. Traumata sind eine Reaktion auf ein tragisches Ereignis. Sie kommen oft unerwartet. Die Serie handelt davon, wie wir damit umgehen, wie die Auseinandersetzung helfen kann. Ob in Form einer geleiteten Therapie, als Selbsthilfegruppe oder im privaten Umfeld. Miteinander reden hilft. Das gilt jetzt mehr denn je.Eingebetteter MedieninhaltPlaceholder authorbio-1
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