Die G7-Staaten haben Ende Februar 2022 russische Devisenreserven von mehr als 300 Milliarden Euro beschlagnahmt, davon etwa 260 Milliarden in den EU-Staaten, von denen 210 Milliarden beim Geldinstitut Euroclear in Belgien lagern. In den USA wurden nur fünf Milliarden Dollar blockiert. Was ein Hinweis darauf ist, dass Russland von Washington erwartete, dieses Sanktionsmittel einzusetzen, nicht aber von der EU.
In den vergangenen 24 Monaten hat der Westen in Gänze die Ukraine mit gut 100 Milliarden Euro pro Jahr unterstützt, wovon eine Hälfte für Waffen verbraucht wurde, die andere dem dortigen Staatshaushalt zugutekam. Bis Ende 2023 teilten sich die USA und die EU diese Lasten, bevor in Washington eine Mehrheit des Kongresses ausstieg. Der US-Präsident zog darau
sstieg. Der US-Präsident zog daraus die Konsequenz, für sein Land die Formel für die Ukraine-Hilfe zu ändern. Aus: Sie werde geleistet, „solange es dauert“ (as long as it takes), wurde: Es gebe sie, „solange wir können“ (as long as we can). Joe Biden hielt es für unumgänglich, diesen Positionswechsel Wolodymyr Selenskyj bei dessen letztem Besuch in Washington ins Gesicht zu sagen.Die EU aber steht mehrheitlich zur Zusage „solange es dauert“. Doch werden dafür sehr viel mehr finanzielle Ressourcen benötigt, solange die USA ausfallen. Um die aufzubringen, sind die Möglichkeiten arg beschränkt, woraus zu schließen ist: Der „Afghanistan-Moment“ droht im Ukraine-Krieg schon nach gut zwei Jahren einzutreten. Ein Indiz dafür ist, dass fieberhaft nach alternativen Finanzierungsquellen gesucht wird und plötzlich die Idee der EU-Kommission auftaucht: Soll Russland doch zahlen. Wir haben die Devisenreserven. Diese Vermögenswerte werfen Geld ab. Greifen wir zu!Kompromisse nach dem KriegMerkwürdig ist nur, dass man an dieser Option nicht früher Gefallen fand. Warum nicht? Weil es um weniger als vier Milliarden Euro geht, wenn mit diesen Zinsen aus russischem Staatsvermögen der Ukraine die Waffen bezahlt werden? Bei Lichte besehen handelt es sich bei dieser scheinbar frappierenden Idee um Wählertäuschung und ein Verschieben von Lasten in die Zukunft. Schließlich gilt: Will man mit Moskau irgendwann doch zu einem Agreement kommen, um die Kampfhandlungen zu beenden, werden auch dem Westen Kompromisse abverlangt sein. Russland dürfte die Bedingung stellen, seine Devisenreserven und die daraus entstandenen Einnahmen auf Euro und Cent zurückzuerhalten. Will die EU dann sagen: Nein, wir zahlen nicht, Ukrainer, kämpft weiter?Ganz abgesehen davon, dass nach dem Prinzip der Staatsimmunität nicht einfach von Dritten über das Vermögen souveräner Staaten verfügt werden darf. Das ist kein Gewohnheits-, sondern Völkerrecht. Die EU riskiert das Unbehagen von Anlegern, die den Finanzplatz Europa in dem Gefühl meiden, dort kann man verlieren, was deponiert ist.Da der Konflikt in der Ukraine längst zu einer tripolaren Angelegenheit wurde, wird der Westen neben Moskau und Kiew bei denkbaren Verhandlungen über einen Waffenstillstand eine Rolle spielen. Soll diese einem Schweigen der Waffen förderlich sein, müssen eingenommene Positionen auch wieder geräumt werden. Wozu zählen dürfte, die Finanzierung von ukrainischen Waffen mit Geldern des russischen Staates rückabwickeln zu müssen. Dass heute Lasten des Krieges für die eigenen Bevölkerungen vermieden werden, könnte sich dann als Schein oder Trugschluss erweisen. Sie wurden lediglich auf morgen verschoben.